Verdis «Macbeth» als düster-pathetische Faschismusmetapher

Olivier Py inszeniert Verdis «Macbeth» am Theater Basel als pathetischen Reigen über die Verführung und die alles zersetzende Fäulnis der Macht. Am Dirigentenpult bewies Erik Nielsen, dass seine Berufung zum Musikalischen Leiter des Theaters eine gute Wahl war.

Herr und Frau Macbeth im Banne des Bösern (Vladislav Sulimsky und Katia Pellegrino).

(Bild: Sandra Then )

Olivier Py inszeniert Verdis «Macbeth» am Theater Basel als pathetischen Reigen über die Verführung und die alles zersetzende Fäulnis der Macht. Am Dirigentenpult bewies Erik Nielsen, dass seine Berufung zum Musikalischen Leiter des Theaters eine gute Wahl war.

Wem die vereinzelten Buh-Rufe beim Schlussapplaus bei der Premiere von Giuseppe Verdis «Macbeth» galten, war klar: dem Regisseur Olivier Py. Die Solisten, der Chor und der Dirigent Erik Nielsen konnten sich über unwidersprochene Bravo-Rufe freuen. Nicht ganz so klar ist indes, warum die Inszenierung für diese Missfallenskundgebung sorgte.

Eine Murren gegen das zeitgenössische Regietheater – wie vor 16 Jahren zu erleben war, als Regisseur Jossi Wieler den «Macbeth» im Arbeitsamt spielen liess – kann es wohl kaum gewesen sein. Denn Py lässt die Sängerinnen und Sänger sowie den Chor vornehmlich vorne an der Rampe singen – so nahe, dass es beim grossen Personalaufgebot hin und wieder sehr eng wird. Für szenische Bewegung sorgt in erster Linie die Bühnenmaschinerie: Die Drehbühne ist ebenso im Dauereinsatz wie die Kulissenschieber.

Also war es vielleicht der unerfüllte Wunsch nach ein bisschen mehr Regietheater, der die geschätzten zwei Buhrufer zu ihrem Tun angespornt hatte? Die drei nackten stummen Hexen werden es wohl kaum gewesen sein.

Eine düstere Geschichte

«Macbeth» ist die düsterste Tragödie Shakespeares. Sie seziert den teuflischen Reigen der Macht und lässt zugleich tief in die sich zersetzenden Seelen der skrupellosen Machtmenschen blicken. Entsprechend ist die Opernversion auch das düsterste Werk Verdis, der sich damit klar vom Belcanto-Kanon des 19. Jahrhunderts abwandte, den er ja selber massgeblich mitgeprägt hatte.

Düster ist denn auch alles, was auf der Grossen Bühne des Theater Basel zu erleben ist. Der Gesang von Macbeth (Vladislav Sulimsky) und seiner Lady (Katia Pellegrino), das kalte Licht und auch das Bühnenbild (Bühne und Kostüme: Pierre-André Weitz). Dieses besteht aus abweisenden Burgmauern aus grauem Backstein, hinter denen sich die mehrstöckigen Innenräumlichkeiten befinden, die in der ständigen Drehung der Bühne ebenso ständig auftauchen und wieder verschwinden.

Der Wald von Birnham

Und in der Mitte ist Wald. Auch dieser bewegt sich oft, was im Falle von «Macbeth» eine besondere Bedeutung bekommt. In der Geschichte spielt nämlich die Weissagung der Hexen eine wichtige Rolle, dass der selber zum König aufgestiegene Königsmörder solange herrschen werde, bis sich der Wald von Birnham bewege. Was er am Schluss auch tun wird, wenn die gegnerischen Truppen mit Ästen aus eben diesem Gehölz getarnt zur finalen Schlacht anrücken.

So steht es zumindest in der Vorlage. Dass sich in Pys Inszenierung der Wald von Beginn weg bewegt, sollte wohl als Zeichen dafür verstanden werden, dass die Zeichen von Beginn weg auf Niedergang weisen. Allerdings bewegt sich der Wald dann ausgerechnet am Schluss, wenn er es eigentlich tun sollte, nicht mehr.

Von Macht und Faschismus

Die Basler Inszenierung stellt die Brutalität des Machtstrebens ins Zentrum. Und sie tut dies mit symbolgeschwängerten und pathetischen Bildern. Er lässt Macbeth über Leichenberge stapfen, wie man sie aus schrecklichen Bildern von Nazi-Konzentrationslagern her kennt. Er lässt eine monumentale Macbeth-Statue zu Fall bringen, wie dies in Osteuropa und in Bagdad mit den Lenin- und Saddam-Hussein-Standbildern geschah. Er lässt drei Raben auf die Bühne tragen, wenn die von den Macbeths ermordeten Kinder auf dem Boden liegen. Und am Schluss taucht noch ein rüstungsbewehrter Racheengel auf. Macbeth als Faschismus-Metapher.

Doch da wäre eigentlich mehr. Das Packende an der Tragödie ist, dass sie eben auch tief in die Seele der Protagonisten hineinblickt. Ihren Höhepunkt findet dies im Wahnsinns-Monolog oder hier in der Wahnsinns-Arie von Lady Macbeth, die schlafwandelnd daran zerbricht, dass sie das Blut, das an ihren Händen klebt, nicht mehr abwaschen kann. Hier ist einer der wenigen Momente, wo sich die Regie auf eine psychologische und nicht in erster Linie szenische Personenführung einlässt.

Eindrückliche Sänger

Das soll nun aber nicht heissen, dass die Sänger, allen voran die beiden Hauptfiguren, ihre Rollen nicht füllen und leben. Vladislav Sulimsky als Macbeth und Katia Pellegrino knien sich, von der Musik getragen, tief in die Zerrissenheit ihres abscheulichen Tuns hinein, auch wenn es durch die bleich geschminkten Gesichter und den aufgerissenen Augen manchmal so wirkt, als wären sie einem musikalisch vertonten Schwarzweiss-Stummfilm entsprungen.

Macbeth und Lady Macbeth sind aber vor allem sängerisch vorzüglich besetzt. Bemerkenswert, wie Katia Pellegrino die Balance zwischen Wohlklang und dem Dreck in der Stimme, wie ihn Verdi für diese Rolle fordert, halten kann. Die beiden Hauptdarsteller konnten sich beim Schlussapplaus zurecht frenetisch feiern lassen.

Stimmlich auf der Höhe sind auch weitere Protagonisten, allen voran Callum Thorpe als Banquo und der Tenor Demos Flemotomos als Macduff zu erleben. Und natürlich der Basler Chor, der etwas dicht zusammengedrängt (und von der Regie leider meist unangetastet) an der Rampe viel Kraft und Volumen entwickelt. Allerdings zeigte der Frauenchor an der Premiere, wenn er alleine an der Reihe war, auch gewisse Unsauberkeiten.

Die Hexen aus dem Anthroposophen-Fundus

Diese Hexen sorgen auch szenisch für eher seltsame Momente in der Inszenierung. Sie wallen und wanken auf der Bühne herum, als seien sie aus einer Walpurgisnacht-Szene einer anthroposophischen Faust-Inszenierung aus den 1930er-Jahren entsprungen. Diese Szenen sind gewissermassen Sinnbild für eine Inszenierung, die durch ihren überhöhten Pathos insgesamt ziemlich angestaubt wirkt.

Ein Lichtblick sei hier noch erwähnt. Es ist ein sehr wichtiger Lichtblick, denn mit Erik Nielsen dirigierte der designierte Musikalische Direktor des Theater Basel das Sinfonieorchester zum ersten Mal in einer Produktion, die er selber einstudiert hatte. Unter seiner Leitung sorgte das Orchester für sehr stimmungsvolle Klangbilder, ohne dem Pathos zu verfallen, welche die Inszenierung prägt.
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«Macbeth» von Giuseppe Verdi. Theater Basel, Grosse Bühne. Die nächsten Vorstellungen: 17., 22., 30. April und im Mai.

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