So hat man diese drei noch nicht tanzen sehen

Zwei Tänzerinnen und ein Tänzer vom Ballett Basel starten nach Saisonende ihr eigenes Projekt. Bei Carta Blanca ist alles möglich – was die vier Säulen der Druckereihalle im Ackermannshof erlauben.

Andrea Tortosa Vidal, Jorge García Pérez und Alba Carbonell Castillo (v.l.) versuchen was Neues.

(Bild: Kihako Narisawa)

Zwei Balletttänzerinnen und ein -tänzer vom Theater Basel starten nach Saisonende ihr eigenes Projekt. Bei Carta Blanca ist alles möglich – was die vier Säulen der Druckereihalle im Ackermannshof erlauben.

Harter Körpereinsatz ist das täglich Brot von Profitänzern. Doch einen Tag nach Abschluss der Ballettsaison schwitzen Alba Carbonell Castillo, Andrea Tortosa Vidal und Jorge García Pérez in ungewohnten Posen. Die Drei bauen eigenhändig das Bühnenbild für die Premiere ihres Carta Blanca Dance in der ehemaligen Druckerei im Ackermannshof.

«Da merkt man wieder, wie verwöhnt wir im Theater sind», bemerkt García. Der langjährige Ensemble-Tänzer ist Initiator des ersten Carta Blanca Dance. Schon letzten Herbst inszenierte er in der ehemaligen Wasserfilteranlage auf dem Bruderholz einen Tanzabend auf ungewohntem Boden. Nun fragte er zwei Kolleginnen vom Ballett Basel für Choreographien an. Die temperamentvolle Tänzerin Tortosa kennen Ballettbesucher spätestens, seit sie in «Snow White» das Schneewittchen gab, und mit Carbonell konnte García das wohl grösste Choreo-Talent der Truppe gewinnen. Ihr «San Saru» war das herausragende Stück des letzten DanceLab.

Mit diesem Abend voller Kurzchoreographien von Ensemblemitgliedern beendet das Ballett Basel normalerweise seine Saison. Doch wegen des Theaterumbaus in diesem Sommer war die Saison verkürzt. Dieses so lustvolle wie experimentelle Schlussbouquet fiel weg. «Wir hätten das Carta Blanca so oder so gemacht», so García. DanceLab schätzen alle drei, doch der Wegfall aller Theaterstrukturen – inklusive der Infrastruktur – fordert und beflügelt sie noch mehr.

«Bei dieser Plattform hat man noch mehr Freiheiten, andere Techniken einzubeziehen», so Tortosa. «Nur die vier Säulen im Raum setzen Grenzen.» Rahmen wäre wohl passender. Immerhin nutzte sie die Gegebenheiten in der ehemaligen Druckerei als Teil ihrer Choreographie. Dort wirbelt zwischen den Tänzerinnen auch ein mobiler Drummer.

Bei García bricht ein Schauspieler das klassische Tanzszenario. «Das war meine Herausforderung, da meine Stärke eher im Physischen liegt als im Geschichtenerzählen.»

Experimentelle Tanzplattform

Solche Genremixes entsprechen dem Grundgedanken der Carta Blanca als experimentelle Tanzplattform, «wo man etwas wagen und riskieren soll», so García. Trotzdem trägt jedes der drei 20- bis 25-Minuten-Stücke zum Grundthema «zwischenmenschliche Beziehungen» die persönliche Handschrift der jeweiligen Tänzer.

«Swipe, Swipe» von García über oberflächliche Date-Allüren via Apps und virtuelle Räume ist geprägt von kraftvoll virtuosen Tanzbewegungen. 
Carbonell nutzt in «Somero» das feine Spiel mit Textilien, um zu zeigen, wie Verletzte und Blossgestellte langsam wieder Vertrauen fassen können. Tortosa stellt mit ihrem «Untitled» die Beziehung zum Publikum auf die Probe: «Es soll sich auf den Reiz von Bewegungen und Rhythmen einlassen, die nicht klassisch ästhetischen Ansprüchen entsprechen.»

Vertraute Gesichter

Nebst den tanzfremden Artisten sieht man bei der ersten Ausgabe von Carta Blanca vertraute Gesichter vom Ballett. García: «Da anfangs kaum Budget für die Produktion vorhanden war, boten wir unsere Ensemblefreunde auf.» Doch nicht nur die Tänzerinnen und Tänzer konnten sie mit ihrem Projekt begeistern, selbst Direktor Richard Wherlock gefällt das Engagement. «Es zeugt von seinem Vertrauen in unseren vollen Einsatz beim Theater, dass er uns dieses Projekt nicht nur erlaubt – obwohl es uns seit April parallel zu den regulären Produktionen beschäftigte –, sondern seine vollste Unterstützung anbot.»

Auch die treuen Ballettbesucher scheinen nach Saisonschluss noch nicht genug vom Tanz zu haben. Die Premiere von Carta Blanca ist schon fast ausverkauft. García: «Hier erlebt man uns näher und intensiver als auf der Bühne, hört uns atmen und sieht uns schwitzen.» Doch hoffen sie mit dem ungewohnten Tanzort nicht nur das Stammpublikum zu überraschen. Sie wünschen mit dem Wagnis vor allem Leute anzulocken, die Tanz so noch nicht kannten.

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Carta Blanca, 30. Juni – 2. Juli, 20 Uhr, Ackermannshof, St. Johanns-Vorstadt 1921, Basel
Sonntag, 3. Juli 11 Uhr Charity Show mit zusätzlichen Performances

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