Sprachlosigkeit angesichts epischer Redegewalt

Im Kunsthaus Baselland setzt sich eine Ausstellung mit dem Thema Sprache auseinander und wirft damit einen interessanten Blick auf etwas, was uns alltäglich erscheint.

(Bild: zVg)

Im Kunsthaus Baselland setzt sich eine Ausstellung mit dem Thema Sprache auseinander und wirft damit einen interessanten Blick auf etwas, was uns alltäglich erscheint.

Sprache ist für die Menschheit unverzichtbar. Selbst die Stummen haben ihren eigenen Weg, sich mitzuteilen. Wer in einem fremden Land die Sprache der Einheimischen nicht spricht, fühlt sich schnell hilf- und machtlos. Umgekehrt sagt der Volksmund: Die Mächtigen haben das Sagen.

Ausgehend von solchen Gedanken hat Nadia Schneider Willen fürs Kunsthaus Baselland eine Ausstellung konzipiert, die sich mit der Beziehung von Sprache und Macht auseinandersetzt. Gleich hinter der Eingangstür verdeutlicht uns eine Arbeit von José Restrepo diesen Ansatz: ein Video zeigt einen kolumbianischen Politiker, der offensichtlich agitiert eine Rede vor Publikum vorträgt. Den Ton der Rede enthält uns der Künstler vor. Stattdessen hat er die Gestik vertont, die Schläge der Hand auf das Rednerpult hörbar gemacht.

Auch wenn man nicht weiss, was der Redner Wichtiges vorträgt, so sieht man ihm an, dass er versucht, sein Anliegen klarzumachen, die Opposition zu überzeugen. Zu vertraut sind uns Mimik und Gestik der Politiker. Dass sie einstudiert sein wollen, zeigt Julika Rudelius in ihrer Doppelprojektion «Rites of Passage». Einflussreiche Politiker bringen hier ihren Praktikanten das Einmaleins der Rhetorik bei. Gleichzeitig kann es sein, dass in den Ohren noch die Töne von Tania Brugueras Audioinstallation tönen. Aus riesigen Lautsprechern dröhnen Schlagwörter aus Fidel Castros epischen Reden. Der Wortschwall ist derart mächtig, dass ein Besucher, der es wagen sollte, die eingerichtete Bühne mit Mikrofon zu erklimmen und selbst eine Rede zu versuchen, nicht dagegen ankommen würde.

Selbstinszenierung

Selbstinszenierung ist ein wichtiger Teil für ein politisches Image. Im Wahlkampf lassen sich Präsidentschaftskandidaten deshalb gerne von populären Songs unterstützen. Lena Maria Thüring hat solche Lieder ausgewählt und deren Texte von Schauspielern nachsprechen lassen. Nicht selten, so merkt man, hat einer tüchtig daneben gegriffen bei seiner Wahl – weil er offenbar nicht genau genug auf die Texte hörte. Weshalb hätte sonst Ronald Reagan 1984 ausgerechnet Bruce Springsteens Antikriegssong «Born in the USA» aussuchen sollen?

Gelingt einem Staatsoberhaupt aber einmal eine besonders mitreissende Rede, so erhält er diese gerne für die Nachwelt. Während heute mal schnell ein Video auf YouTube hochgeladen wird, setzte man früher auf Schallplatten. Dani Gal hat solche zusammengetragen und präsentiert sie nun – ohne spezielle Ordnung – auf mehreren Wandregalen.

Die Politik ist aber nur ein Feld, in dem die Sprache wichtig ist. Die Gesellschaft ist die andere. Fast täglich verschwindet eine Sprache von der Erdoberfläche. Susan Hiller geht solchen aussterbenden Sprachen nach und überträgt diese meist nur gesprochenen Sprachen in eine gezeichnete Tonspur.

Analphabetismus

Einen sehr persönlichen Zugang zum Verhältnis von Sprache und Schriftlichkeit hat Yto Barrada gewählt. Sie hat Fotografien des Telefonbuches ihrer Grossmutter gemacht, einer Analphabetin. Zahlen werden hier in Strichen geschrieben, nur die Null ist eine Null.

Der «Code», den Barradas Grossmutter nutzte, ist schnell nachvollziehbar. Nicht immer ist das so, und selbst eigentlich klare Sprache kann zu Missverständnissen mit gravierenden Folgen führen. Was etwa passiert, wenn der Pilot eines Kampfflugzeugs schiessende Offiziere mit erschossenen Offizieren verwechselt? Dani Gal zeigt uns mittels einer Wortfolge aus Leuchtstoffbuchstaben, wie der Sinn eines Satzes einfach abgewandelt werden kann.

Es gibt noch einige Werke mehr im Kunsthaus Baselland. Jorge Macchi etwa verwandelt Buchstaben in Musik. Doch auch ohne alle aufgezählt zu haben, wird schnell klar, dass Sprache eine komplexe Angelegenheit ist – auch wenn sie den meisten von uns doch so einfach und geläufig scheint.

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