Sie haben einen Designklassiker in Ihrem Garten stehen

Design-Möbel, Billo-Sessel, Schreck aller Meere: Der Designklassiker Monobloc kennt keine Grenzen – und ist nun im Vitra Schaudepot zu sehen.

Ein seltener Anblick: der Monobloc allein auf weiter Flur.

(Bild: Jürgen Lindemann)

Design-Möbel, Billo-Sessel, Schreck aller Meere: Der Designklassiker Monobloc kennt keine Grenzen – und ist nun im Vitra Schaudepot zu sehen.

Der berühmteste Stuhl der Welt steht wohl auch bei Ihnen irgendwo rum. Auch wenn Sie sich in keiner Weise mit Design verbunden fühlen, keine Ahnung von Eames und Starck und den ganzen Fritzen haben – diesen Stuhl kennen Sie. Und drauf gesessen sind Sie garantiert auch schon: ein hässliches Plastikding, robust und stapelbar, und essenzieller Bestandteil jedes Campingplatzes in der Schweiz – der Monobloc.

Was wie ein Schokoriegel aus dem Osten klingt, ist in Wirklichkeit die Plastikwerdung der Urvision aller Designer: Ein Möbel aus einem einzigen Stück Material gegossen. Keine Schrauben, Nägel und Scharniere – ein einziges Stück Gebrauchsgegenstand und gut ist. Bei einem Nachttischchen kein Problem, bei einem Schemel auch nicht wirklich, aber so ein richtiger Stuhl mit Lehne und Beinen? Gar nicht mal so einfach.

Der Monobloc ist ein simples Wesen

Das mussten auch die Designer in den Zwanzigerjahren erfahren, als sie versuchten, durch Verformung von Metallblechen oder Schichtholz etwas Sitzbares hinzukriegen. Die Rettung nahte knapp 30 Jahre später: Der Kunststoff war erfunden und stand aufgrund industrieller Verfahren in grossen Mengen zur Verfügung. Ausserdem machten es Kunststoff-Technologien endlich möglich, Stühle in Guss- oder Pressverfahren in einem einzigen Produktionsschritt zu fertigen.

Daher auch die Bezeichnung Monobloc: simple Herstellungsweise, simples Aussehen, simpler Name. 

Auf den Kunststoff-Boom folgte also der Monobloc-Boom: Eifrig wurden Stühle in allen Formen und Farben gegossen, einer hässlicher als der andere. Motiviert in ihrer Vision und bestrebt, massenhaft günstige Möbel zu produzieren und zu verkaufen, machten sich die grossen Industriedesigner Europas ans Werk: Der dänische Designer Verner Panton kreierte den armlehnenlosen «Panton Chair» – die naheliegendste Form von Stuhl, nämlich nichts weiter als eine gebogene, rechteckige Kunststoffplatte.



Einfach und genial: Verner Pantons «Panton Chair»

Einfach und genial: Verner Pantons «Panton Chair». (Bild: Jürgen Hans)

Der «Bofinger-Stuhl» des deutschen Architekten Helmut Bätzner hatte auch keine Armlehnen – dafür vier Beine. Dasselbe galt für den Stuhl «Selene» des italienischen Designers Vico Magistretti.

Armlehnen aus Frankreich

Die Armlehnen kamen in den Siebzigerjahren, allen voran hier der französische Ingenieur Henry Massonnet mit seinem «Fauteuil 300», der als Urtyp des erschwinglichen Kunststoffstuhls gilt. Massonnet brachte es fertig, dass ein Produktionszyklus weniger als zwei Minuten dauerte.



«Fauteuil 300»: Zwei Minuten dauert die Herstellung dieses Stuhls, entworfen vom französischen Ingenieur Henry Massonnet.

«Fauteuil 300»: Zwei Minuten dauert die Herstellung dieses Stuhls, entworfen vom französischen Ingenieur Henry Massonnet.

Mit Massonnets Proto-Stuhl blühte dieser Wirtschaftszweig auf und immer mehr Unternehmen stiegen ins Plastikstuhl-Business ein. Heute sind die hundertfachen Ausführungen des Plastikstuhls in allen Schichten auf der ganzen Welt vorhanden: Als Designobjekt im Grafikerloft, als wetterfester Stuhl in Schweizer Vorgärten, als Sitzgelegenheit vor asiatischen Take-outs, als Strandsessel an brasilianischen Sandstränden.

Der Plastikstuhl ist ein umtriebiges, ein «gäbiges» Objekt, aber auch wenig umweltfreundlich und verschwenderisch. An ihm lässt sich die groteske Konsumgesellschaft nachvollziehen, in der er entstanden ist und die er massgeblich mitgeprägt hat: Ein billig produzierter, garantiert null nachhaltiger Stuhl, der Reich und Arm mit seiner Schlichtheit betört und so lange in deren Zuhause vor sich hin steht, bis die Besitzer Lust auf etwas anderes haben.

Sein Leben endet im besten Falle in der Recyclingstation, im schlechtesten landet er im Ozean. Für 450 Jahre. So lange dauert es nämlich, bis Plastik abgebaut ist. Ganz schön viel Müll für einen Designertraum.

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«Monobloc – Ein Stuhl für die Welt», Vitra Schaudepot, Weil am Rhein, 17. März–18. Juni 2017.

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