Unbeirrbar im Kampf gegen das Verbrechen

Nach der Bombenexplosion bei einer Schule in Brindisi trauert Italien und rätselt über die Urheberschaft des Anschlages. Klar ist dagegen die Botschaft der Namensgeberin der Schule und ihres Mannes, des ermordeten Untersuchungsrichters Giovanni Falcone: niemals aufgeben im Kampf gegen das Verbrechen. Hier eine kleine Würdigung: das Kultwerk der TagesWoche vom Freitag.

Giovanni Falcone in einem Interview aus der Film-Dokumentation «In un altro paese». (Bild: youtube)

Nach der Bombenexplosion bei einer Schule in Brindisi trauert Italien und rätselt über die Urheberschaft des Anschlages. Klar ist dagegen die Botschaft der Namensgeberin der Schule und ihres Mannes, des ermordeten Untersuchungsrichters Giovanni Falcone: niemals aufgeben im Kampf gegen das Verbrechen. Hier eine kleine Würdigung: das Kultwerk der TagesWoche vom Freitag.

Mit einem Prozess unterschrieb Giovanni Falcone 1986/87 sein Todesurteil. Der 47-jährige Sizilianer sass nicht etwa auf der Anklagebank, nein, er war Untersuchungsrichter. Ein mutiger und treuer Verfechter des Gesetzes. Eine Ausnahmeerscheinung. Jahrelang hatte er Aussagen und Indizien gesammelt, um Existenz, Struktur und Taten der kriminellen Geheimorganisation Cosa Nostra zu beweisen. Falcones Anklageschrift gegen die sizilianische Mafia umfasste 8607 Seiten. Für den Prozess wurde in Palermo ein bombensicheres Gebäude gebaut. Man wusste um die Gefahren für Justiz, Polizei und Kronzeugen, namentlich Tommaso Buscetta: Einst bedeutender Mafioso, war er gewillt, die «Omertà» (Schweigepflicht) zu brechen und auszupacken.

Falcone zeigte auf, wie Sizilien von der Cosa Nostra unterwandert worden war, wie die Mafia strukturiert war und wie sie ihre Interessen skrupellos durchsetzte, um sich wirtschaftliche und machtpolitische Vorteile zu verschaffen. Korruption, Rache, Erpressung, Drogenhandel, Attentate: Alltag in Sizilien.

Und das nicht erst seit den 1980er-Jahren, wie man im aufschlussreichen Sachbuch «Cosa Nostra» von John Dickie erfährt. Der britische Historiker hat die Spuren der sizilianischen Geheimorganisation zurückverfolgt und die 150-jährige Geschichte aufgearbeitet – mit Querverbindungen zur US-amerikanischen Mafia, wie wir sie aus Francis Ford Coppolas filmischer Meistertrilogie «Der Pate» kennen. Dickies Buch über die Geschichte der Mafia liest sich wie ein Thriller – und basiert doch auf genauen Fakten. Der Brite hat mit seinem klugen und fesselnden Sachbuch selbst die Italiener beeindruckt: «Ich weiss nicht, was ich am meisten loben soll: Dickies Scharfsinn als Historiker oder seine Gewandheit als Erzähler», lobte etwa der sizilianische Autor Andrea Camilleri.

Besonderes Augenmerk legt Dickie in seinem Bestseller auf die «Familien» aus Corleone, die wie eine Geheimarmee innerhalb der Mafia operierten und mit aller Brutalität ihre Macht konzentrierten: Allein zwischen 1981 und 1983 kamen mehr als tausend Menschen ums Leben, wie Falcone bei seinen Ermittlungen feststellte.

1987 wurden 342 Mafiosi zu insgesamt 2665 Jahren Haft verurteilt. Falcone bezahlte den historischen Sieg mit seinem Leben: Am 23. Mai 1992 fuhr er mit seiner Gattin Richtung Wochenendhaus – unter Polizeischutz, in kugelsicherem Wagen. Sekundengenau detonierte eine in der Autobahn versenkte Bombe und riss alle in den Tod. Die sizilianische Mafia rächte sich mit aller Brutalität. Dank Falcones Vorarbeit wurde sie aber erheblich geschwächt.

Giovanni Falcone (1939) wuchs in einfachen Verhältnissen in Palermo auf, studierte Jura und sagte dem organisierten Verbrechen sein Berufsleben lang den Kampf an. Vor 20 Jahren wurden er und sein engster Mitarbeiter Paolo Borsellino ermordet. Der Flughafen Palermo ist seither nach ihnen benannt, zudem erinnert ein Bronzeschild an die zwei Mafiajäger: «Falcone und Borsellino. Die Anderen – der Stolz des neuen Sizilien.»

Artikelgeschichte

Der Text ist in der gedruckten TagesWoche vom 18.05.12 erschienen und wurde nach der Bombenexplosion in Brindisi ergänzt.

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