«Swiss Army Man» ist Leichen fleddern für Fortgeschrittene

Kino für Abgebrühte: «Swiss Army Man» zeigt die widerwärtig-berührende Freundschaft eines gestrandeten Aussteigers und seiner multifunktionalen Leiche.

Leiche Ex Machina: Dieser etwas grauslige Fund entpuppt sich bald als methanausstossender Wunderjunge.

(Bild: © capelight pictures)

Kino für Abgebrühte: «Swiss Army Man» zeigt die widerwärtig-berührende Freundschaft eines gestrandeten Aussteigers und seiner multifunktionalen Leiche.

Oberflächlich betrachtet könnte «Swiss Army Man» als eineinhalbstündiger Furzwitz abgetan werden. Das würde den Film allerdings zu simpel erklären. «Swiss Army Man» ist hinter dem Schleier von Methan und Flachwitzen eine poetische Metapher über Freundschaft und Liebe und eine philosophische Annäherung an den Sinn der Existenz.

Kammerspiel mit Leiche

Von Leben und Liebe enttäuscht, beschliesst Hank Thompson (gespielt von Paul Dano und nicht etwa von Tom Hanks) der Zivilisation den Rücken zu kehren und als Aussteiger zu leben. Wir finden ihn auf einer Insel vor, verwahrlost, am Rande des Nervenzusammenbruchs und gerade dabei, sich vor seiner Höhle aufzuknüpfen. Doch kurz bevor er springen will, fällt sein Blick auf einen leblosen Körper am Strand. Das Schicksal hat ihm ein Gschpänli geschickt!

Die Leiche, die Hank fortan Manny nennt (Ex-Harry Potter Daniel Radcliffe), entpuppt sich als äusserst nützliches Multitool. Ein Mann, so vielseitig begabt und wichtig fürs Überleben wie ein Wenger-Offiziersmesser. Seine Flatulenzen lassen ihn zum Jetski werden, in seinem Innern verbergen sich Wasserspender und Maschinengewehr, sein Penis fungiert als Kompass.

Doch nicht nur fürs nackte Überleben benötigt Hank seine multifunktionale Leiche. Hank braucht ihn auch, um seine kranke Seele zu pflegen.

Lektionen in Menschlichkeit von einer Leiche

Alleine im Wald sitzen die zwei und versuchen in langen Gesprächen zu erörtern, was es eigentlich bedeutet, Mensch zu sein, was eine lebenswerte Existenz ausmacht und natürlich der Schlüssel zu allem: die Liebe.

Manny, der seit seinem Exitus sämtliche Erinnerungen an sein früheres Leben verloren zu haben scheint, hört Hank fasziniert zu und stellt Fragen. Eiskalt und unverblümt, wie sie in der Realität nur von Kindern oder vom Leben abgehärteten Grosseltern kommen können. Und Hank erklärt und veranschaulicht mit aufwendigen Installationen bereitwillig alles, was er über die menschliche Existenz zu berichten vermag.

Manny wird zum Sancho Pansa von Hank-Don Quijchote. Und als dieser stellt er auch gleich die wichtigsten Beobachtungen zum Thema Freundschaft an. Auf Hanks Geständnis hin, dass er eben nicht gerne vor Manny furzen würde (da es eben Dinge gibt, die man lieber alleine verrichtet), erwidert dieser gekränkt: «If my best friend keeps his farts from me, what else is he hiding?»

Für den Zuschauer verschwimmt die Grenze zwischen Fantasie und Wirklichkeit bereits zu Beginn des Filmes, mit dem (wortwörtlichen) Auftauchen der rettenden Leiche ex machina. Hanks Gespräche mit Manny öffnen eine neue Dimension der Realitätsverschiebung, die bis zum Ende des Films immer wieder die Frage aufwirft: «Was kann ich glauben?»

Zartbesaitete werden es in diesem Film schwer haben, über die ewigen Furzwitze und das Leichenfleddern hinwegzusehen. Die Beherzten unter den Kinogängern können sich auf eine eineinhalbstündige Odyssee durch die Wildnis mit Leiche freuen, die selbst den Baron von Münchhausen vor Neid blass werden liessen. «Swiss Army Man» verdient fünf von fünf Särgen.

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«Swiss Army Man», Kinostart 27. Oktober 2016.

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