Tosca brennt vor Liebe

Mit Giacomo Puccinis Oper «Tosca» ist dem Theater Basel eine musikalisch fulminante Saisoneröffnung gelungen.

(Bild: Hans Jörg Michel)

Mit Giacomo Puccinis Oper «Tosca» ist dem Theater Basel eine musikalisch fulminante Saisoneröffnung gelungen. Jette Steckels erste Operninszenierung erfindet das Musiktheater nicht neu, lässt der Musik aber viel Raum zur Entfaltung.

Operndebüts von jungen Schauspielregisseuren haben am Theater Basel Tradition. 2008 inszenierte Jan Bosse sehr erfolgreich seine erste Oper mit Claudio Monteverdis «L’Orfeo», es folgten die Operndebüts von Stefan Pucher, Armin Petras, David Bösch. Nicht immer hielten diese Inszenierungen den hohen Erwartungen stand – was auch an den Erwartungen liegen mag.

Unausgesprochen hofft man von einem jungen, die Oper erst entdeckenden Regisseur etwas durch und durch Neues, eine neue Sichtweise auf das traditionsreiche Opernwesen, eine gehörige Portion jener Frische, Unkonventionalität und Radikalität, die im Sprechtheater öfter, im Musiktheater seltener anzutreffen ist – kurzum: ein unmittelbares Berührtwerden durch das Bühnengeschehen in seiner Ganzheit, nicht nur allein durch die Musik.

Raffinierte Bühnentechnik

Auch Jette Steckels Operndebüt befriedigte diese hehren, vielleicht überzogenen Wunschträume nicht. Steckel lässt die Oper in schlichten, durchweg in dunklem anthrazit gehaltenen Räumen spielen. Die von Florian Lösche entworfenen quadratischen Säulen lassen sich dank raffinierter Bühnentechnik genauso zum Säulengang einer Kathedrale formieren wie zum Zimmer des Polizeikommandanten, zur Folterkammer, zum Schiessplatz, zur Festungsmauer.

Geschickt eingesetzte Lichteffekte (Roland Edrich), die das Arbeiterblau von Cavaradossis Malertenue wie das feuerrote Abendkleid Toscas zum Leuchten bringen, lassen eine ganze Fülle von ästhetisch sehr ansprechenden Bildern entstehen, die in ihrer Schlichtheit einen angenehm ruhigen Gegenpol zur üppig an- und abschwellenden Musik geben.

Song vom Leben

In der Mitte der Bühne ruht ein Mikrophon, das als zentrales Hilfsmittel immer dann zur Hand genommen wird, wenn einer Textpassage Gewicht verliehen werden soll. Dass Steckel die Oper als Lied verstanden wissen möchte, als Song vom Leben, den die Starsängerin Tosca auf der Bühne zum Besten gibt, Abend für Abend, wird dabei nicht deutlich. Meist erscheint der Griff der Protagonisten zum Mikrophon eher zufällig, manchmal wirkt er hilflos, immer aber bleibt er ohne akustische Wirkung: das Mikrophon ist nicht an eine Lautsprecheranlage angeschlossen, mit einer Ausnahme: Zweimal gibt es ein Intermezzo, in dem Tosca zum Klang der E-Gitarre das durch Cher und Nancy Sinatra bekannte «Bang Bang (My Baby Shot Me Down)» intoniert.

Es bleibt also bei der Geste im Kleinen, wie so vieles an diesem Abend: Das sanguinische Gemüt Toscas geht in manch schüchterner Körperhaltungen verloren, rasch und flatterhaft schwankt sie zwischen Liebe und Eifersucht, und ihr gerne auch politisch gedeuteter Mord an Geheimdienstchef Scarpia wirkt hier wie ein persönlicher Racheakt ob der drohenden Vergewaltigung. Hier ist Tosca keine Frau, die Rückgrat zeigt, sondern eine, die sich spontan von ihren persönlichen Befindlichkeiten leiten lässt.

Tanzende Augenbrauen

Auch Maler Cavaradossi tritt als lebenslustiger junger Mann auf, der sich nicht aus politischer Überzeugung, sondern aus Freundschaft in Gefahr begibt. Seine Standhaftigkeit während der Folter erscheint wie ein trotziger Zweikampf gegen seinen Widersacher Scarpia. Dieser wiederum lässt seine Augenbrauen tanzen und wirkt nicht durch sich selbst, sondern durch seinen beachtlichen Personalstab furchterregend.

Fast könnte man Steckels Regiearbeit als zurückhaltend, als unentschlossen bezeichnen, die in den Bildern und der Personenführung deutlich hinter der Dramatik der Musik zurückbleibt – wenn man gleichzeitig die Vorzüge dieser Vorgehensweise erwähnte: Steckel entsagt allem sonst so Mode gewordenem Firlefanz, setzt Videoprojektionen massvoll und überwiegend an dramaturgisch sinnvollen Stellen ein – etwa als modernisierenden Ersatz zum Fresco, an dem Cavaradossi arbeitet –; sie hinterfragt den Fortgang der Geschichte nicht künstlich, sondern vertraut auf deren Wirkung, die untrennbar mit der dichten, alle Emotionen auskostenden Musik verbunden ist.

Traumbesetzung der zwei Hauptfiguren

So wird die Inszenierung zur Bühne, in der sich die Musik voll und ganz entfalten kann. Und gerade hier glänzte der Premierenabend besonders hell: Svetlana Ignatovich als Tosca und Maxim Aksenov als Cavaradossi erwiesen sich als Traumbesetzung, ungemein sicher und mit grosser dynamischer Bandbreite. Ihr klarer, im tiefen Register faszinierend farbiger Sopran mischte sich mit seinem hellen, stets kernigen Tenor in den Duetten in schönster Belcanto-Manier. Nur Davide Damiani fiel da etwas ab: Seinem Scarpia fehlte es an Volumen und stimmlicher Schärfe, um sich glaubwürdig gegen seine Gegner zu behaupten.

Bei all dem begleitete das Sinfonieorchester Basel das Bühnengeschehen mit traumwandlerischer Sicherheit, verströmte aus dem Orchestergraben heraus einen betörenden, duftig weichen Klang. Dirigent Enrico Delamboye liess den Sängern Zeit zu atmen, Zeit, ihre Gefühlswelten musikalisch auszudeuten – und forcierte unmittelbar, wenn es zum dramatischen Showdown ging. Jubelnder Applaus für Sänger und Musiker, wohlwollendes Klatschen für das Regieteam.

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