Die Druckerpresse ist das Symbol der Neuzeit. In Webzeiten wird sie nochmals zum Symbol: für die gute alte Zeit, als es noch gute Schrifttypen gab.
Die Druckerpresse hat den Ruf als wichtigste Erfindung des letzten Jahrtausends. Die Erfindung des Mainzer Goldschmieds Johannes Gutenberg ist ein Sinnbild für den Schritt vom Mittelalter in die Neuzeit. Zurzeit kommt zum Kult aber eine ganz neue Facette hinzu – ähnlich wie beim Vinyl, mit dem immer mehr Fetischisten aus ihren Winkeln krabbeln und behaupten, nur hier sei der wahre Klang. Seit das wichtigste Medium der Verbreitung nicht mehr das Buch ist, sondern das Netz, sind die Typenbeklager auf dem Plan.
Zum Beispiel der Typographie-Experte Ralf Turtschi, der im September mit dem «Tages-Anzeiger» sprach. Die meisten Schriften, sagt er, die auf Bildschirmen verwendet werden, seien nach wie vor für das Papier entworfen. Aber weil sie auf dem Schirm in unterschiedlichen Grössen erscheinen, laufen die Buchstaben dort ineinander.
Die Apokalypse der Schrift ist nah. Doch zum Spott darüber haben wir Gutenberg.
Als im 18. Jahrhundert die Garamond entworfen wurde, hätten die Typographen den Abstand zwischen den Buchstaben für verschiedene Grössen noch extra skaliert! Und dann kommt Turtschi richtig in Fahrt. Vor allem, weil heutzutage jeder Amateur seine eigene Schrift entwerfen kann: «Was hier an sogenannten Neuerungen auf uns zukommt, ist grundlegend falsch, katastrophal in meinen Augen.»
Die Apokalypse der Schrift ist nah. Doch zum Spott darüber haben wir Gutenberg. Auch wenn das Blei im Druck seit den 1960ern zur Nische geworden ist. Ein Zürcher Germanist postete das Turtschi-Interview auf Facebook, ein Fachkollege antwortete: «Typographen haben meistens schlechte Laune, weil sie der Meinung sind, dass es seit Gutenbergs Tod mit der Typographie bergab geht.»
Basel voraus
Zugegeben, der Blick auf alte Schrifttypen hat wenig damit zu tun, was Gutenbergs Presse ursprünglich zum Kultwerk machte. Bei ihrer Erfindung im Jahr 1440 ging es vor allem um Menge. Bald liessen sich mehrere Tausend Seiten am Tag drucken statt einiger Dutzend, wie mit älteren Techniken. Das kam gerade recht für die Umbrüche, die sich im ausgehenden 15. Jahrhundert anbahnten.
Das symbolische Buch dafür ist die Bibel. Martin Luther übersetzte sie als Erster von einer Gelehrten- in eine Volkssprache, um den Klerikern die Deutungshoheit über die Schrift zu nehmen. Das Wort sollte jeden Einzelnen erreichen, so wie es ist. Ohne den Buchdruck hätte Luthers Anliegen das Vehikel gefehlt. Die erste Auflage seiner Übersetzung von 1522 umfasste 3000 Exemplare und war in kurzer Zeit vergriffen.
So viel zum Kult. Nur eins noch. Als Basler weiss man natürlich gern, dass hier die ersten Drucke der Schweiz angefertigt wurden, und zwar in den 1460er-Jahren von Berthold Ruppel, einem Schüler von Meister Gutenberg selbst. Auch wenn von Ruppel lediglich ein Nachschlagewerk aus den 1470ern erhalten ist. Die Zürcher folgten erst 1504 mit Christoph Froschauer. Eins zu null.