Die heutige Technik ist manchmal so komplex, dass einem angst und bange werden kann. Das will das Trio «Raeuber & Stehler» nicht zulassen. Ihre einfallsreichen Maschinen sollen uns jede Angst nehmen – und uns zum Mitbasteln animieren.
In einer Mischung aus Skepsis und Stolz beäugen die Studenten Fabian Ritzi, Matthias Maurer und Daniel Nikles ihre Erfindung im Schaufenster des Depots Basel. Die drei nennen sich «Raeuber & Stehler», ihre Erfindung heisst «Aepaul». Und die besteht aus einer Lichtsäule, die an der Scheibe einer Buchstabenreihe entlangfährt.
Immer wieder legt diese Lichtsäule auf einem Buchstaben eine kurze Pause ein. Damit signalisiert «Aepaul», welcher Buchstabe zu lesen ist. Das ist ein bisschen wie beim Diktatschreiben in der Grundschule – jede Letter wird einzeln buchstabiert. Zurzeit schreibt die Maschine ein englischsprachiges Gedicht, das «Raeuber & Stehler» anonym via Mail zugeschickt wurde.
«Aepaul» im Schaufenster des Depot Basel.
Solche Besucherbeteiligung ist eines der Ziele der Ausstellung mit dem Titel «Display 2», die aktuell im Depot Basel zu sehen ist. Zum zweiten Mal werden unter dem genannten Motto die einst kommerziell genutzten Schaufenster der ehemaligen Wechselstube mit zeitgenössischem Design bestückt. So sind «Aepaul» und weitere Maschinen von «Raeuber & Stehler» rund um die Uhr für alle zugänglich.
Auch die Passanten sollen nicht bloss Betrachter sein, sondern gleich selbst teilnehmen. Oder wie es übersetzt in der blumig-hochtrabenden Eigendarstellung heisst: «Eine Einladung, Visionen und Essays in der romantischen Landschaft der Technopoetry zu teilen.»
Was damit gemeint ist, verdeutlicht eine Maschine besonders gut, die Passanten direkt am Schaufenster des Depots Basel von aussen bedienen können. Dort hängt an einer Stange eine Papierbahn, die wie eine riesige Küchenpapierrolle aussieht. Legt man seine Hände an die Sensoren an der Scheibe, kann man einen Kugelschreiber auf der Papierrolle in vier Richtungen bewegen. Bis zum Boden hängt dieses «Riesen-Fax» und zeigt ein labyrinthisches Gekritzel, das ebenso gut ein Entwurf eines Architekten auf LSD sein könnte.
Doch hinter dem psychedelischen Entwurf steckt das stark durchmischte Publikum am Voltaplatz: Expats, Migrantinnen, Kinder und Pensionierte hätten hier bereits Hand angelegt, erzählt Matthias Maurer. Vor wenigen Tagen erst sei er mit einem «Grosi» ins Gespräch gekommen. Sie habe «einem Grättimaa die Zipfelchappe» dazu gezeichnet, wie sie ihm erklärt habe. Und auch wenn es sich fast schon unerträglich kitschig anhöre, sagt Maurer: «Vielleicht geht es uns gerade darum, so ins Gespräch zu kommen.» Schliesslich würden die Leute im Zug auch kaum mehr miteinander reden.
Ritzi und Nikles widersprechen zwar in diesem Punkt. Doch an Gesprächen mit Passanten scheint dem ganzen Trio etwas zu liegen. Sie sollen der Banalität der Maschinen Inhalt und Tiefe geben, sagen die drei, die sich selbst als «technikbegeisterte Bastler» bezeichnen.
Sieht aus wie eine überdimensionierte Küchenpapierrolle, darauf darf aber geschrieben werden.
Ritzi, Maurer und Nikles studieren im Bachelor am Basler Hyperwerk. Die Ausstellung im Depot Basel ist dort als Projekt im Studium eingegeben. Deshalb wartet auf das Trio nach der Ausstellung noch viel trockene Schreibarbeit. Auch da wollen sie die Gespräche mit den Passanten und Besuchern einfliessen lassen.
«Die Blackbox öffnen»
Bei Zufallsgesprächen soll es nicht bleiben. Zum Gespräch laden die Studenten zum Beispiel vom 29. April bis zum 3. Mai. Dann erklären sie den Besuchern die Maschinen und geben das nötige Programmierer-Wissen weiter, das sie sich autodidaktisch angeeignet haben.
Ritzi, Maurer und Nikles geht es darum, die Komplexität der heutigen Technik aufzubrechen, welche die Konzerne meistens in Gehäusen verstecken. Begreifen können sie die drei Bastler selbst nicht in allen Einzelheiten. Und auch die Möglichkeiten der industriellen Produktion bleiben ihnen verschlossen, ohne die ein Umbau gar nicht möglich sei.
Bei ihren Basteleien gehe es daher um das «Öffnen der Blackbox», wie Nikles erklärt. Und darum, das erworbene Wissen der autodidaktischen Community weiterzugeben, zu der sich das Trio «Raeuber & Stehler» selber zählt und die sich auf der Plattform Github austauscht. Dort seien quasi alle Räuber und Stehler, sagt Maurer, jedoch in einer Form, die alle profitieren lasse.
Damit wird Text projeziert – auch wenn es nicht danach aussieht.
Ein weiteres Gerät, das die «Blackbox Technik» öffnen will, steht ebenfalls im Schaufenster des Depots Basel: Auf einem hölzernen Stativ ist ein Fotoblitz so mit dem Display eines alten Nokia-Handys verbunden, dass er Licht durch das Display hindurch werfen kann.
Fabian Ritzi erklärt: «Früher waren die Bildschirme in Handys von hinten beleuchtet – wie bei diesem hier. So konnte man etwas darauf erkennen.» Sie würden nun mit dem Blitz durch das Display «schiessen», um Text an die Wand zu projizieren. Mit dem Objektiv sei es möglich, einen Text derart zu vergrössern, dass er auch an Gebäuden sichtbar gemacht werden kann.
Die Texte stammen auch hier von Besuchern. Ihnen ist es offenbar bereits gelungen, die Schwelle der Angst vor Technik zu überwinden. Eine gelungene Interaktion zwischen Mensch und Maschine.
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Die Ausstellung «Display 2» im Schaufenster des Depots Basel läuft noch bis zum 10. Mai 2015
Unter dem Titel «Very Open» wird das Depot Basel vom 29. April bis zum 3. Mai zu einem sogenannten Maker Space. In dieser offenen Werkstatt sollen neue Geräte entwickelt und bereits bestehende verändert werden. Ausserdem können Inhalte für die Displays ausgedacht und mitgebracht werden. Im Zentrum stehen der Wissensaustausch, das gemeinsame Erkunden der technischen Möglichkeiten und das Spiel mit den Grenzen der selbstgebauten Apparate.