The Killers lancierten den Headliner-Reigen am Zürich Open Air. Das Quartett aus Las Vegas begeisterte mit den Pop-Perlen aus seinen Anfangstagen. Die Song-Müsterchen ihres kommenden Albums fielen im Vergleich dazu aber stark ab. Es scheint, als hätte die amerikanische Pop-Hoffnung der Nullerjahre ihren kreativen Höhepunkt längst hinter sich.
Fünf Jahre ist es her, seit The Killers erstmals an einem Schweizer Open Air aufgetreten sind: 2007 gehörten sie zu den Headlinern in Interlaken. Das Greenfield Festival war damals noch ein neues Gewächs, das zwischen die etablierten Open Airs von St. Gallen bis Nyon in die Festivallandschaft hineingepflanzt worden war. Mit Erfolg: Interlaken setzte von Beginn an auf ein stromgitarrenlastiges Programm – von den Queens of the Stone Age über Sonic Youth bis Slayer. Inmitten dieser sperrigen, eigenwilligen Formationen wirkten die stromlinienförmigeren Indie-Popper aus Las Vegas wie ein Fremdkörper. Sie machten ihre Sache zwar gut auf der Bühne, wirkten aber auf Dauer dennoch ein bisschen verloren. Obs am Festival lag?
Stockender Kolonnenverkehr
Mit dieser Frage im Hinterkopf spazierten wir am Donnerstag vom Bahnhof Glattbrugg zum Gelände des Zürich Open Airs, mussten uns aber zunächst in Geduld üben. Nicht, weil wir zu früh waren. Gerne hätten wir Lykke Li beim Eindunkeln singen hören. Aber vor dem Eingang hatte sich eine lange Schlange gebildet, sodass man für die 250 Meter zwischen Tramhaltestelle und Festivaltrubel fast eine Stunde benötigte. Ärgerlich, klar. Wer sich aber wie einige lautstark darüber aufregte, vergass, dass dieses Open Air noch in den Kinderschuhen steckt. 2010 erstmals durchgeführt, wagt das Zürich Open Air heuer einen zweiten Anlauf. Und hat dabei auf den ersten Blick auch schon mal einiges verbessert, so etwa die Toilettenanlagen – manches aber auch nicht: Eher kundenunfreundlich scheint mir die Pflicht, dass man Bargeld in Festivaljetons umtauschen muss, weil an den Verpflegungsständen nur diese akzeptiert werden. Das erinnert an den Montreux Jazz Taler, den nun wirklich niemand vermisst. Die Umwandlung in die Pseudowährung ist auch in Zürich mühsam und führt hier gar zu Konfusion, da die Preise nicht in Franken angegeben werden. Ärgerlich übrigens auch die Tatsache, dass man das halbe Festival abschreiten muss, um am Ende für die Pfandbecher wieder … Jetons zu erhalten, die man dann andernorts erneut eintauschen muss. Kein Wunder, steckt der Finanzplatz Zürich in der Klemme. Doch halt, ich schweife ab! Das hat man davon, wenn nach dem langen Anstehen auch die Gedanken schlängeln.
Schmalziger Bombast
Henusodenn: The Killers eröffnen mit «Runaways». Die soeben veröffentlichte Single kündigt ihr viertes Studioalbum an, das im September erscheinen wird. Mit ihrer Festivaltour möchte sich die Band zuvor in Erinnerung rufen. Was ihr gelingt. Allerdings nicht nur im positiven Sinn: «Runaways» ist mit ordentlich schmalzigem Bombast unterfüttert, der an den Stadionrock längst vergangener Jahrzehnte erinnert, an Saga oder an Meat Loaf. Immerhin passt der abgestandene Power-Rock zum neuen Albumtitel: «Battle Born». Auweia.
Womöglich haben wir nicht auf dieses Werk gewartet, denn auch der Tiefpunkt des Konzertes wird darauf zu finden sein: «Miss Atomic Bomb» ist nicht einmal mehr ein neues Lied, sondern lediglich ein mehrminütiges Nichts, das gerne mal Stadionhymne wäre, wenn es gross ist. Aber es wächst nicht, das arme Ding. Es animiert uns einzig dazu, einige Franken gegen Jetons und diese gegen ein Getränk einzutauschen. Etwas Besseres hätten wir aus diesen vier Minuten nicht herausholen können.
Surrende Synthesizer
Unsere ungeteilte Aufmerksamkeit haben The Killers immer dann, wenn sie sich auf ihr Debütalbum «Hot Fuss» berufen. Damit gelang ihnen eines der bemerkenswertesten Pop-Debüts der Nuller-Jahre.«Die beste britische Band, die nicht aus Grossbritannien kommt», jubelte der «New Musical Express» 2004 – und hypte das Quartett aus Las Vegas völlig zurecht. Ihr erstes Album war gespickt mit fantastischen Popsongs, fiesen Synthies und voller Reminiszenzen an den schwelgerischen Pop der 80er-Jahre – an die Musik von Gruppen wie Ultravox oder New Order: «Somebody Told Me» oder «Jenny Was A Friend Of Mine» klingen heute selbst wie Klassiker. An den Rand gedrängte Highlights, die begeistern. Dazwischen aber liegt eine Durststrecke, sodass wir zur Konzerthälfte, nach 80 Minuten, wehmütig an «Smile Like You Mean It» zurückdenken: Prächtig arrangiert, stark gesungen und mit herrlichen Chören und Hooklines verziert. Ach, wären doch nur all ihre Lieder so mitreissend hinreissend!
Doch The Killers haben seither weitere Alben herausgebracht und dabei weniger guten Geschmack bewiesen: Keines vermochte ebenso zu elektrisieren wie «Hot Fuss». Wie Mando Diao liessen sie mit einem brillanten Debüt aufhorchen und haben seither hörbar nachgelassen. Wie bei den Schweden wirft auch bei den Amerikanern jedes Album einen Radio-Hit ab (bei Mando Diao zuletzt «Dance With Somebody», bei The Killers das nachdenkliche «Human»). Aber die Dringlichkeit der Anfangstage, dieser clevere Tanz an der Schnittstelle von Indierock und Pop, will dem Quartett aus Las Vegas nicht mehr so elegant gelingen. Das zeigt sich bei ihrer Coverversion von Joy Divisions «Shadowplay», die sie zwar als Fans outet, aber nicht wirklich ins Repertoire passen will. Alphavilles «Forever Young», das Flowers später anstimmt, ist eine weitaus glaubwürdigere Wahl. Und auch intensiver dargeboten als etwa «This Is Your Life», ein Lied der Killers, dessen Existenzberechtigung auch nach vier Jahren in Frage gestellt werden muss. Es sei denn, man fand damals in den 80er-Jahren auch «Lessons In Love» von Level 42 genial.
Starke Stimme
Man wird den Eindruck nicht los, dass es The Killers zum epischen Stadionrock hinzieht, dass sie gerne in die Fussstapfen von U2 treten würden. Doch für die ganz grosse Geste fehlt es ihnen an charismatischer Performance und – was die Arrangements betrifft – an ausdrucksstarken Gitarrensounds. Wo The Edge mit Delay-Effekten eine Sogwirkung erzielt, zupft David Keuning ideenlos angezerrte Arpeggi, die keine grosse Wirkung entfalten. Die Form seiner Gitarre – eine Flying V – fällt zwar auf, nicht aber sein Spiel. Übertüncht wird all das mit einer prallen Lichtshow und mit Lasereffekten. Viva Las Vegas! Die starken Farben gefallen, ebenso die Arbeit der Rhythmussektion und die Intonationssicherheit von Brandon Flowers. Als Frontmann bringt er auch immer wieder Bewegung auf die Bühne – doch gibt sich der ganz in schwarz gekleidete Sänger und Instrumentalist so wortkarg, dass man sich gerade in den lauen Songs (und diese machen doch ein Drittel des Repertoires aus) ein bisschen mehr Ablenkung, sprich Performance, wünschte.
Am Ende, nachdem wir uns noch einmal an ihren alten Qualitäten («Mr. Brightsight» oder «All These Things That I’ve Done») erfreuen durften, bleibt die Erkenntnis, dass die Killers 2012 nicht mehr so berühren wie am Anfang ihrer Karriere. Ob ihr viertes Studioalbum dennoch Millionen Anhänger finden wird? Das weiss der Marketinggott. Dass wir bei ihrem Auftritt in Zürich vor allem ihre frühen Lieder bejubelten, spricht auf jeden Fall nicht für eine fantastische Weiterentwicklung.