Sofia Hultén und die wundersame Verwandlung des Alltags

Die junge britisch-berlinerische Künstlerin Sofia Hultén verleiht Alltagsobjekten auf subversive Art eine eigene Geschichte. Zu sehen sind sie im Museum Tinguely.

Sofia Hultén in einer ihrer Installationen im Museum Tinguely.

Auf dem Weg von der Grenzacherstrasse zum Eingang des Museums Tinguely passiert man einen Container. Auf den ersten (und wohl auch zweiten) Blick fällt an diesem Metallding nichts Spezielles auf – ausser, dass man sich vielleicht fragt, warum das Museum ausgerechnet zur Ausstellungseröffnung einen Container an dieser prominenten Stelle platziert hat.

Dieser Container ist Kunst geworden durch eine hintersinnige Mutation, welche die Künstlerin Sofia Hultén vorgenommen hat. Sie hat das Innere des Containers nach aussen gekehrt. Konkret: Sie hat ihn auseinandergesägt und die Einzelteile verkehrt wieder zusammengeschweisst.

Entstanden ist dieses Werk als Auftragsarbeit für eine Freiluft-Skulpturenausstellung in Köln. «Ich gehe davon aus, dass 95 Prozent der Besucher den Container nicht  für Kunst gehalten haben», sagt die Künstlerin mit einem schalkhaften Lächeln.

Das könnte auch bei einigen anderen Installationen und gefilmten Aktionen Hulténs der Fall sein, wenn sie nicht im Museum stünden. 17 Werke zeigt das Museum Tinguely in der Einzelausstellung mit dem Titel «Here’s the answer, what’s the question».

Container, immer wieder Container

Container, so zeigt die Ausstellung, scheinen es der Künstlerin, die in Birmingham aufgewachsen ist und in Berlin lebt und arbeitet, sehr angetan zu haben. Die Videoarbeit «Immovable Object/Unstoppable Force» zeigt die Künstlerin, wie sie versucht, mit meditativer Kraft einen Container zu bewegen. Natürlich, ohne ihn bewegen zu können. Das Ganze versteht Hultén selbst als Kapitel der für sie allgegenwärtigen Frage: «Wer gewinnt? Ich oder du?»

Es ist Kunst mit viel Hintersinn, den man sich erst einmal erarbeiten muss. Etwa beim Objekt mit dem Titel «Mutual Annihilation». Zu sehen ist eine hässliche grüne Schubladenkommode. Aber erst durch die Geschichte dahinter wird das Werk zur Kunst.

Auf einem Vierkanalvideo ist die Arbeit der Künstlerin zu sehen. Sie hat die Kommode aufwendig restauriert, bis ein ausgesprochen schmuckes Möbelstück entstand. Dann aber kehrte sie den Restaurierungsprozess wieder um. In ebenso aufwendiger Arbeit stellte sie den versifften Zustand wieder her. «Ein absurder Aufwand», wie die Künstlerin selber sagt.

In dieser oberflächlichen Sinnlosigkeit sieht Museumsdirektor Roland Wetzel denn auch eine gewisse Verwandtschaft von Hulténs Werk mit demjenigen von Tinguely. Der Namensgeber des Museums hat mit Objets trouvés unnütze Maschinen geschaffen. Hultén schafft mit Fundgegenständen etwas Neues, indem sie ihnen eine oder mehrere Geschichten oder Biografien verleiht.

Man muss sich an die Arbeiten der Künstlerin herantasten. Wenn sich aber deren Hintersinn erschliesst, dann kann der Besuch der Ausstellung viel Spass bereiten.

Museum Tinguely: «Here’s the answer, what’s the question». Einzelausstellung mit Werken von Sofia Hultén. Bis 1. Mai 2018.

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