Saint Etienne aus Grossbritannien waren in den 1990er-Jahren einmal beinahe berühmt. Am Montag legten sie einen Halt auf dem Basler Kulturfloss ein – und führten dabei mit ihrer faden Performance vor, dass nicht jedes Pop-Comeback nötig wäre.
In den 90er-Jahren schafften sie es, mit ihren Liedern auch Indie-Darlings zum Tanzen zu bringen, waren beim angesehenen Label Heavenly Records unter Vertrag und selbst bei gitarrenlastigeren Bands beliebt: Saint Etienne. Ein Trio aus Grossbritannien, die Namen dahinter haben wir vergessen (Google meint: Bob Stanley, Pete Wiggs und Sarah Cracknell), zu lange her, seit sie hierzulande einmal beinahe berühmt waren.
Eine Band also, die man im eigenen Gedächtnis grosszügig unter «Kult» archiviert hat und gespannt ist auf ihr Comeback: Neue Songs, neue Tour, nebst grossen Festivals (etwa Primavera in Barcelona) auch ein Stopover «Im Fluss», in Basel. Hier haben die Briten einen von insgesamt vier 90-Minuten-Slots erhalten, den das Festival zu vergeben hat. Der «offizielle» Konzertbeginn (20.30 Uhr) verstreicht, das Ufer ist vollbesetzt, die Bühne dunkel und wir fragen uns: Hätten Saint Etienne überhaupt genügend Musik in ihren Sequenzern, um dieses Zeitkontingent auszuschöpfen? Die Antwort: Nein. Für 70 Minuten soll es an diesem Abend reichen – und auch darunter fände sich noch einiges Streichmaterial.
Denn so vielversprechend der Anfang noch ist – niedliche Synthiefiguren begleiten zuckerwattige Gesänge – lässt die Spannung bereits mit dem zweiten Stück nach: In «Who do you think you are» (ein Cover) hangelt sich die dünne Stimme von Sarah Cracknell durchs fade Nichts, tröpfeln beliebige Synthie- und Gesangsmelodien und schlechte Beats aus den Boxen. Daran vermag auch ein eigenartiger Harmoniewechsel und ein Turboboost nichts zu ändern, den einer der beiden Synthiespieler in Form einer durchgepaukten Kickdrum zeitweise zur Intensitätssteigerung reinhaut.
Federboa als Showeffekt
Es wird kaum besser. Die Melodien bleiben harmlos und charmefrei, die Sounds erinnern öfter als es der Band (und wohl auch ihren Fans) lieb ist an Eurotrash. Und während eine Kylie Minogue als Prinzessin Zuckerwatte ihr süsses Nichts immerhin mit einer Show zu übertünchen versucht, stehen Sarah Cracknell und ihre Backgroundsängerin in ihren Kleidchen da wie alternde Schlagerstars und wedeln im besten Fall mal mit einer Federboa. In der Basler Sonne hätte all das vielleicht noch Eindruck gemacht, nicht aber in der Basler Abendsonne.
So bilden die silbrigen Pailletten auf Cracknells Körper das einzig Schillernde an der Performance. Es fehlt ihr an Ausdruckskraft, auch in der Stimme. Man wünscht sich Donna Summer, Dusty Springfield oder Debbie Harry (Blondie) herbei, die Easy Listening und Discopop mit Charakter intoniert haben.
Saint Etienne fehlt es aber auch an griffigen Melodien, an guten Songs und an guten Ideen. Diese deuten sich nur ganz selten an, in Intros oder Outros, in denen die beiden Tastenmänner einige Arpeggi durch Klangfilter jagen oder geschickt einen Stereoeffekt herumwandern lassen.
Immerhin gibt es ein Highlight zu vermelden: Einer ihrer ersten Songs, ein Cover von Neil Youngs «Only Love Can Break Your Heart», worin eine halldurchtränkte Melodica hypnotische Tiefe erzeugt und die Band in einem repetitiven Muster andeutet, dass sie auch intensivere Musik machen könnte. Dabei mögen wir uns selbst am punktierten Eurodance-Beat erfreuen, den andere 90er-Acts wie etwa die schwedischen Ace Of Base («All That She Wants») gerne verwendet haben.
Go East
Wenn Sängerin Sarah Cracknell sonst aber an ihre Anfänge vor 20 Jahren erinnert und zu einem gesampelten Funk-Gitarrenlick «Nothing can stop us now» säuselt, dann erinnert das nicht an Burt Bacharachs brillanten Easy Listening, an ein gutes Stück Acid House oder zumindest an eine B-Seite von Blondie, nein, vom knisternden Charme dieser Single bleibt so wenig übrig, dass wir uns gewahr werden, wie stark der Refrain in die Nähe von Samantha Fox’ «Nothing’s gonna stop me now» gerückt werden muss. Und mit dieser Referenz könnten Saint Etienne heute am ehesten noch in Osteuropa punkten. Doch selbst für eine Vertretung von Weissrussland oder der Ukraine am nächsten Eurovision Song Contest müssten sie die seichten Songs noch pimpen, mit tieferen Bässen und höheren Absätzen. Was wir in Basel erleben ist kein Go-Go, sondern ein No Go.
So bleibt am Ende des 70-minütigen «Konzerts» die Erkenntnis, dass es manchmal besser wäre, die Vergangenheit einfach ruhen zu lassen. Der plätschernde Rhein kann spannender sein.