Ghostpoet aus London gilt noch als Geheimtip. Sein beeindruckender Spagat zwischen TripHop, Dubstep und der Ekstase des Soul dürfte dafür sorgen, dass dies nicht mehr lange so bleibt.
Schon seine Postur verrät den Zustand der Entrückung: Obaro Ejimiwe steht mit leicht zur Seite gekrümmtem Körper vorne auf der Bühne, die Augen hinter der schwarzen Hornbrille geschlossen, pendelt er in stetem Wippen hin und her. Als die vorher eher schwebenden denn schlagenden Beats metallisch zu scheppern beginnen, sinkt er in die Knie, um mit geballten Fäusten und gespannten Oberarmen sich wieder zu erheben.
Ejimiwe, Londoner mit nigerianischen Wurzeln, hat sich als Musiker den Namen Ghostpoet verliehen, und das geht völlig in Ordnung: Wenn er rappt und singt, scheint er sich völlig in seiner Musik zu verflüchtigen.
Ausserhalb Grossbritanniens noch ein Geheimtip
Zwei Alben hat er unter diesem Namen bisher veröffentlicht. Das erste hiess „«Peanut Butter Blues & Melancholy Jam» und wurde nach dem Erscheinen 2011 sofort für den renommierten britischen Mercury Prize nominiert, das zweite, «Some Say I So I Say Light», ist frisch in den Länden und gegenwärtig auf den Konzertbühnen zu hören. Dass er zumindest ausserhalb Grossbritanniens noch als Geheimtip gilt, kann man am Publikum sonntagabends in der Kaserne abzählen, das den Rossstall nur zu einem guten Drittel füllt.
Wer da ist, erlebt jedoch eine spannungsreiche Symbiose zwischen der ätherisch rauschenden und surrenden Soundwelt des TripHop und der düsteren Basswut des Dubstep – zwei prägende Formen des UK-Clubsounds, die hier reibungsvoll zusammenfinden. In «Plastic Bag Rain» führt eine trockene, dem Funk abgerungene Leitmelodie an der Gitarre das Stück auf einen meditativen Wandel, den Ghostpoet mit einem tief raunenden Sprechgesang begleitet, in «Meltdown» brummt eine dicke Soundfläche aus dem Synthesizer, über der die Textfetzen in Echoschlaufen delirieren.
Instrumente, elektronisch verfremdet
Überhaupt, die Voiceeffekte: wie Ghostpoet seine schlurfend rezitative Stimme durch den Hall, durch Vocoders und verzerrende Sequencer schickt, verstärkt die gespenstische, manchmal bis ins hypnotische gleitende Zerfaserung der Stücke. Da gibt es Momente, in denen drei Musiker gleichzeitig an ihren Synthesizern drücken und zusätzlich noch der Schlagzeuger seine harten, kantigen Rhythmen ebenfalls in die elektronische Verfremdung schickt und vor lauter Bässen und Brummwalzen der Song am Ende verpuzzelt daliegt.
Als Kontrast zur verstörenden Effektorgie streut Ghostpoets jedoch Stücke ein, in denen neben TripHop und Dubstep ein drittes Dock sichtbar wird: der Soul. «Survive It» sorgt mit seinen fülligen Orgelimitaten und dem prickelnden Duettgesang mit Fabiana Palladino für die euphorischsten Momente des Abends, später treibt er die Ekstase mit «Liiines» noch weiter. Hymnisch statt dunkel und düster hämmert der Beat, schichtet sich der Song opulent empor, während Ghostpoets Raps dynamisch zu einem japsenden, feierlichen Gospelgesang anschwellen. Ein beeindruckender Spagat.