An der Baloise Session kehrt Eric Clapton mit einer abgeklärten Show zurück zu seinen Wurzeln, streut wohldosiert Hits ein und ehrt den jüngst verstorbenen Kollegen J.J. Cale.
Er spiele nur noch wenige Konzerte, verkündet Festivalpräsident Matthias Müller zu Beginn über den Stargast des Abends. Das stimmt so nicht ganz, denn Eric Clapton hat im vergangenen Frühjahr eine ausgedehnte Jubiläumstournee absolviert, acht Shows davon allein in Deutschland, 2014 wird er nach Japan aufbrechen.
50 Jahre steht der Mann auf der Bühne, der in einer 2011 vom Rolling Stone erstellten Liste zum besten lebenden Gitarristen gekürt wurde. Das gleiche Magazin erlebte den Mann kürzlich als netten alten Herren, der sich sogar besorgt beim Interviewer erkundigte, ob denn seine Tasse Tee bezahlt wäre.
Ein bisschen Liturgie
Die Achterbahnfahrt durch Drogen und Alkohol, durch Lebens- und Liebesschmerz hat der 68-jährige «Slowhand» hinter sich, seine Gitarrenkunst aber glüht weiter. Und das nicht auf einem eingefrorenen, musealen Level, wie sich bei seinem ersten von zwei Auftritten an der Baloise Session zeigte, der – ganz anders als seine sonstigen Konzerte – im eher intimen Rahmen vor 1500 Zuschauern stattfand.
Zu den wie stets illustren Gästen im Saal mischte sich ein hoher Anteil von Männern, die auf das Alter ihres Idols zugehen und ihre Rituale pflegen. Als wären das gymnastische Übungen, erheben sie sich nach jedem Song mit feierlicher Miene, aber nie länger als zehn Sekunden. Ein wenig Liturgie schwingt da mit, nicht umsonst sprühte ein Fan bereits 1967 «Clapton Is God» an die Wände einer Islingtoner Tube-Station.
Doch «Gott», der schon seit geraumer Zeit eher wie ein gesetzter Literat aussieht denn wie ein Rockmusiker, ist unberechenbar. Spielte er sich auf seinen Jubiläumskonzerten vor Monaten noch munter durch seinen Hitkatalog, setzt Clapton an diesem Abend deutlich andere Akzente, dies auch aus aktuellem Anlass: In seiner nahezu zweistündigen Performance, getränkt von frühen Blues-Einflüssen, zieht er immer wieder den Hut vor dem im Juli verstorbenen Kollegen J.J. Cale, dem er viel musikalisches Futter zu verdanken hat.
Dampfende Eröffnung
Die sechsköpfige, prominent besetzte Band und die zwei Backgroundsängerinnen eröffnen mit einem mächtig dampfenden halbstündigen Set: Cales «Don’t Go To Strangers» wird erdig zelebriert, und Clapton begeistert gleich mit diesem sanft glühenden Ton, der nie zu aggressiv wird, steuert die Soli in den oberen Lagen mit grosszügigen Slides an.
Stationen beim Südstaaten-Soul und Chicago Blues folgen: In Eddie Floyds «Knock On Wood» vereinigt sich Clapton seelenvoll mit den Chorladies, Muddy Waters‘ «Hoochie Coochie Man» wird durch die sehr physischen, schnörkelosen Drums von Henry Spinetti vorwärtsgetrieben, Boogie Piano-Linien kommen vom glänzend disponierten Chris Stainton. Bei «Got My Mojo Working» ist der Zug so gut geölt am Laufen, dass die Massen an den Bühnenrand strömen.
Tribut an J.J.
Erst dann wird ein Gang zurückgeschaltet, und wiederum geht es in eine Cale-Hommage: In «Since You Said Goodbye» legt Clapton erstmals mit seinen typischen, abgestoppten Synkopenriffs das Fundament, «After Midnight» dagegen wird seines schönen Grooves durch neue Rhythmisierung und Harmonien beschnitten.
Zum Highlight gerät «Call Me The Breeze», mit ungeheuer lockerem Achtelanschlag und einem Solo zum Niederknien: Claptons Virtuosität ist so abgeklärt, mit fast stoischer Haltung aus dem Ärmel geschüttelt, dass man ihn fast einen Antirocker nennen müsste. Kein verzerrtes Gesicht, kein Herumreissen des Gitarrenhalses. Und er kann auch mal zurücktreten: Für die aufbäumende Dramaturgie des «Gin House Blues» überlässt er dem Zweitgitarristen Andy Fearweather Low die Vocals, für «How Long» tritt Paul Carrack von der Orgel her mit seiner schönen Popstimme in Erscheinung, die man von Mike & The Mechanics kennt. Clapton versteigt sich hier zu ein paar neckischen Trillern à la Santana.
Urblues und Folkwalzer
Doch ohne ein Unplugged-Set geht ein Konzert von «Slowhand» nicht über die Bühne: Das Jackett wird aufgehängt, er nimmt die petrolblaue Akustikgitarre in Empfang, Spinetti zügelt sich zu feinen Besentupfern, Bassmann Dave Bronze drosselt mit feiner Begleitung auf einem Halbakustischen. Stilistisch wird es etwas beliebig: Ein wunderbarer Blues aus den Zwanzigern wird vom rührseligen Folkwalzer «Goodnight Irene» abgelöst, schliesslich leitet Clapton mit einem beredten Introsolo «Layla» ein, das dann aber wie immer, im Vergleich zur elektrifizierten Derek & The Dominos-Version, müde und matt klingt.
Dass zum Finale wieder eingestöpselt wird, ist daher goldrichtig, und mit «Pretending» und «Cocaine» bekommt der Abend nochmal einen brettharten, fast Heavy-Charakter. Zwischendrin, und nicht zum Ausklang, platziert Clapton übrigens «Wonderful Tonight»: Als die berühmte Melodie in die Höhe klettert, seufzen Hunderte von Frauen kollektiv auf.
Dabei geht es hier ja gar nicht um große Romantik, geschweige denn um Erotik: Nach einer netten Party fährt das Paar nach Hause, er hat leichte Kopfschmerzen, sie bringt ihn zu Bett, brav werden mit einem Kompliment die Lichter gelöscht. Man ahnt es: Es ist genau das, was nach diesem Konzert vielfach passieren wird. Schon fast wieder cool, dass man mit so viel Bürgerlichkeit ganz hoch ins Rock’n’Roll-Elysium aufsteigen kann.