Spaziergang über die Grenzen hinaus

Ein Festival ganz besonderer Art findet am kommenden Wochenende im Grenzgebiet zwischen Deutschland, Frankreich und der Schweiz statt – hier dreht sich alles ums Spazieren.

Vielleicht nicht der gewöhnlichste Spaziergang, derjenige zum Flughafen. Da nimmt man doch lieber den Bus. (Bild: Daniel Brefin)

Ein Festival ganz besonderer Art findet am kommenden Wochenende im Grenzgebiet zwischen Deutschland, Frankreich und der Schweiz statt – hier dreht sich alles ums Spazieren. Gerahmt wird der Anlass von zwei Ausstellungen in Hégenheim und auf dem Dreispitz-Areal.

Der Weg steht im Mittelpunkt des Geschehens beim trinationalen Festival des Spazierens, das vom Verein «Raumforschung» in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Gestaltung und Kunst sowie weiteren Institutionen aus Frankreich, Deutschland und der Schweiz organisiert wird.

Im Gegensatz zur Fortbewegung mit schnellen Fahrzeugen – wie dem Auto oder dem Zug – bietet das Zufussgehen Gelegenheit, die Landschaft um uns herum in verlangsamter Form und auf eine intensivere Weise zu sehen. Durch die Bewegung im Raum können wir unsere Umwelt erst richtig wahrnehmen und sie aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten.

Schulung des Auges

Die Wissenschaft des Spazierens wurde in den 1980er Jahren vom Soziologen Lucius Burckhardt und seiner Frau, der Künstlerin Annemarie Burckhardt-Wackernagel, ins Leben gerufen. Die Promenadologie will mittels des Spazierens das Betrachten wiederentdecken, neue Blickwinkel aufzeigen und dadurch eine Sensibilisierung für die Wahrnehmung einer Landschaft oder eines urbanen Gebiets schaffen.

Die Umwelt sei nur wahrnehmbar durch Bildvorstellungen, welche sich im Bewusstsein des Betrachters bilden, waren die Burckhardts überzeugt. Da die Technik und die zunehmende Geschwindigkeit unserer Zeit die menschliche Wahrnehmung der Umwelt verändert haben, muss das bewusste Betrachten jedoch neu erprobt und gelernt werden.

Genau darum geht es auch den Veranstaltern des weg-Festivals: Auf geführten Spaziergängen, die begleitet werden von künstlerischen Interventionen, Performances und anschliessenden Vorträgen, wird das Promenieren als Arbeitsmethode der Raumwahrnehmung und der bewussten Auseinandersetzung mit der Umgebung untersucht und praktiziert.

3 Tage Spazieren:

  • Am Freitagmorgen startet das Festival mit einem Spaziergang vom Flughafen Basel-Mulhouse zu Fuss nach St. Louis. Begleitet wird er vom Promenadologen Bertram Weisshaar unter dem Motto «Mikrolandschaften im globalen Schatten». Zwischen Autobahn und Flugplatz wird nach schönen Landschaften und versteckten ästhetischen Momenten gesucht. Promenadologische Interventionen gibt es im Programm am Freitag ausserdem mit Arthur Vinck und seinem Projekt «Marche et gravure d’un paysage», Oliver Steins «Kartografie der Reste» und Emma Dusongs «Valise». Mit ihrem Beitrag «Reflexionsbündel» regt die deutsche Künstlerin Brigitte Liebel die Besucher an, mit einer Lochkamera ein einziges, von ihnen ausgewähltes Bild der Umgebung festzuhalten. Auf dem Vitra Campus in Weil am Rhein wird das Programm am Nachmittag fortgesetzt, zunächst mit einer akustischen Performance von Amadis Brugnoni, anschliessend mit Vorträgen aus dem Themenbereich der Spaziergangswissenschaft von Nicolaj van der Meulen, Jörg Wiesel, Bertram Weisshaar und einer Lesung des belgischen Künstlers Christoph Fink.
  • Der Samstagsspaziergang beginnt beim Zoll Hörnli Grenze und wird geführt von der Schweizer Künstlerin Marie-Anne Lerjen. Sie zeigt den Besuchern, wie ihre Wahrnehmung während des Spazierens gesteuert werden kann. Nach einem Transfer an den Dreispitz zum neuen Campus der Hochschule für Gestaltung und Kunst folgen am Nachmittag Performances und Beiträge der Künstler Chasper Albrecht, André Lehmann und Gwen van den Eijnde und der Künstlerinnen Christina Kubisch und Katrin Herzner. Anschliessend stehen Vorträge von Christof Schelbert, Ariane Wilson, Beate Florenz und Lorenzo Romito auf dem Programm mit einem moderierten Schlusspanel unter der Leitung von Katja Reichenstein. Der Abend beginnt mit der Vernissage der Ausstellung «Bewegnungen», die fünf Persönlichkeiten vereint, welche sich auf unterschiedliche Weise mit dem Raum und der Landschaft auseinandergesetzt haben, und endet mit einem Fest im Atelierhaus «flatterschaft».
  • Der Sonntagmorgen gestaltet sich durch individuelle Spaziergänge von Basel nach Hégenheim mit Anleitungen der KünstlerInnen, Sybille Völkin, Judith Dobler, Marguerite Bobey, Matteo Hofer und Helena Hernandéz Tapia, der Landschaftsarchitektin Alice Foxley, dem Sound Designer N’Gouda Prince Ba und der Studentinnen der Fachhochschule Céline Berner und Adeline Glauser. In Hégenheim geht es weiter mit dem Besuch der Ausstellung «A la croisée des chemins potentiels» in der FABRIKculture, wo die Werke von sechs jungen französischen Künstlern und Künstlerinnen ausgestellt sind, die sich mit dem Spazieren, Flanieren und Verirren beschäftigen. Die Finissage dieser Ausstellung bildet den festlichen Ausklang des Festivals und wird begleitet von einer musikalischen Performance der Hochschule für Musik Basel.

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> weg – das trinationale festival des spazierens – le festival trinational de la promenade. 9. bis 11. Mai 2014. «A la croisée des chemins potentiels», FABRIKculture Hégenheim. 6. April bis 11. Mai 2014.
«Bewegnungen», iaab Projektraum «Basement» Münchenstein / Basel. 10. bis 18. Mai 2014.
Die Teilnehmerzahl für die geführten Spaziergänge ist beschränkt, Anmeldung unter www.wegfestival.org

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