«The Secret Life of Pets» – ein Film voller verpasster Möglichkeiten

Der neue Animationsfilm «The Secret Life of Pets» hat viel Potenzial. Nur leider macht er sich das nicht zunutze.

Treudumme Hunde, hinterlistig-herziges Häsli: «The Secret Life of Pets» scheut keine Klischees.

(Bild: Universal Pictures)

Der neue Animationsfilm «The Secret Life of Pets» hat viel Potenzial. Nur leider macht er sich das nicht zunutze.

«Als deine Freundin muss ich dir sagen, dass ich mich weder für dich noch für deine Probleme interessiere.» Chloe räkelt sich auf einem Bordstein und lässt gelangweilt die kleine Plastikmaus zwischen ihren Pfoten kreisen, während ihr Freund Max ungläubig eine Augenbraue hochzieht.

Klar, denn Max ist ein Hund, also loyal und treudumm, und Chloe eine Katze, also selbstbezogen und asozial. Klischees gehören betoniert. Aber Freunde sind die beiden trotzdem, schliesslich befinden wir uns in einem Animationsfilm, und aus konventionellen Beziehungen lässt sich keine sehenswerte Geschichte dichten. Das wissen die Macher von «The Secret Life of Pets», die bereits in «Ich – einfach unverbesserlich» kontrastierende Welten aufeinanderprallen liessen. 

Treuherz-Terrier und Revoluzzer-Häsli

Dieses Mal wählen sie aber keine Gut-versus-Böse-Welt, sondern weiches Nest versus harte Strasse. Sie schicken den kleinen Terrier Max und seinen zotteligen Mitbewohner Duke vom Hundekorb in die harsche Grossstadtwelt, wo das irre Häsli Snowball (das böse Jöö – auch so ein Klassiker) die Revolution plant: «Liberated forever!, domesticated never!», schreit hier ein ewig überdrehter Kevin Hart – und dieser Ansatz wäre durchaus interessant, würde er nur konsequent weitergedacht.

Schliesslich werden Tiere seit über 30’000 Jahren (mancherorts ist gar von über 100’000 Jahren die Rede) von den Menschen domestiziert – als Heim- und Nutztiere, gegen Langeweile und Einsamkeit. Wie es des «Menschen bestem Freund» dabei ergeht, wäre für einen animierten Tierfilm eine Goldgrube: Wie lebt es sich zwischen Dosenfutter und Streichelsucht? Kann man sich je von seinem Versorger emanzipieren? Was würde bei einer Hohlerschen Rückeroberung geschehen, wenn Tier und Natur wieder die Welt übernehmen?

Geheimes Haustierleben? Weit gefehlt

Die Liste der Möglichkeiten ist lang. Doch «The Secret Life of Pets» bleibt bequem in seiner Kinderfilmecke stehen, ohne die inhaltlichen Möglichkeiten auszukosten – klischeefixiert und treudumm wie sein herziger Protagonist. Thema ist dabei erstaunlicherweise kaum das geheime Leben von Haustieren, da besagte Haustiere nach nicht einmal 20 Minuten aus ihrem Haustierleben herausgerissen werden.

Sie erleben also gar nicht einen normalen Tag ohne ihre Herrchen, sondern das generische Abenteuer, das animierte Figuren seit «Toy Story» immer wieder durchleben: Weg vom Nest, rein in den Grossstadtdschungel. Secret ist dabei nur die Tatsache, dass die Herrchen davon nichts mitbekommen. Nix mit bewusstem Losreissen von Konventionen, Nachdenken über Domestikation oder gar Ausführung besagter Bunny-Revolution. 


Was habt ihr mir da bloss zum Frass vorgeworfen? Die Autorin konnte sich nach dem Film sehr gut in Katze Chloe hineinversetzen.

Ziel bleibt stets das Zurückfinden ins traute Heim, als wäre es der sehnlichste Wunsch aller Haustiere, sich mit einem verfilzten Kameraden eine Brooklyner Zweizimmerwohnung zu teilen und sein Leben lang um die Gunst einer Mittzwanzigerin zu buhlen (sollte es mit dem Animationsfilm nicht klappen, bleibt für diesen Plot immer noch die Millennial-Liebeskomödie).

Es geht auch anders

Spätestens seit «Zootopia» darf dieser Anspruch durchaus gestellt werden: Der Disney-Film zeigte Anfang des Jahres, wie gesellschaftskritisch und erwachsenenfreundlich zeitgenössische Kinderfilme sein können. Die Geschichte um Polizisten-Häsin Judy, die in einer quasi-segregierten Raubtier-/kleine Säugetiere-Gesellschaft lebt und sich in der Raubtierdomäne der Grossstadtpolizei durchsetzen muss, war der Beweis: Will Häsli seine Revolution, kriegt Häsli seine Revolution.

«The Secret Life of Pets» sieht das etwas anders: Häschen Snowball, die einzige Würze in dieser Klischeepampe, will gerade wieder durch den Gully in den Untergrund springen, als es von einem kleinen Mädchen gefunden wird, das es aufhebt und in seine Arme schliesst. Und siehe da: Snowballs Augen werden ganz sanft-blöd, sein Körper entspannt sich, es wird vom kleinen Mädchen in die Stadtvilla getragen. Und plopp: Ende der Revolution. Zurück bleiben ein paar glückliche Kindergesichter, ein frustriertes Journalistenherz und die nüchterne Moral von der Geschicht: Egal ob beim loyalen Hund oder der narzisstischen Katz, ob beim Protagonisten oder Zuschauer – am Ende siegt immer das weiche Nest.

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