Seit fast 20 Jahren schwimmt «Titanic» ganz oben auf der Oscar-Welle. Wieso das so ist? Ganz einfach: Kein Film schreit mehr nach Oscar als ein pathosgetränkter Liebesstreifen mit geschichtlichem Hintergrund, ausnahmslos weissem Cast und einem ungekürten Leonardo DiCaprio in der Hauptrolle.
Bald ist es wieder so weit: Der rote Teppich wird vor dem Dolby Theatre in Los Angeles ausgerollt und die Schönen und Reichen der Filmwelt feiern ihr glamouröses Leben sowie die mehr oder minder wertvollen Verdienste, die sie da hingebracht haben. «Alte weisse Männer vergeben Schwanzverlängerungen an andere alte weisse Männer!», lacht da der Mitbewohner und recht hat er: Die Verleihung ist selten mehr als eine exklusive Nabelschau weisser Zahnpastahelden. Seit der #OscarsSoWhite-Diskussion auf Twitter neulich weiss das nun auch der Rest der Welt.
Einer, der dieses Zahnpasta-Lächeln zwar mittlerweile mit ein paar Falten um die Mundwinkel, aber immer noch bis zur Perfektion beherrscht, ist Leonardo DiCaprio. Der nicht mehr ganz so Sunny Boy (Stichwort Dadbod) ist seit gefühlt 1000 Jahren erfolgloser Anwärter aufs goldene Männchen – viermal nominiert, nie gewonnen. Dieses Jahr ist es mit «The Revenant» wieder einmal so weit und das Internet hat seine ganz eigene Art, den Ewig-Nominierten zu unterstützen: Per unterhaltsames Webgame, indem man DiCaprio bei der Oscar-Jagd behilflich sein kann.
Schluffi-Kino
Während Leo Jahr für Jahr ohne Academy Award abzottelt, sahnen seine Filme mächtig ab. Fast so sicher, wie Leo mit leeren Händen heimgeht, erhält jeweils ein anderer Beteiligter an «seinen» Filmen ein Goldmännchen. Bestes Beispiel: Jener Streifen, der nicht nur die meisten Oscars ever gewann (okay, «Ben Hur» und «Herr der Ringe» sind auch noch da oben), sondern DiCaprio auch auf ewig als den Liebes-Schluffi zementierte, der er nicht ist.
Die Rede ist von «Titanic». Die Liebesgeschichte um Rose DeWitt Bukater und Jack Dawson auf dem Schiff des Verderbens ist fast so berühmt wie die von Romeo und Julia und bietet bestes Oscar-Kino: Weiche Frau, mutiger Mann, grosses Gefährt. Dazu reichlich amerikanisches Historienpathos und ein Visual-Effects-Team so gross wie halb Tijuana (wo der Film übrigens gedreht wurde – in einem eigens dafür gebauten, 186’155 Quadratmeter grossen Studio). Bilanz: 14 Nominationen, 11 Oscars. Dazu T-Shirts, Tassen, Bettwäsche-Sets, Tee-Eier.
Seichte Memes, schlechte Songs
Heute bleibt vom «Titanic»-Hype nicht viel mehr als ein paar seichte Memes und Celine Dions auf ewig ins Trommelfell gebranntes «My Heart Will Go On», über das Protagonistin Kate Winslet einst im Interview sagte, sie könnte jedes Mal kotzen, wenn sie es hört.
Dabei verfügt der Film über Qualitäten. Lässt man den ganzen horrenden Kreuzfahrt-Kitsch weg, entdeckt man ein paar hervorragende Performances. Besonders Billy Zane als Roses Macker, ein Widerling von einem Typ, den man am liebsten ganz ohne Eisberg-Hilfe schwupps die Reling runtergeworfen hätte. So sehr wie Schleimsack Zane hat man selten jemanden gehasst. Oder doch: Rose. Schliesslich war unsereins zehn Jahre alt und unsterblich in Jack verliebt (Wieso, Jack? Wieso hast du sie nicht einfach von der Planke weg ins eiskalte Grauen geschubst!? Dich erwartete ein grosses Leben! Ein grosses Leben an meiner bescheidenen Seite!).
Neben den schauspielerischen Leistungen wartet der Film auch mit Szenen auf, die 20 Jahre Bilderflut überstanden haben und noch heute parodiert werden. Allen voran die berühmte «I’m Flying!»-Szene, wo Jack und Rose in Flugzeugstellung auf dem Bug der Titanic stehen – eine Ikone der amerikanischen Filmgeschichte. Schon allein deshalb lohnt sich das Hervorkramen der alten Videokassette zur Feier der Academy-Award-Saison: «Titanic» ist trotz offensichtlichem Kitsch-Overkill am Ende schlicht meisterliches Oscar-Kino.
Und für alle, die das ganze Flugzeug-Gesäusel nicht mehr sehen können, hat das Internet wie immer eine Lösung parat: Die grosse Büsi-«Titanic»-Parodie. Kurz, knackig und mit Katzen. Die können weder fliegen noch Stellung halten. Und Schwarze sind auch dabei.