Seltene Einblicke und Ausblicke im Video vom Art Parcours

Waren Sie schon einmal auf der Rheinterrasse des Ramsteinerhofs? Der Art Parcours 2016 rund um den Münsterplatz führt an Orte, die man normalerweise nicht betreten kann.

Uniforme Metalltrümmer in edler Umgebung: «Effondrement: Arc» von Bernar Venet auf der Rheinterrasse des Ramsteinerhofs.

(Bild: Dominique Spirgi)

Der Art Parcours 2016 weckt eindrückliche Assoziationen zu Menschenschicksalen in einer Welt, die aus den Fugen geraten ist. Der Basler Kurator Samuel Leuenberger hat damit einen bemerkenswerten Einstand hingelegt.

Es regnet in Strömen. Die beiden Performer auf dem von Rosen umrankten Rasenplatz vor dem Zivilstandsamt sind nicht zu beneiden. Doch sie lassen sich nichts anmerken bei der Umsetzung der performativen Installation der südafrikanischen Künstlerin Tracey Rose.



Der Schrei nach Liebe im Vorgarten des Zivilstandsamts: Performative Installation von Tracey Rose.

Der Schrei nach Liebe im Vorgarten des Zivilstandsamts: Performative Installation von Tracey Rose. (Bild: Dominique Spirgi)

Die Schreie, die aus der grossen und hektisch bewegten braunen Nuss gellen, beziehen sich aber nicht auf das Wetter. Es ist so, als sei diese Riesennuss soeben vom Baum gefallen, der den Rasenvorplatz beherrscht, und das lebendige Wesen, das in ihr steckt, kämpfe nun verzweifelt darum, die Schale zu durchdringen. In einer Ecke des Platzes kauert derweilen eine weissgewandete Braut, die vorerst unberührt scheint, sich dann aber auf Knien allmählich der Nuss nähert.

Kunst, die Geschichten erzählt

Ob dieser hier wiedergegebene Ansatz einer Geschichte stimmt, ist schwer zu sagen. Die drei Titel, die Rose für ihre performative Installation angibt («False Flag: A Deed in 2 Acts», «Mandela Ball #8» und «MaterPater»), deuten auf alle Fälle nicht darauf hin. Ist aber auch mehr oder weniger egal. Aber die Tatsache, dass Kunst hier Assoziationen weckt, Geschichten erzählt, ist eine Gemeinsamkeit der Werkauswahl, die der Kurator Samuel Leuenberger für seinen ersten Art Parcours getroffen hat.

Das setzt sich wenige Meter davon entfernt auf dem Münsterplatz fort. Auf dem weitläufigen Platz sind zwei unterschiedliche Werke zu sehen, die aber inhaltlich assoziativ auf frappierende Art miteinander korrespondieren:



Wartende Menschen zwischen Kathedrale und Absperrgittern: Messingfiguren von Hans Josephsohn.

Wartende Menschen zwischen Kathedrale und Absperrgittern: Messingfiguren von Hans Josephsohn. (Bild: Dominique Spirgi)

Da sind zum einen die grob geformten, überlebensgrossen Messingfiguren von Hans Josephson: 16 in stehender oder liegender Stellung wartende Menschen. Daneben hat Sam Durant ein Labyrinth aus Stahlgittern aufgebaut, das er offenbar in Zusammenarbeit mit Gefangenen aus einem US-Gefängnis entwickelt hat. Zusammengenommen denkt man rasch an Flüchtlinge, die in einem Auffanglager darauf warten, in ein Asylland eingelassen zu werden.

Pick-up zerlegt

Eine Geschichte um Krieg und Flucht lässt sich auch aus dem Werk der US-Künstlerin Virginia Overton herauskristallisieren. Sie hat einen Toyota-Pick-up – das Fahrzeug, dass von Rebellen und Terrortruppen auf der halben Welt als Transportmittel für Maschinengewehre oder Soldaten genutzt wird – zerlegt und zum unbenutzbaren Kunstwerk oder Mahnmal gegen den Kriegseinsatz wieder zusammengestellt. Fein säuberlich hat sie die Einzelteile des Fahrzeugs in die abgetrennte Ladefläche gesteckt.



Wald nach dem zerstörerischen Aschenregen? «Painted Plants von Andrew Dadson.

Wald nach dem zerstörerischen Aschenregen? «Painted Plants von Andrew Dadson. (Bild: Dominique Spirgi)

Die Assoziation zu Krieg oder einer Naturkatastrophe stellt sich auch im gedeckten Innenhof des Baudepartements ein. «Painted Plants» nennt Andrew Dawson sein Werk. Und das ist es denn auch, was man sieht: ein kleiner Wald von mit schwarzer Farbe bemalten Bäumchen. Sind es Bäumchen, die den Ascheregen nach einer Bombendetonation oder einem Vulkanausbruch überlebt haben? Auf alle Fälle ist zu beobachten, wie sich die Pflanzen, die unter Tageslichtlampen stehen, langsam zu erholen beginnen, wie unter der schwarzen Farbe das Blattgrün wieder durchdringt. Ein hoffnungsvolles Zeichen.

Eine Entdeckungstour mit Nachhall

Alles in allem führt der diesjährige Art Parcours auf eine Entdeckungstour zu Kunstwerken und -installationen, die allesamt zum Nachdenken anregen. Und er eröffnet zudem Einblicke in wunderbare Orte, die man normalerweise nicht betreten kann: wie zum Beispiel die herrliche Rheinterrasse des Ramsteinerhofs an der Rittergasse, die mit tonnenschweren gebogenen Stahlbalken («Effondrement: Arcs» von Bernar Venet) vollgestellt ist.

Und die Tour erlaubt Begegnungen mit dem Werk von Künstlern, die sich speziell mit dem Ort auseinandersetzen, an dem sie ihre Spuren hinterlassen. Etwa im Antikenmuseum Basel, wo der US-Künstler Jim Dine einen Raum mit Holzskulpturen und einer riesigen Selbstporträt-Büste eingerichtet hat, welche die antiken römischen Skulpturen des Museums in die Gegenwart überführen.
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Art Parcours. Zwischen Schifflände und Wettsteinbrücke. Bis Sonntag, 19. Juni. Art Parcours Night am Samstag, 18. Juni von 18 bis 24 Uhr.

 

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