In der Kunsthalle ist die Doppelausstellung «Morgenlied» der marokkanischen Künstlerin Latifa Echakhch und des kroatischen Künstlers David Maljkovic sowie «From yu to me» der in Berlin lebenden Künstlerin Aleksandra Domanovic zu sehen. Letztere führt dem Besucher die Eigenheiten eines Landes vor Augen, das nicht mehr existiert, die Doppelausstellung nutzt die Architektur des Oberlichtsaals als Träger.
Im Oberlichtsaal der Kunsthalle herrscht dämmriges Licht. Irgendwoher hört man eine Grille zirpen. Sonst ist es ruhig – träge Morgenstimmung. Schaut man nach oben, sieht es aus, als hätte jemand schwarzen Sand auf das Glasdach gesträut: Dieses lässt für gewöhnlich das Sonnenlicht durch und setzt so die Kunstwerke im Oberlichtsaal optimal in Szene.
Die in Marokko geborene und in der Schweiz lebende Künstlerin Latifa Echakhch hat das Glas aber nicht mit dunklem Sand besträut, sondern mit schwarzer Tusche bemalt. So enstand ein riesiges Gemälde, «Enluminure» (2012), mit einer Fläche von über 80 Quadratmetern, verteilt auf 96 Felder des Oberlichts, das der Besucher aus der Froschperspektive betrachtet.
Sechs Hüte für den Geist
In der Doppelausstellung «Morgenlied», die Echakhch zusammen mit dem kroatischen Künstler David Maljkovic realisiert hat, wird nicht nur das Oberlicht der Kunsthalle zur Leinwand, sondern die gesamte Architektur und der Raum wird in das Werk miteinbezogen. An den Wänden hängt ein modernes Hängesystem für Gemälde, dieses trägt denselben Titel wie die Ausstellung. Das Hängesystem nimmt Bezug auf die ursprüngliche Funktion des Oberlichtsaals der Kunsthalle, der 1869 gebaut worden war, um mit seiner imposanten Höhe eine enge Hängung von vielen Gemälden zu ermöglichen. Weiter sind am Boden sechs Hüte, gefüllt mit Kunstharz und einer Schicht Tusche, verteilt: «Chapeau d’encre» (2012) nimmt Bezug auf die Metapher des menschlichen Geistes, vereint dessen Lebendigkeit aber auch die dunklen Gedanken.
Wo Echakhch subtil arbeitet und die schwarze Tusche als Malmittel, als traditionelles Zeichen-und Schreibmaterial in verschiedenen Variationen wiederkehrt, teilt David Maljkovic den Raum mit weissen Trennwänden, setzt ein goldiges Reflektorpanel in seiner Arbeit «A long day for the form» (2012) ein oder verwendet einen grossen schwarzen Leuchtschirm, der in Fotostudios zum Einsatz kommt. Dunkelheit und Licht, Schwarz und metallene Töne wechseln sich ab.
Vier Fäuste für die Heimat
In einem der unteren Räume, die von Aleksandra Domanovic mit der Ausstellung «From yu to me» mit Papier-Installationen, zwei Videoarbeiten, einem fotografischen Porträt und einer Skulptur bespielt wird, stechen vier Relief-Skulpturen ins Auge: diese sind mit einer roten, matten Patina überzogen.
Dieser Tadelakt-Kalkputz wird in Marokko zur traditionellen Bauweise verwendet, und verbindet so das kantige und vor Macht strotzende Relief, das mit seiner Formensprache an modernistische Monumente in Mittel-und Südeuropa erinnert und sich speziell an das Monument «Tri Pesnice» (Drei Fäuste) in Serbien anlehnt, mit der Tradition Marokkos.
Die spannende Verbindung von Kultur und Tradition der sich im Umbruch befindenden Gebiete Marokko und Ex-Jugoslawien, kam anlässlich einer Einladung der Künstlerin zur Marrakescher Biennale zustande. Auch in anderen Werken verhandelt Domanovic Vergangenheit und Moderne von Ex-Jugoslawien, wo sie geboren wurde. Sie setzt die nationale Identifizierung und Monumentalität der Skulpturen in Bezug zu einer globalisierten Welt, so etwa mit der Video-Arbeit «Turbo Sculpture». Damit stellt sie ihre Werke, die einen starken nationalen Bezug haben, selbst in Frage und verleitet den Besucher dazu, einen Moment länger durch die Räume zu wandeln und über den Begriff «Heimat» ein bisschen tiefgründiger nachzudenken.
- Die Ausstellungen sind noch bis am 27. Mai 2012 zu sehen.
- Di, Mi, Fr 11.00-18.00 Uhr, Do 11.00-20.30 Uhr, Sa/So 11.00-17.00 Uhr.