Starke Stimme, unterkühlte Performance

Goldfrapp verzichten bei ihrer Rückkehr nach Montreux darauf, an ihre grossartige Liveshow vor zehn Jahren anzuknüpfen. Stattdessen schieben sie sich durch all ihre Karrierestationen, leider auch die unnötigen.

Singende Elfe: Alison Goldfrapp. (Bild: Marc Ducrest)

Goldfrapp verzichten bei ihrer Rückkehr nach Montreux darauf, an ihre grossartige Liveshow vor zehn Jahren anzuknüpfen. Stattdessen schieben sie sich durch all ihre Karrierestationen, leider auch die unnötigen.

Der zweitgrösste Konzertsaal am Jazz Festival in Montreux war uns jahrelang als Miles Davis Hall vertraut. Claude Nobs wollte damit dem genialen Trompeter, der hier mehrfach aufgetreten war, ein Denkmal setzen.

Tempi passati: Dieser Saal heisst jetzt Montreux Jazz Lab. Die Namensänderung ist gewöhnungsbedürftig weil weniger griffig, zudem auch nicht ganz nachvollziehbar. Im Jazz Lab schwingt weit weniger Charakter mit wie in einer Miles Davis Hall.

Eine durchzogene Setliste

Am Mittwoch hatte dieses Lab allerdings tatsächlich Laborcharakter. Die britische Band Goldfrapp war als Headliner angesagt, brachte verschiedene Phasen ihrer Karriere auf die Bühne. Ein bisschen Filmmusik, ein bisschen Psychedelik, ein bisschen Discopop, ein bisschen  – ein bisschen durchzogen.

Schade. Denn vor knapp zehn Jahren hatten wir Goldfrapp im selben Saal schon einmal erlebt, mit einem fantastischen Auftritt. Sängerin Alison Goldfrapp schwang eine Peitsche, bezirzte ein Theremin, mimte den hochhackigen Vamp und kombinierte den Feenjodel ihres fantastischen Debüts «Felt Mountain» mit dem Disco-Sound des zweiten Albums «Black Cherry». 

Schwächere Alben

Tempi passati. Goldfrapp haben seither vier weitere Alben veröffentlicht, keines kam an ihr Debüt heran. Man kann der Band immerhin nicht vorwerfen, stehen geblieben zu sein. Aber auch nicht sagen, dass sie sich in eine gute Richtung weiter entwickelt hätte. Zwar haben Alison Goldfrapp und Komponist Will Gregory stets neue Wege eingeschlagen, allerdings im Vergleich zum Frühwerk oft den Pfad der Belanglosigkeit gewählt. Das wäre nicht weiter schlimm, wenn sie mit der Live-Performance das Korrektiv anwenden und sich auf ihre starken Kompositionen beschränken würden.

Goldfrapp sind live übrigens immer ohne Gregory auf der Bühne. Er verzichtet auf Tourneen, programmiert zu Hause zahlreiche Samples und Sequenzen fürs Konzert vor. An seiner Stelle: eine Violinistin, Gitarre, Bass, Schlagzeug und Keyboards.

Zu Beginn spielt sich das Sextett durch das aktuelle Album «Tales of Us», das mit seiner Trip-Hop-Stimmung an die Anfänge erinnert. Doch erst mit dem vierten Lied vermögen sie eine Sogwirkung zu erzielen, die unterkühlte Stimmung aufzutauen und das Publikum mitzureissen: «Alvar» heisst die eindringliche Nummer, die man sich so vorstellen muss, als hätten Sigur Ros ein Lied für Kate Bush geschrieben. Es endet in einem ohrenbetäubenden, aber wunderbaren Crescendo. Gleich im Anschluss folgt «Little Bird», das stärkste Stück aus den letzten 7 Goldfrapp-Jahren, voller beatlesker Psychedelik. Schade nur, dass bei der Livedarbietung der Schlagzeuger meint, er könne mit Lautstärke beeindrucken. Mehr Feinfühligkeit wäre grooviger gewesen.

Betörende Stimme

Ansonsten im Vordergrund: Die beeindruckende Stimme von Alison Goldfrapp. Sie betört noch immer mit ihrem kräftigen Hauchgesang, ihrer Kopfstimme, ihren gellenden Effekten. Was ihre Performance abseits der Stimme angeht, gibt sie sich aber äusserst reserviert. Am auffälligsten ist da noch ihr schwarzes Kleid, das von Zandra Rhodes stammen könnte, da es sich wie Federn ausbreiten lässt. Den Film zum Soundtrack muss man sich aber vorstellen – und manchmal auch die allzu forciert grelle Lichtshow wegdenken.

Die zweite Konzerthälfte flacht inhaltlich ab, pumpende Bass Drums und schwache Songs, die an Outtakes aus den 1980er-Jahren gemahnen, nehmen überhand. Das Publikum klatscht zwar die Viertel mit, aber berauschend ist das nicht, was geboten wird, in Songs wie etwa «Number 1».

Am Ende des Sets vermögen uns Goldfrapp immerhin zu versöhnen für ein Konzert, das keine Spontanität zuliess, oft unterkühlt wirkte und zu viele mittelmässige Nummern enthielt.

Die Encores «Utopia», «Lovely Head» und «Strict Machine» sind der Grund, weshalb man sie einst liebgewonnen hat. Vielleicht sollten wir uns nach der wiederholten enttäuschenden Konzerterfahrung (nach Avenches und Dublin) damit abfinden, dass Goldfrapp ein Studioprojekt ist, das man sich live nicht zwingend geben muss.

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