Es hat 40 Jahre gedauert bis zum ersten Cure-Konzert in Basel. Und dieses Warten hat sich richtig gelohnt. Die Briten um Sänger Robert Smith verwöhnen das Publikum mit 27 Songs von Dark Wave über Indierock bis Pop. Nur schade, dass manche Finessen in der wummrigen St. Jakobshalle untergehen.
Es wird umgebaut bei der St. Jakobshalle. Das wird den Zig-Tausend Musikfans am Freitagabend klar, als sie für das Cure-Konzert einen Umweg einschlagen müssen, vorbei an Absperrgittern und Holzverschlägen. Im Stadioninnern erwarten sie zwar neue Toilettenanlagen – die Halle selber aber erinnert noch immer stark an jene Dekade, in der die meisten erstmals mit The Cure in Berührung kamen. Hallo Eighties, du tristes Jahrzehnt des kalten Betons. Hier sind wir wieder.
Und vorne, auf der Bühne, fragt sich ein geschminkter Mann:
I really don’t know what I’m doing here
I really think I should’ve gone to bed tonight but…
just one drink
Die Zeilen aus dem ersten Song des Abends, «Open», könnte man glatt unterschreiben, wenn man sich nur auf die Akustik konzentrieren würde: Was machen wir hier? Sollten wir uns besser hinlegen? Wirds vielleicht besser mit einem Bier? Klingt so matschig, der Sound.
Umwerfende Band, mitreissende Songs
Woran es liegt, dass es wummert, ist schwer zu sagen: Akustik? Technik? Mischmensch? Auf jeden Fall liegt es auch an unseren Tribünen-Sitzplätzen. Also runter ins Getümmel, zum Mischpult, dort sollte der Klanggenuss doch maximal sein. Immerhin erträglicher ist er dort. Besser ist in diesem Fall aber noch nicht wirklich gut.
Die Euphorie wird bei diesem ersten Schweizer Hallenkonzert von The Cure seit 2008 nur aus Gründen der Klangqualität gedämpft. Was das Quintett auf der Bühne spielt, ist umwerfend und mündet bereits nach wenigen Minuten in ersten Höhepunkten. Wer hätte gedacht, dass uns The Cure mit «The Walk», «In Between Days» oder «Boys Don’t Cry» schon so früh in diesem Konzert tanzen machen würden? Robert Smith, den wir in der Vergangenheit auch schon als sperrigen Hitverweigerer erleben konnten, spielt sich mit seinen vier Begleitern bald durch die ersten grossen Klassiker – und verbreitet so richtig gute Laune.
Bekannte Nummern, früh eingestreut
Dass The Cure diese bekannten Nummern schon so früh einstreuen, zeigt auch, aus welch reichem Fundus sie schöpfen können. Und wie verspielt sie damit umgehen. Ihre Lust auf Abwechslung zeichnet sie auf dieser Tour aus. So schüttelt das Quintett Abend für Abend die Tour-Setliste durch, um sich und das Publikum zu überraschen. Das hat Seltenheitswert bei Stadionbands. (Die Setliste von Basel findet sich übrigens hier).
Variantenreich sind auch Robert Smith‘ Melodien. Der 57-Jährige (!) ist gesanglich in bestechender Form, cool variiert er in den Tonlagen, weicht auch mal von den Originallinien ab. Und diese signifikante Stimme, die hält tatsächlich zweieinhalb Stunden lang ohne Abstriche durch. Stark.
Knatternder Bass, heulende Gitarren
Stilprägend ist nicht nur der Gesang von Robert Smith, sondern auch der knatternde Bass von Simon Gallup. Er verkörpert den unermüdlichen Rocker, mit seinen Tattoos, dem Iron-Maiden-Shirt und der physischen Performance: Als einziger lotet Gallup die Bühnenbreite aus, spurtet auf Speed, als Kontrast zum stoischen Keyboarder.
Der Rocker und der Tüftler: Bassist Simon Gallup (rechts) und Gitarrist Reeves Gabrels. (Bild: Eleni Kougionis)
Auf der anderen Seite wird Smith vom Instrumentalhelden des Abends flankiert: Reeves Gabrels. Der Gitarrist ist erst seit vier Jahren in der Band (vorher war er u.a. für David Bowie tätig) und eine fantastische Bereicherung. Mit seinen wunderbaren Soli und Sounds verleiht er insbesondere den atmosphärischen Songs wie «From The Edge of the Deep Green Sea» oder dem noch immer unwiderstehlich hypnotischen Song «A Forest» eine herrliche Weite. Ein Genuss, wie Gabrels seine magischen Finger und Effekte spielen lässt.
Loyale Fans
Die Begeisterung im Publikum ist gross. Im Unterschied zu früheren Konzerten erblickt man nur noch wenige Robert-Smith-Lookalikes. Wir werden alle älter und nicht zwingend behaarter. In der Textilfarbe sind sich aber alle treu geblieben: schwarz, auf der Bühne und im Saal. Und auch die Hingabe ist noch immer dieselbe: Cure-Hörer sind loyale Fans, die Smith‘ Textzeilen verinnerlicht haben – und sich auch über die unbekannteren Songs freuen.
Schliesslich war Robert Smith in den 80er- und 90er-Jahren einer der grössten Trostspender für die Verschupften und lieferte keine Hits im Sinne der Charts sondern den Soundtrack zu unzähligen Jugenddepressionen.
Ängste und Ausgelassenheit
Doch nicht nur Ängste und Zweifel haben sich in die Gehörgänge geschlichen wie ein «Lullaby» (noch immer unwiderstehlich), da ist auch viel Freude und Kraft im Repertoire, Platz für Ausgelassenheit. Der dritte Zugabeblock etwa wird zur Party: Auf «Friday I’m in Love», «Hot Hot Hot!!!» und «Close To Me» folgt gar noch der hüpfende Uptempo-Heuler «Why Can’t I Be You». Das 27. Lied bildet den Schlusspunkt dieses Abends.
Zu Bedauern gibt es nichts – oder vielleicht höchstens die Tatsache, dass The Cure bei ihren Konzerten in Italien sogar noch fünf Songs draufpackten und drei Stunden lang spielten. Zu «Lovecats» oder «Caterpillar» hätte man auch in Basel nicht nein gesagt. Aber man hat sie, so beglückt von diesem Konzert, auch nicht vermisst.