Er hasste Landschaftsmalerei – und trotzdem malte er Landschaften. Und gerade deshalb vermag die Edgar Degas-Ausstellung in der Fondation Beyeler zu überraschen. Die Tänzerinnen und vielen nackten Frauen vergessen wir dabei fast.
Es ist schon fast eine 180-Grad-Kehrtwende, welche die Fondation Beyeler mit ihrer Edgar Degas-Ausstellung vollzieht. Waren die hinteren Räume gerade noch gefüllt mit den riesigen und bunten Plastiken und Gemälden des US-Amerikaners Jeff Koons, so hängen nun an gedämpft grauen und blauen Wänden rund 150 Werke des Franzosen, der vor allem für seine impressionistischen Arbeiten berühmt ist.
Degas, der sich einst dahingehend äusserte, dass er gerne unbekannt und berühmt zugleich sein würde, hat mit Koons wohl nur die Preise für seine Werke gemeinsam. Denn während der Amerikaner sich gerne ausgiebig selbst inszeniert und dem Kommerz huldigt, konzentrierte Degas sich in seinen späten Jahren vollkommen auf sein Werk und entzog sich jeglicher Öffentlichkeit. Der Starruhm eines Koons wäre ihm wohl zuwider gewesen – er stand nicht gern im Rampenlicht.
Tanz und Haarbürsten
Ebenfalls von der Bühne zurückgezogen haben sich Degas‘ Tänzerinnen in seinen späten Bildern. Hinter der Bühne proben sie nun die letzten Schritte, fernab vom Publikum. Unzählige dieser jungen Damen im Tutu präsentiert uns die Fondation Beyeler. Und noch mehr nackte Frauen, die sich ausgiebig das Haar bürsten, so der Eindruck nach dem Besuch der Ausstellung. Das klingt nun nach Eintönigkeit, doch das ist es keineswegs. Edgar Degas widmete sich in seinen letzten rund 20 Jahren kaum mehr anderen Motiven als diesen. Dafür variierte er sie, verschob kleine Details, versuchte neue Posen und die unterschiedlichsten Medien aus. Steht man nun also vor einer Wand, die viermal das exakt selbe Motiv zeigt, so kann man Vergleiche ziehen zwischen Pastellvariante, Ölgemälde und Skizze.
Nehmen wir als Beispiel «Le petit déjeuner après le bain», eines jener Pastelle aus der Sammlung der Fondation Beyeler, das den Anstoss zu dieser Ausstellung gab. Eine nackte Frau steigt aus der Badewanne, man sieht ihren Rücken, ihren Po. Mit der linken Hand stützt sie sich auf einem mit Kleidern behängten Stuhl ab. Das Bild ist geprägt durch einen hellgrünen Vorhang, der den rechten Bildrand hinunterstürzt. Die Haltung der Frau finden wir wieder in «La Tasse de chocolat».
Wie in «Le petit déjeuner après le bain» steht hier ausserdem links im Hintergrund eine zweite Frau, die eine Tasse in der Hand hält. Der Vorhang jedoch ist nicht vorhanden, die Wand dafür gelbgolden. Die Stimmung des Bildes ist eine völlig andere.
Die aus der Wanne steigende Frau finden wir in einem dritten Pastell wieder, «Femme sortant du bain». Hier jedoch hält die zweite Frau keine Tasse, sondern der nackten Frau einen Bademantel hin.
Viele weitere Beispiele in dieser Ausstellung machen wie dieses deutlich, dass Degas es liebte, verschiedene Versionen ein und desselben Motives auszuprobieren. Er entwickelte sein Werk in dieser Zeit nicht in die Breite, sondern in die Tiefe. So mag ein schneller Streifgang durch die Ausstellung Monotonie vorspiegeln, doch eigentlich geht es um Perfektion.
Wolken und Bäume
Dass Degas, der sich nach 1890 zwar fast vollständig vom Kunstmarkt zurückgezogen hatte, aber auch bereit war für Experimente, zeigen in der Fondation Beyeler vor allem einige Landschaftsbilder. Überraschende Bilder, hatte Degas doch über die Landschaftsversessenheit seiner Impressionistenkollegen nie ein gutes Wort übrig gehabt. Für Zeitverschwendung hielt er diese. Überraschend die Motivwahl, noch verblüffender jedoch die Umsetzung. Fast wie abstrakte Gemälde muten einige der Werke ab.
«Effet d’automne dans la montagne» beispielsweie ist nichts mehr als braun aufgetupfte Farbe auf beigem Hintergrund. Faszinierend auch «Forêt dans la montagne», entstanden um 1890 (vgl. Bildstrecke), das einen Baum erahnen lässt, eine dunkle Wolke noch, beides diffus vor dem hellen Hintergrund. In der linken unteren Ecke aber findet sich ein opaquer dunkelgrüner Fleck, der aussieht, als wäre er später daraufgesetzt worden. Das Bild erhält durch ihn etwas Prozesshaftes, das wir sonst erst aus dem 20. Jahrhundert kennen.
Der Fondation Beyeler ist es mit ihrer Ausstellung ein Anliegen, den französischen Maler, den die meisten als Impressionisten kennen, als Wegbereiter der Moderne zu zeigen. Mit diesen Landschaftsbildern mag dies fast am besten gelingen. Doch auch sonst lohnt es sich, einen genauen Blick zu werfen auf all die Tutus und Badewannen und Jockeys und Pferde, die Degas zeitlebens so faszinierten. Trotz allem lässt sich noch einiges darin entdecken.
- Fondation Beyeler, 30. September bis 27. Januar 2013.