Viel Lehm um nichts

Im Film «Le Miracle de Tekir» geht es um magischen Schlamm und eine wundersame Schwangerschaft. Was wie eine zweistündige Werbung für Fangopackungen klingt, entfaltet sich als leises Drama um die Freundschaft von zwei Frauen und dem Mysterium der Entstehung menschlichen Lebens.

Mara (l.) und ihr magischer Schlamm sollen Lili helfen, ihren Kinderwunsch zu erfüllen.

(Bild: © filmcoopi)

Im Film «Le Miracle de Tekir» geht es um magischen Schlamm und eine wundersame Schwangerschaft. Was wie eine zweistündige Werbung für Fangopackungen klingt, entfaltet sich als leises Drama um die Freundschaft von zwei Frauen und dem Mysterium der Entstehung menschlichen Lebens.

Eingebettet in eine karge Landschaft am Donaudelta in Rumänien liegt der Techirghiol-See. Eine Legende erzählt von einem alten, blinden Mann, der auf einer Reise mit seinem Esel im Schlamm des Sees stecken blieb. Das Tier fand von alleine nicht mehr aus dem See heraus, also stieg der Mann vom Esel herunter und begann, durch das Wasser Richtung Ufer zu gehen. Dort stellte er erstaunt fest, dass das Wasser ihn nicht nur von seiner Blindheit geheilt, sondern ihm auch seine Jugend zurückgegeben hatte.

Wahrheitsgehalt der Wunderheilung hin oder her, tatsächlich ist die Gegend rund um den See heute ein beliebter Kurort. Sein Wasser und Schlamm sollen aufgrund ihres hohen Anteils an organischem Material wohltuend für verschiedene Haut- und Rheumaerkrankungen sein. Und um genau diesen heilenden Schlamm dreht sich im Film «Le Miracle de Tekir» der schweizerisch-rumänischen Regisseurin Ruxandra Zenide die gesamte Handlung. 

Wer hat Angst vor der bösen Hexe?

Ein kleines Fischerdorf am schwarzen Meer. Hier scheint die Zeit seit etlichen Jahrzehnten stillzustehen. Öffentliche Verkehrsmittel gibt es nicht, für grössere Besorgungen fährt man mit dem Milchmann auf seiner Tour in die nächste Stadt. Am Sonntag trifft sich das ganze Volk in der Kirche, und wenn es ein Problem gibt, kann es schon einmal vorkommen, dass der harte Kern der Dorfgemeinschaft zur Lynchjustiz aufruft. Zum Beispiel, wenn wiederholt die Netze der Fischer leer bleiben und ein Sündenbock gefunden werden muss.

In den Augen der Dorfbewohner ist dies ganz klar Mara (gespielt von Dorothea Petre), die einzelgängerische Heilpraktikerin, die jeden Tag zum Techirghiol-See geht, um Schlamm zu sammeln, mit dem sie in ihrem Haus Leute behandelt. Sie ist ledig und obendrein hochschwanger, kurzum, die perfekte Zielscheibe für den Aberglauben ihrer Mitbürger. Ihre eigenbrötlerische Art macht die Sache nicht besser, behauptet sie doch, durch ein Bad im Schlamm des Techirghiol-Sees schwanger geworden zu sein.

Wissen vs. Glauben

Eine unglaubliche Geschichte – deren Auflösung für den Film selbst gar nicht so wichtig ist. Im Vordergrund stehen die Protagonistin Mara, welche nach der knapp überstandenen Flucht vor dem Lynchmob aus dem Dorf fortzieht, um in einem Kurhotel an der Küste zu arbeiten, und ihre Freundschaft zur Witwe Lili. Lili, eine etwas exzentrische Dame in ihren Vierzigern, will von Mara mithilfe des magischen Schlammes im Kurhotel ihre Unfruchtbarkeit behandeln lassen. Und dann ist da noch der Dorfpfarrer Andrei, der eine seltsame Zuneigung zur schwangeren Mara zeigt.

Ruxandra Zenide zeichnet mit dem verschlafenen Fischerdorf, dem in den Sechzigern stehengebliebenen Kurhotel und der kargen Küstenlandschaft eine anachronistische Kulisse, die dem Kinobesucher das Gefühl vermittelt, ein Märchen zu schauen. Auch die Figuren werden sehr archetypisch eingeführt: die mystische Heilerin Mara, die Exzentrikerin Lili, der Pfarrer als Respektsperson im Dorf, der allen mit Rat und Tat zur Seite steht, und die alte Zigeunerin, welche Mara ihren Bungalow vermietet hat, die etwas Hexenhaftes an sich hat. Nach und nach entwirren sich Zusammenhänge zwischen den Figuren und ihrer Vergangenheit, sie brechen aus Klischees aus und entzaubern die Geschichte.

Von Anfang an ist der Film darauf aus, mehr Fragen aufzuwerfen als zu beantworten. Zum Beispiel, wer der Vater von Maras Kind ist. Handelt es sich wirklich um eine magische Empfängnis? Und müsste dann nicht allen voran der Dorfpfarrer als Erster seine Zweifel an der Geschichte Maras verlieren? Schliesslich basiert seine gesamte Existenz auf dem Glauben an eine Religion, deren Erlöser durch eine unbefleckte Empfängnis gezeugt wurde. Oder ist die Lösung am Schluss so einfach und der Pfarrer ist der Kindsvater? Ist es naiv von mir, wenn ich bis zum Ende an ein Wunder glaube? Gaukelt mir der Film die ganze Mystik nur vor?

Was es mit dem «Wunder von Tekir» am Schluss auf sich hat, sei an dieser Stelle nicht verraten. Es ist wie mit allen Wundern so, dass man sie mit eigenen Augen gesehen haben muss, um sie zu glauben.

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«Le Miracle de Tekir» läuft ab dem 14. Juli in den Basler Kinos.

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