Nach dem Basel-Krimi im letzten Jahr entführt das Theater Basel das Publikum in einem Mehrteiler zurück zu Erasmus: Was auf den ersten Blick hochtrabend anmutet, entpuppt sich als lebendig und erfrischend angerichtete Humanisten-Soap-Opera.
«Es stinkt hier», beklagt sich Erasmus von Rotterdam, wenn er mit seinem Gepäck auf einem Leiterwägelchen in Basel ankommt. Mag sein, dass er die Weihrauchschwaden meint, die zuvor von einem der durch die Gänge wandelnden Kapuzinermönchen in die Umgebung gewedelt wurden. «In Basel sind wir itz katholisch», wurde verkündet. Das sollte sich bald ändern. Nicht eigentlich, aber ein bisschen vielleicht auch wegen Erasmus.
Wir sitzen im schmucken Kreuzgang des Basler Münsters, der vom Theater Basel als erster Spielort der vierteiligen Erasmus-Soap-Opera auserkoren wurde (und sind froh, dass uns das Theater in diesem kühlen Mai Wolldecken zur Verfügung stellt). Über Kopfhörer vernehmen wir klösterliche Choräle und hören die Stimmen der Protagonisten, die für einmal so sprechen können, als müssten sie keine Bühnenrampe überwinden.
Auf den Krimi folgt der Gelehrtenstoff
Nach dem Basel-Krimi mit Kommissär Hunkeler in der vergangenen Spielzeit steht nun also Gelehrtenstoff an, von der Gegenwart gehts zurück in die Zeit der Renaissance. Das 500-Jahr-Jubiläum der kritischen Edition des Neuen Testaments durch Erasmus nahm das Theater zum Anlass, das Rad der Zeit für seinen Mehrteiler im Stadtraum ebenso viele Jahre zurückzudrehen. Der Münster-Kreuzgang bietet die ideale Umgebung – nicht nur, weil Erasmus nur wenige Meter davon entfernt begraben liegt.
Geschichtsstunde oder Gelehrtenstoff, diese Begriffe könnten abschrecken. Sollte es aber nicht. Denn der Stoff ist, soweit sich das von der ersten Folge her beurteilen lässt, sehr frisch und locker, aber nicht anbiedernd umgesetzt. Der mit vielen ironischen Schlenkern durchsetzte Text stammt von Gesine Danckwart.
Eingespieltes Duo Bettini/Hug
Wiederum treffen die beiden Ensemblemitglieder Andrea Bettini und Martin Hug auf eine kleine Schar von Laien. Und wiederum schafft Regisseurin Daniela Kranz wie schon bei der Hunkeler-Reihe eine stimmige Balance zwischen den Profis und den Amateuren herzustellen.
Im Zentrum steht das Duo Bettini und Hug, das erneut zu brillieren vermag. Dieses Mal trägt Hug den Hut der Hauptfigur, den wir vom berühmten Porträt von Hans Holbein d. J. ja bestens kennen (und das uns in einer Vergrösserung mit Hugs Antlitz auch deutlich vor Augen geführt wird). Bettini eilt als Erasmus‘ Drucker Johannes Froben durch den Kreuzgang.
Um die beiden Protagonisten herum tummeln sich Frobens Gesinde, seine Ehefrau und die Honoratoren der Stadt Basel wie Bürgermeister Jakob Meyer zum Hasen sowie Münsterpfarrer Jakob. Sie alle erwarten Erasmus, getrieben von Froben, mit beinahe schon hysterischer Freude. Als dass Basel anders ticken möge, als Humanistenstadt nämlich mit dem berühmten «Erasmus von Basel» – was er dann später ja auch wird, auch wenn es im Namen bei Rotterdam bleiben wird.
Eintauchen in die Geschichte
Hug präsentiert uns einen leicht larmoyanten, nicht ganz uneitlen und auf alle Fälle sehr menschlichen Gross-Gelehrten, dem die ganze Verehrung bald etwas zu viel zu werden scheint. Bettini als Froben verkörpert den puren Stolz, der beste Drucker der Welt zu sein, der nun mit dem besten Gelehrten zusammenarbeiten darf, was seinen Stolz noch befeuert.
Eine Stunde dauerte der erste Teil der Serie, die den Titel «Zurück zu den Quellen» trug. Oder «Ad fontes», wie der Lateiner sagt oder eben die Humanisten sagten, die damit die Rückbesinnung auf die Originaltexte der griechischen Philosophen meinten.
Zurück zu den Quellen der Geschichte der Humanistenstadt führte dieser Auftakt zur Erasmus-Serie auch szenisch. Und er tat dies auf sehr unterhaltsame Weise: mit Witz, ohne dabei ernste und berührende Momente auszuklammern. Etwa wenn Erasmus mit dem lesefähigen Mädchen (Paula Krneta) zusammensitzt und darüber sinniert, dass die Zeit kommen werde, in der das Lesen-Können, die Bildung als Rohstoff jedermann erreichen werde.
Es geht weiter
Dieser erste Teil hat Lust gemacht auf die weiteren Episoden, wenn spürbar werden wird, wie sich die Idee der reformierten Kirche verbreitet und sich die Basler immer stärker gegen die herrschenden Sitten aufzulehnen beginnen.
- Ab Mittwoch, 10. Mai, geht es in der Aktienmühle um ein skandalumwobenes Wurstessen in Zürich und ein Spanferkel in Basel («Es geht um die Wurst»).
- Ab 17. Mai folgt im Römersaal des «Hauses zum Seilen» in der St. Alban-Vorstadt «Der Sturm».
- Ab 31. Mai heisst es im Klosterhof des Kleinen Klingentals schliesslich und endlich «In Ewigkeit. Amen».