Sehenswert: Der Art Parcours 2015 überzeugt – mit den Werken und den Orten

Der diesjährige Art Parcours führt rund um den Münsterhügel und zu vielen hintersinnigen Überraschungen hin. Eine Kunsttour, die sich lohnt – auch nur mit unserem Video.

Der diesjährige Art Parcours führt rund um den Münsterhügel und zu vielen hintersinnigen Überraschungen hin. Nach einer eher durchzogenen Ausgabe im vergangenen Jahr, lohnt sich die Kunsttour wieder – auch nur mit unserem Video.

Gut möglich, dass viele Einheimische noch nie im Konzilraum des Basler Münsters waren. Der Weg dorthin über die erhöhte Vierung ist normalerweise für Besucherinnen und Besucher nicht zugänglich. Der Raum alleine lohnt mit seinem schweren Steinboden und den gotischen Spitzbogenfenstern einen Besuch.

Das gilt natürlich auch für das Werk, das in der Raummitte steht. Es handelt sich um eine grosse betretbare Bücherkiste mit über 100 Büchern, die zu bestimmten Zeiten an bestimmten Orten verboten waren oder es noch immer sind. «Habitación de Libros Prohibidos» heisst das Werk der spanischen Künstlerin Alicia Framis, das eine von insgesamt 21 Stationen auf dem diesjährigen Art Parcours ist.



«Habitación de Libros Prohibidos» von Alicia Framis im Konzilsaal des Basler Münsters

«Habitación de Libros Prohibidos» von Alicia Framis im Konzilsaal des Basler Münsters (Bild: Dominique Spirgi / © ProLitteris)

Auf den Einbänden der Bücher, in denen man blättern kann, ist beschrieben, wann, wo und wieso sie verboten waren. Und man gerät ins Staunen, welch scheinbar harmlose Titel auf dem Index landeten. In den 1980er-Jahren wurde in London zum Beispiel Beatrix Potters Kinderbuchklassiker «The Tale of Peter the Rabbit» aus allen Schulen verbannt, weil in ihm nur Mittelklasse-Hasen beschrieben würden.

Stein-Riesenmännchen als Platzherr

Wer zum Münster geht, begegnet unweigerlich dem neuen vorübergehenden Herren über den weitläufigen Münsterplatz. Aus sechs mächtigen Gneis-Blöcken hat der Schweizer Künstler Ugo Rondinone ein Steinmännchen zusammengestellt, wie man es ab und zu auf Wanderwegen findet: mit zwei Beinen, einem Rumpf ohne Arme und einem Kopf.



Das riesige Steinmännchen («the gracious») von Ugo Rondinone auf dem Münsterplatz

Das riesige Steinmännchen («the gracious») von Ugo Rondinone auf dem Münsterplatz. (Bild: Dominique Spirgi / © ProLitteris)

Von weitem gesehen, wirkt die archaische Figur putzig und süss, beim Näherkommen wächst sie aber zum mächtigen Riesen heran. «the gracious», so der Titel der Skulptur, scheint wie für diesen leeren, vielleicht normalerweise allzu leeren Platz geschaffen worden zu sein. Gut möglich, dass man sie vermissen wird, wenn sie nach der Art-Woche wieder abgebaut wird, was unter den Gästen der Parcours-Vernissage mehrfach bestätigt wurde.

Stimmige Auswahl der Werke und Orte

Nach einer eher durchzogenen Ausgabe im vergangenen Jahr hat die Kuratorin des Art Parcours, Florence Derieux, in diesem Jahr ein sehr glückliches Händchen bewiesen. Nicht nur, dass die Auswahl der Werke zu überzeugen vermag, auch die Platzierungen an den verschiedenen Orten rund um den Münsterhügel ist ausgesprochen stimmig.



Die Zeit verrinnt bei «Der Tag ohne Gestern I-III» von Alicia Kwade im Kreuzgang des Münsters

Die Zeit verrinnt bei «Der Tag ohne Gestern I-III» von Alicia Kwade im Kreuzgang des Münsters (Bild: Dominique Spirgi / © ProLitteris)

Das gilt in besonderem Masse für das Werk «Der Tag ohne Gestern I-III» von Alicia Kwade im Kreuzgang des Münsters, die über drei riesige Grammophon-Trichter das Ticken und damit das Vergehen der Zeit gut hörbar macht.

Oder für Piero Golias riesige Guillotine im Hof des Basler Rathauses, deren Titel «Untitled (Evil exist where good men do nothing)» eigentlich viel über den Ort aussagt, wo sie zu sehen ist. Allerdings stellt sich nach der Konsultation des Begleitbüchleins die Frage, warum die Guillotine, die eigenlich auf dem Boden liegen sollte, im Rathaushof aufrecht aufgestellt ist.



Das Werk «Untitled (Evil exist where good men do nothing)» von Piero Golia sollte eigentlich liegen.

Das Werk «Untitled (Evil exist where good men do nothing)» von Piero Golia sollte eigentlich liegen. (Bild: Dominique Spirgi / © ProLitteris)

Ursprünglich war, wie Regierungspräsident Guy Morin gegenüber der TagesWoche sagte, tatsächlich geplant, die Guillotine liegend zu platzieren, was aber beim Staatssekretariat Bedenken habe aufkommen lassen, dass das grosse Werk den Passantenfluss im Rathaushof allzu sehr beeinträchtigen könne. Der Künstler habe dann dem Vorschlag, die Guillotine aufrecht und damit zumindest visuell funktionstüchtig aufzustellen, spontan zugestimmt.

Buben- und Frauenwelten

Manchmal sind es auch die Gegensätze zwischen Standort und Werk, die den Reiz ausmachen. So stösst man auf dem Martinskirchplatz, der schon immer eine verkehrsberuhigte Oase in der Innenstadt war, auf einen etwas lädierten roten Ferrari-Oldtimer, der dort eigentlich wirklich nichts zu suchen hätte.



«Mnemonic Vehicle /Ferrari» von Vik Muniz

«Mnemonic Vehicle /Ferrari» von Vik Muniz (Bild: Dominique Spirgi / © ProLitteris)

Erst auf dem zweiten Blick offenbart sich, dass das Werk «Mnemonic Vehicle (Ferrari)» von Vik Muniz nicht etwa ein präpariertes Original, sondern ein auf die Originalmasse vergrössertes Spielzeugmodell des legendären Sportwagens ist, das all die Gebrauchsspuren offenbart, welche die Kinderhände hinterlassen haben.

Lara Schnitger wiederum hat im Lichthof des von Männern dominierten Baudepartements ihre «Suffragette City» aufgebaut, ein feministisches Statement bestehend aus hängenden Stoffbannern und freistehenden Figuren aus Strumpfmaterial und verschiedenen weiteren Stoffen, die von straps- und korsettartigen Versatzstücken zusammengehalten werden. Auf einer mit Pailletten versetzten Tafel kann man überdies auf überraschende Weise Texte und Zeichnungen hinterlassen.

Verschiedene Performances

Der Art Parcours zieht sich von der Schifflände über den Münsterplatz bis zum St. Alban-Graben. Unter anderem bezieht er die Museum, die sich in diesem Geviert befinden mit ein, so das Naturhistorische Museum, das Museum der Kulturen und das Antikenmuseum. An verschiedenen Orten sind zu unterschiedlichen Zeiten auch Performances zu erleben. Alle Werke und Performences sind kostenlos zugänglich.

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Art Parcours 2015. Bis Sonntag, 21. Juni, 11 bis 22 Uhr (am Sonntag von 11 bis 19 Uhr). Am Samstag findet von 18 bis 20 Uhr zudem die Parcours Night statt.

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