Der Kunstverein Kreide Komma Kohle brachte das Theaterstück «Asthma – brav in die neue Welt» zur Uraufführung im Basler SUD.
Sie hetzen die Galerietreppe hoch und wieder runter – immer und immer wieder, um dann nach Atem ringend das Publikum zu begrüssen. Sie drücken sich ihre Köpfe gegenseitig ins Wasserbecken, so lange wie es nur geht. Sie saufen sich mit massenhaft Wasser in den Keuchhusten, oder sie ziehen sich Plastiktüten über die Köpfe bis diese sich beschlagen und beim Einatmen in die Mundhöhlen stülpen. Die Darsteller. Sie mühen sich ab.
Satire im SUD
Asthma ist griechisch und heisst Atemnot. Und Asthma heisst die von Sina Dell’Anno und Achim Imboden als Theaterstück inszenierte «Satire auf die westliche Gegenwartskultur», die gestern im Basler SUD Premiere feierte. «Asthma – brav in die neue Welt»:Der Programmtext verheisst an Atemnot leidende Handlungssequenzen und Beklemmung. Das ambitionierte Ziel ist vorgegeben.
Ein «komödiantisches Bühnenstück um den konflikthaften Zusammenhang von Wahrnehmung und Realität» (Text: Philipp Rohrer) ist die neue Produktion des Basler Kunstvereins Kreide Komma Kohle, der vor ziemlich genau zwei Jahren mit «Die Scheidung der Lichts» auf der Sääli-Bühne über dem Goldenen Fass seine Theaterfeuerprobe im kleineren Rahmen absolvierte. Äusserst erfolgreich, die acht Vorstellungen waren allesamt ausverkauft. Entsprechend gespannt war man auf den Nachfolger, für den sich die junge Gruppe nun zwei Jahre Zeit genommen hat.
Asthma spielt im (real existierenden) ukrainischen Salzhöhle-Sanatorium von Soledar. Vier Schauspieler (Laura Lienhard und Norwin Tharayil, die Hauptdarsteller des Vorgängers, sowie David Flepp und Miro Caltagirone) spielen acht Patienten, die bruchstückhafte Einblicke in ihr unterirdisches Zusammenleben gewähren: darunter einen Oberarzt und eine Richterin, ein lesbisches Pärchen und einen Möchtegern-Liebhaber.
Liebeleien und Intrigen
Spielbühne für deren Liebeleien und Intrigen ist ein verzweigter Holzsteg, der sich durch die Zuschauer schlängelt, die im ehemaligen Sudhaus auf der kleinen Tribüne oder an den verstreuten Bistrotischchen sitzen (Szenographie: Stefanie Hungerbühler). Drei Röhrenfernsehtürme flankieren das Treiben mit Videoaufnahmen einer Autofahrt oder aus der echten Salzhöhle von Soledar (Video: Andreas Weber).
An den Wänden hängen gemalte Bilder eigenartiger Figuren, während bunte Lichtschlangen die Galerie oberhalb der Bühne zieren – dort, wo auch der grosse, runde Glasraum thront, im SUD gewöhnlich das Raucherabteil, die Antilunge gewissermassen. Drin hängen dutzende kleine, mit Salz gefüllte Plastiktüten von der Decke, während überall – auf den Tischchen, den TV-Türmen und der Bar – viele kleine Salzstreuer rumstehen. Diese bemerkenswerte Szenerie wird letztlich in die tausend Lichtpunkte jener riesigen Discokugel gehüllt, die über dem tropisch-farbigen Bühnengewirr ihre schwerfälligen Runden dreht.
Das Stück leidet an Atemnot
Was sich auf dieser üppigen Spielanlage abspielt, ist weniger berauschend. Rastloses Zappen, von Nummer zu Nummer. Asthma leidet an Atemnot, ist man versucht zu sagen. Doch nicht atemlos wirkt das, eher angefangen und nicht zu Ende geführt. Dass ein Buzzer jeweils die Szenen beendet, vertont dies recht deutlich. Das Publikum rennt dem Treiben hinterher, oder grübelt in Wartehaltung, hin und wieder einen Verlegenheitslacher hicksend. Viele leere Blicke. So fehlt die angekündigte Spannung, denn schwierig ist hier nicht, den Weg aus dieser «disharmonischen Traumlandschaft» zu finden, sondern vielmehr jenen in sie hinein.
Auch mit dem vollen Körpereinsatz in den Szenen der körperlichen Grenzerfahrung ist das so eine Sache. Mag sein, dass das Treppenrennen sehr anstrengend ist. Ein Liter Wasser auf ex zu bechern ist auch nicht ohne, gewiss. Aber Keucher wie Huster wirken dann aufgesetzt und unecht. Wer «die zentrale Frage nach dem Echten» stellen will, darf die Szenen nicht überzeichnen. Sie stehen für sich, die Handlung ist die Aussage, bleibt physisch, die Wirkung kommt von allein. Die Regie aber winkt mit dem Zaunpfahl.
Oft zu plakativ
Gewiss gibt es gelungene Szenen. Wenn der Oberarzt seine Patienten untersucht, passt eigentlich alles. Die Szene entwickelt sich schrittweise und unaufdringlich, die Figuren sind klar ausgearbeitet, die Musik spielt mit (Jaronas Scheurer). Das gipfelt in einem feinen Slapstick, nicht anbiedernd und ohne Klamauk. Ein eher seltenes Kunststück. Gar oft aber lässt Asthma die sorgfältige Regie, die gerade sein Vorgänger ausgemacht hat, vermissen. Während so einiges unerschlossen bleibt (wie etwa der Untertitel), kommt das meiste zu plakativ daher.
Asthma will viel sein: eine «Satire auf die westliche Gegenwartskultur», und nicht weniger als ein Gesamtkunstwerk. Dabei entsteht zu wenig. Entweder ist von vornherein alles klar, oder eben wenig bis nichts. So springt der Funke nur selten, und die anstrengenden Bemühungen der Darsteller verlaufen im Salz.
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Nächste Vorstellungen:
16.3., 19 Uhr
18.3., 20 Uhr
19.3., 20 Uhr
Die Vorstellungen finden im SUD, Burgweg, Basel, statt. Alle Daten und Details finden Sie hier.