Sog mit schweren Schritten

The Dandy Warhols hatten in ihrer 18-jährigen Bandgeschichte sechs goldene Jahre. Lobenswert, dass sie sich an ihrem Konzert in der Kaserne darauf beschränkten – einem neuen Album zum Trotz.

Schön ausgeleuchtet: Die Dandy Warhols in der Kaserne Basel. (Bild: Alexander Preobrajenski)

The Dandy Warhols hatten in ihrer 18-jährigen Bandgeschichte sechs goldene Jahre. Lobenswert, dass sie sich an ihrem Konzert in der Kaserne darauf beschränkten – einem neuen Album zum Trotz.

Man hatte sie fast vergessen. Einen wirklichen Hit hatten sie, der vor langen 11 Jahren als Song zu einem Werbefilm eines Telefonanbieters gross und grösser wurde und seltsamerweise also Produkte anpreisen musste, die das Lied ins Gegenteil kehrte. «Bohemian Like You» war süffisanter Spott über eine selbsternannte Bohème unter Libertinagezwang, doch als Werbeträger wurde das Lied zu einer kleinen, euphorischen Hymne über Rock´n´Roll-Feierei. The Dandy Warhols wurden, es ist bitter, noch im Erfolg falsch verstanden.

Das Quartett, vor 18 Jahren in der Studentenstadt Portland gegründet, hatte nach «Bohemian Like You» den Status einer One-Hit-Band, was selten ein Kompliment ist. Hits waren bei The Dandy Warhols allerdings nur sekundär vorgesehen. Zuerst kam und kommt – verspätete Hippies, die sie mit ihren krausen Koteletten, farbigen Tüchern und bunten Hemden sind – die grosse Dröhnung.

Mächtiger Song

«Be-In» heisst das erste Lied, es fusst auf nicht mehr als zwei Akkorden und braucht dafür dennoch gute sieben Minuten, bis es sich zu seiner finalen Wucht emporgerichtet hat. «Be-In», von ihrem zweiten Album «Come Down», ist ein psychedelisches Crescendo voller kreisenden, gurgelnden Analogsynthies, schweren Retro-Gitarren und einem hypnotischen Gesang von Bandkopf Courtney Taylor-Taylor, der sich selbst im Loop gefangen hält. 15 Jahre ist der Brocken alt, aber er entfaltet sofort einen mächtigen Sog.

«Everyone Is Totally Insane» entwickelt diese fesselnde Schläfrigkeit weiter, «We Used To Be Friends» war einmal ein etwas käsiger Popsong und ist nun zu einem missgelaunten, sehr überzeugenden Stück Rumpelrock mutiert. In «You Were The Last High» setzt Taylor-Taylors Gesang, der in der Regel mit wenigen Tönen und mantraartigen Redundanzen auskommt, zu eleganten Melodiebögen an, und in «Not If You Were The Last Junkie On Earth» gefallen die Chorgesänge und der direkte Weg zur Hookline entlang ihren typischen krumm gebauten Gitarrenwänden. Kaum einer der Songs, den The Dandy Warhols an diesem Abend in der halb gefüllten Kaserne spielen, ist jünger als sieben, acht, neun Jahre. Und kaum einer fällt ab.

Uh-Uh-Uh

Das ist insofern erstaunlich, als dass The Dandy Warhols nicht etwa auf Reunion-Tour sind, sondern auch in den vergangenen Jahren regelmässig Platten veröffentlicht haben, die aktuellste erschien vor wenigen Monaten. Nichts davon hat weder Kritiker noch Fankreise wirklich überzeugt, und als müsste sich die Band selbst etwas dafür schämen, was ihnen in jüngster Zeit eingefallen ist, blendet sie dieses Material nahezu komplett aus. Ihre Verkaufsmanager werden sich ob dieser Setliste die Haare raufen, für das Publikum aber gewinnt das Konzert immer mehr an Euphorie. Mit dem Psychocountry-Schüttler «Get Off» und der monolithischen Lärmorgie «Boys Better» biegen The Dandy Warhols druckvoll in die letzten Meter ein, und dort wartet schliesslich «Bohemian Like You», der nochmals all das zusammenfasst, was diese Band kurz gross gemacht.

Vier Akkorde dickbäuchig brummender Retro-Rock, viel Uh-Uh-Uh und eine Refrainzeile, die sofort zündet. Etwas Vergleichbares ist ihnen seither nicht mehr eingefallen, was sie sträflicherweise weit unter ihrem Wert einordnet. 15 Minuten Berühmtheit werde jeder einmal haben, sagte ihr Namenspatron einst. Die von The Dandy Warhols sind, scheint es, schon seit einiger Zeit abgelaufen – aber die Erinnerung daran halten sie mit grossem Engagement wach.

Nächster Artikel