So viel los an der BuchBasel!

Das Volkshaus wird für ein Wochenende zum Epizentrum der Schweizerischen Literaturszene. Hier finden Sie Szenen, Tweets, Videos und Bilder der BuchBasel.

(Bild: Ben Koechlin)

Das Volkshaus wird für ein Wochenende zum Epizentrum der Schweizerischen Literaturszene. Hier finden Sie Szenen, Tweets, Videos und Bilder der BuchBasel.

Kracht & Batthyany

Vor drei Sekunden sei Christian Kracht erst aus Los Angeles eingeflogen, sagt Moderator Andreas Isenschmid. Der Autor und Nominierte für den Schweizer Buchpreis erreiche Basel sozusagen mit einer Punktlandung zur Festivaleröffnung am Freitagabend.

Kracht sieht aus, als wäre er lieber zu Hause geblieben.

Der Mann hat nicht eben den Ruf, gerne im Rampenlicht zu stehen. Selbst schuld, dass er so erfolgreiche Bücher schreibt, da lässt es sich schwer vor Lesungen wie der im Galeriesaal drücken. Aber auch ohne schillernde Bühnenpräsenz hängt ihm das Publikum an den Lippen, besonders wenn der Autor zu lesen beginnt. Wäre da nur nicht dieses Rauschen im Mikrofon. «Mühsam!», ruft eine Besucherin dazwischen und Isenschmid bittet den «Krach-Boten» (Publikum lacht), das Problem zu beheben.




Christian Kracht las in Basel aus seinem Neuling «Die Toten kommen» (Bild: Ben Koechlin)

Der Techniker tut wie ihm geheissen, während eine junge Frau in der ersten Reihe den Blumenstrauss zur Seite schiebt, damit sie Kracht besser sehen kann. Kracht scheint der Trubel zu entspannen, amüsiert beobachtet er die Pannenserie. Dann liest er weiter. Und das Publikum hängt ihm wieder an den Lippen.

Ganz anders Sacha Batthyany, ein weiterer Buchpreis-Nominierter. Besorgt zwar, aber mit lockerer Körperhaltung berichtet er von der amerikanischen Wahlnacht, die er in New York verbracht hat. Er hätte schon einen Artikel über Clinton in den Startlöchern gehabt, als er das überraschende Ergebnis erfahren habe, sagt der Autor und Journalist lachend. Das Publikum amüsiert sich über seine humoristische Selbstreflexion.

Lustig sei das eigentlich nicht, findet Batthyany. Lustig ist auch sein Buch nicht: In «Und was hat das mit mir zu tun» arbeitet er einen Teil seiner Familiengeschichte auf. Die Moderatorin betont, dass sie nach wie vor mit den Tränen kämpfe, wenn sie seine Geschichte höre. Unklar bleibt jedoch, was die Geschichte seiner Grosstante tatsächlich mit ihm zu tun hat. 




Hat seine Familiengeschichte aufgearbeitet: Sacha Batthyany (Bild: Ben Koechlin)

Platz für Newcomer

Neben den grossen Namen der Szene erhalten auch Newcomer ihr Quantum Aufmerksamkeit. Michelle Steinbeck begrüsst im Obst & Gemüse zur Lesereihe «Dilettanten und Genies» und die vier Lesenden feuern Gedichte und Geschichten ins Publikum bis die Glaskuppel zittert.




Michelle Steinbeck begrüsst zu «Dilettanten und Genies». (Bild: Ben Koechlin)

Von den Vortragenden blieb insbesondere der Jungdichter Christian Vedani in Erinnerung, dessen schlichte Reime einen düsteren doppelten Boden hervorschimmern lassen. 

Heimat aus verschiedenen Perspektiven

«Die Literatur ist für alles ein Spiegel, auch für die Politik», sagte Hans Georg Signer, Präsident von LiteraturBasel, am Eröffnungsabend am Freitag. Demnach gibt es an der BuchBasel auch Raum für politische Diskussionen über Heimat. Besprochen wird zum Beispiel der Nationalismus. Moderator Thomas Strässle fragt nach dem Nationalstolz und nach dem einst europäischen Friedensprojekt, das nun unter Beschuss steht.

Autorin und Psychiaterin Melitta Breznik, Autor und Historiker György Dalos und Historiker Jakob Tanner antworten. Während Tanner scheinbar die Moderatoren-Rolle übernimmt, sich ans Publikum wendet und einen Vortrag hält, kommt Breznik eher selten zu Wort. Und Dalos erinnert an einen schrulligen Geschichtenerzähler, der auch zum politisieren neigt.

Die komisch-tragische Quintessenz dieses Gesprächs: Eine Kombination aus Patriotismus und Internationalismus beherrscht die europäische Bevölkerung – eine seltsame Mischung, sind sie sich einig. Und was passiert in Zukunft? «Ich setze meine Hoffnung auf die Jugend», so Breznik.

Katrin Eckerts erste Bilanz

Nach der Hälfte aller Veranstaltungen zeigt sich eine zufriedene Festivalleiterin Katrin Eckert auf der Galerie des Volkshauses:

Literatur auf Knopfdruck

Die BuchBasel verzeichnet auch in diesem Jahr wieder ordentlichen Andrang, wenngleich der Publikumsaufmarsch hinter den Zahlen des letzten Jahres zurückbleiben dürfte.

Die TagesWoche besucht eine weitere Nischenveranstaltung und diktiert unter den Baumkronen eine Textbestellung in die Schreibmaschinen der Gruppe «Literatur für das was passiert». Der Erlös geht an Menschen auf der Flucht. 

Was dabei heraus kam? Voilà:

Das ungewöhnliche Format stösst auch auf Kritik:

 

Einer der Festivalschwerpunkte: Basel meets Sarajevo

Am späteren Nachmittag werden an der Sperrstrasse im 10. Stock eines Hochhauses die letzten Sonnenstrahlen erhascht. In einem Wohnzimmer liest der bosnisch-deutsche Autor und Journalist Amir Kamber aus seinem noch nicht veröffentlichten Buch.Herr Amir Kamber, haben Sie schonmal im 10. Stock eines Hochhauses gelesen? #BuchBasel pic.twitter.com/pbnf6chVcg

Mit treibendem Sprachstil in abgehacktem Stakkato beschreibt Kamber seine Flucht aus dem damaligen Jugoslawien der 90er. Ob es für ihn therapeutisch sei, dieses Buch zu schreiben, will eine Zuhörerin wissen. «Ist denn das hier nicht alles irgendwie therapeutisch?», anwortet Kamber. Und fügt dann an, dass die Arbeit an diesem Text die Vergangenheit tatsächlich fassbarer mache. Kamber lebt zur Zeit wieder in Köln, nachdem er zeitweise für mehrere Jahre nach Sarajevo zurückgekehrt war.

 

Kamber ist Teil des Austauschs «Basel meets Sarajevo», der vor dem Hintergrund des 20. Jahrestages des Friedensvertrags von Dayton stattfindet. Um 20 Uhr liest der bekannteste bosnische Autor Dzevad Karahasan im Festsaal, während parallel das lockere Abendprogramm eingeläutet wird.

Und später?

Wir sind beim Wortgefecht zwischen Gabriel Vetter und Renato Kaiser im Obst & Gemüse anzutreffen (20 Uhr) und konsultieren danach die Bar im Sääli zum Goldenen Fass. Dort ist ist die Lesereihe «Shot Stories» zu Gast, die das Publikum und die Autorinnen und Autoren bei Schnaps und Kurzgeschichten ins Gespräch bringt. Ein willkommener Abschluss nach einem langen Festivaltag. Und wer weiss, vielleicht nutzt auch einer der Buchpreisanwärter die Gelegenheit, um die aufsteigende Nervosität an der Bar zu beschwichtigen.

Kracht gewinnt

Am Sonntag dann der abschliessende Höhepunkt: Die Verleihung des Schweizer Buchpreises 2016. And the Winner is…


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