Aufbruch im Pop-Business Basel: Reelmusic und Radicalis spannen zusammen und werden damit zur vermutlich grössten Musikagentur der Schweiz. Von der Fusion profitieren auch lokale Bands, die auf eine internationale Karriere hoffen.
Wie es scheint, hat die unglaubliche Geschichte rund um die Basler Zeal & Ardor erste Konsequenzen. Vor einer Woche erschien das Debütalbum «Devil is Fine», welches von Ikonen wie Tom Morello (Rage against the Machine) oder Slash (Guns N’Roses) gepriesen wurde. Fast täglich kann man nun mitverfolgen, welche Festivals sich weltweit um die Band reissen. Die Tourdatenliste der Band, die erst im April beim Czar Fest in der Kaserne ihre Bühnenpremiere hat, wird länger und weiter.
Und nun gibt das Management der Band, Reelmusic, bekannt, dass es mit der Basler Musikagentur Radicalis fusioniert. Da drängt sich die Frage auf: Sind Zeal & Ardor der kleinen Künstleragentur aus Basel, die 2006 von David Burger gegründet wurde, über den Kopf gewachsen?
«Wir hatten schon letzten Sommer beschlossen, unsere Kräfte zu bündeln», wiegelt Burger ab. «Beide Agenturen betreuen mittlerweile so viele Bands in unterschiedlicher Form, dass wir eine stärkere Infrastruktur schaffen wollten, um uns im nationalen und internationalen Musikmarkt als erfolgreicher Dienstleister in Management, Booking und Promotion zu behaupten.»
Im Probelauf liefs gut
Dominic Stämpfli, der seine Agentur Radicalis vor elf Jahren gegründet hat, ergänzt: «Als es dann mit Zeal & Ardor losging, hatten wir einfach das perfekte Zugpferd, um die Zusammenarbeit zu testen.» Sein Geschäftspartner Dominic Oehen kümmerte sich von Anfang an gemeinsam mit Burger um den Karriereaufbau. «Weltweit arbeiten nun aber schon über 50 Leute für die Band, diejenigen vom Plattenvertrieb nicht mitgezählt», so Burger.
Auch wenn Zeal & Ardor gerade so richtig abheben, legen beide Wert darauf, dass es bei der Fusion nicht nur um die Shooting Stars gehe. Burger: «Gerade sorgt die aus Basel stammende Debrah Scarlett mit ihrer neuen Single in Skandinavien und England für Furore, und das neue Album von Serafyn läuft auch gut.» Das Debüt der Poppreisträger 2015 trägt denn auch bereits das neue Radicalis-Logo. «Das prangt schon auf neun anderen Alben», sagt Stämpfli. «Bereits im September 2016 haben wir ein gemeinsames Label gegründet. Das fiel bloss noch keinem auf.»
Dass sowohl das Label wie auch die gemeinsame Agentur den Namen von Stämpflis Agentur tragen, hat rein pragmatische Gründe. Burger erklärt: «Wir fanden weder eine gescheite Kombination noch einen tollen neuen Namen. Und Reelmusic war eigentlich ein doofer Name, den ich mit 19 Jahren halt gut fand.» Am Klingelschild und an der Bürotüre seines kleinen Basler Büros am Voltaplatz steht jedoch noch nichts von Radicalis. Burger: «Wir wechseln bald in neue Räume, wo wir alle Platz zum Arbeiten finden.»
Ein Gewinn für die Basler Szene
55 Bands betreuen die neun Mitarbeiter von Radicalis nun. Nicht nur Basler Bands, sondern auch nationale Künstlerinnen wie Evelinn Trouble und internationale Bands wie die österreichischen Bilderbuch, die derzeit in aller Ohren sind. Radicalis dürfte neu die grösste Schweizer Management-Agentur sein. Für die lokale Szene ist das ein grosser Gewinn.
Die Entwicklung solcher Agenturen mag auf den ersten Blick weniger interessant sein als die Karrieregeschichten von Bands. Doch die genannten Beispiele zeigen, wie wichtig diese Infrastruktur für die lokale Szene ist. Dass heute so viele Basler Bands international unterwegs sind wie noch nie, ist in den meisten Fällen das Verdienst von Agenturen.
Basel hat zwar schon lange eine lebhafte Musikszene, doch erst in den letzten 15 Jahren ist mit kleinen Agenturen und Labels wie A Tree in a Field, Czar of Crickets, Lux Noise oder den beiden frisch Fusionierten auch ein professionelles Umfeld entstanden, das sich um rechtliche Fragen, Tourneeplanung und einen internationalen Karriereaufbau kümmert.
Jetzt brauchts nur noch mehr Geld
All diese Labels und Agenturen erhielten den mit 12’000 Franken dotierten Business Support des RFV Basel. So auch Reelmusic (2016) und Radicalis (2010). Und Radicalis erhält nun vom Migros Kulturprozent 10 000 Franken aus dem Topf der Pop-Label- und Künstlermanagement-Förderung.
Beide erachten diese Unterstützung als sehr wichtig, damit sie werden konnten, was sie heute sind. Doch: «Um nun anstehende Projekte realisieren zu können, reichen die hier vorhandenen Gelder für Populärmusik nicht», sagt Stämpfli. Deshalb suchten sie neue Wege, um an Wirtschaftsförderung zu kommen.
Bedeutet das, dass Radicalis nicht mehr lange in Basel bleibt? Schliesslich werden die Strippen im internationalen Markt in Metropolen wie Berlin oder London gezogen. Stämpfli verneint. «Wir haben bereits Mitarbeiterinnen in Hamburg und Berlin. Der Sitz wird aber in Basel bleiben. Die meisten unserer Künstler sind von hier, und mit Flughafen und Bahnanschluss sind wir hier logistisch gut gelegen.» Und Burger ergänzt: «Ausserdem sind hier Freunde, die Familie und der Rhein!»