Die legendäre Geschichte des Wilhelm Tell wurde schon so häufig nachgespielt, dass wohl mehr als eine ganze Apfelernte dafür draufging. Auch in der Literatur haben sich nach Schiller noch einige mit dem Stoff befasst. Ein Überblick zum 1. August.
«Durch diese hohle Gasse muss er kommen, es führt kein andrer Weg nach Küssnacht.» Bei diesem Zitat werden Erinnerungen wach: an mühsame Deutschstunden, an gelungene Theateraufführungen oder vielleicht sogar an einen Tagesausflug an den Vierwaldstättersee.
Es stammt aus Friedrich Schillers Schauspiel «Wilhelm Tell», das 1804 uraufgeführt wurde. Es ist die wohl bekannteste Bearbeitung des Tell-Stoffes. Als Schiller das Schauspiel schrieb, hatte er die Schweiz noch nie besucht – und dennoch war es der Deutsche, der den Schweizer Gründungsmythos bekannt machte.
Bevor Schiller den Tell-Mythos auf die grosse Bühne brachte, war die Figur aus verschiedenen Chroniken bekannt, etwa aus dem Weissen Buch von Sarnen oder aus der Chronik von Ägidius Tschudi. Doch Schiller war nur der Anfang einer vielseitigen Auseinandersetzung mit der Legende.
Eine Ouvertüre für die Ewigkeit
Auf der Vorlage von Schillers Schauspiel komponierte Gioachino Rossini rund 25 Jahre später seine Oper «Guillaume Tell». Vor allem die Ouvertüre erlangte Weltruhm und wurde vielfach in unterschiedlichen Filmen wieder verwendet, beispielsweise in Symphonie Hour und Uhrwerk Orange. Speziell zur Untermalung von Reiterszenen wurde die Musik oft verwendet.
Das Bier vermischt sich mit dem Blut
Auch in Nottiswil, einem allerdings fiktiven Ort, konnte man sich für den Tell-Stoff erwärmen und plante eine Theateraufführung. Mani Matters Lied «Si hei dr Wilhälm Täll ufgfüert» schildert dieses Spektakel auf äusserst humoristische Art und Weise. Hier verliert die Geschichte etwas vom Mythisch-Erhabenen: Die Aufführung, bei der die Dorfbevölkerung zur Hälfte bei der Aufführung mitwirkt und die andere Hälfte im Publikum sitzt, endet im totalen Chaos, in der Schlägerei. Eine Aufführung in durchaus «naturalistischem Stil». Matters Fazit: «Si würde d Freiheit gwinne, wenn si däwäg z gwinne wär!»
Mitleid mit «Gessler»
Bei Schiller und auch bei seinen Nachfolgern stand klar Wilhelm Tell als Held im Mittelpunkt. Max Frisch entschied sich, einmal nicht Tell als den Guten und Landvogt Gessler als den Bösen darzustellen, sondern erzählt die Tell-Geschichte aus Sicht des in die Waldstätten abkommandierten Gessler, der hier aber «Ritter Konrad oder Grisler» ist, und dem es dort gar nicht gefällt. Diese Perspektive lässt den Leser eher Mitleid mit dem Ritter empfinden, ihn nicht mehr als gemeinen Tyrannen dastehen. Und plötzlich sieht man die ganze Geschichte mit anderen Augen.
Globi und Wilhelm Tell
Auch für das jüngere Publikum wurde Wilhelm Tells Geschichte bearbeitet. Allerdings ist dort weniger Tell der Held, sondern der blaue Vogel mit den karierten Hosen: Globi. Dieser träumt sich in die Zeit von «Willi» und «Walti» und unterstützt sie im Kampf gegen die Unterdrücker.
Auch in diversen Comics und Cartoons kommt vor allem die Apfelschuss-Szene immer wieder vor. Und Red Bull verwendete diesen kritischen Moment für Vater und Sohn, um die Wunderwirkung des Getränks anzupreisen.
«Wilhelm Tell – Realität und Mythos»
Sehr ausführlich hat sich vor etwa 25 Jahren Jean-François Bergier mit dem Tell-Stoff beschäftigt. Das fast 500-seitige Sachbuch wird derzeit neu aufgelegt. Bergier folgt der Figur Tell auf allen möglichen Pfaden und stellt sich die Frage nach Realität und Mythos der Figur Tell.
Tell goes Hollywood
Schon mehrfach haben sich auch der Schweizer und der deutsche Film mit dem Mythos um die Grüdung der Schweiz befasst. Nun soll Wilhelm Tell auch zum Hollywood-Star werden: Seit 2011 laufen die Dreharbeiten zu einer entsprechenden Produktion. Die Rolle von Tell soll Brendan Fraser übernehmen, sein Gegenspieler Gessler wird der deutsche Schauspieler Til Schweiger spielen. Darauf, wie Hollywood mit dem Legendenstoff umgeht, darf man gespannt sein.
Tell im Sommer 2012
Dass die Figur und der Mythos Wilhelm Tell auch heute noch eine grosse Faszination ausstrahlen, beweisen die vielen unterschiedlichen Inszenierungen und Bearbeitungen. Alljährlich werden in Interlaken und Altdorf Tellspiele durchgeführt. Diesen Sommer finden die Spiele in Interlaken bereits zum 100. Mal statt und erfreuen sich noch immer grosser Beliebtheit. Gar auf eine 500-jährige Geschichte können die Altdorfer Tellspiele zurückblicken.
Doch damit nicht genug: Die Seebühne in Walenstadt widmet sich im Sommer 2012 dem Schweizer Nationalhelden und bringt «Tell – Das Musical» zur Weltpremiere. Im Park im Grünen in Münchenstein schliesslich wird das Theaterstück «tell Tell» von Albert Frank aufgeführt.
Bleibt zu hoffen, dass die zahlreichen Aufführungen nicht enden wie bei Mani Matter.
Veranstaltungshinweise:
– Tellspiele Interlaken: noch bis 7. September 2012
– Altdorfer Tellspiele, Altdorf: 18. August bis 20. Oktober 2012
– «tell Tell» von Albert Frank, Park im Grünen/Münchenstein: 9. August bis 15. September 2012
– «Tell – Das Musical», Walenstadt: noch bis 25. August 2012