Vom Rennrad in die Bike-Arena

Der ehemalige Strassenprofi Hubert Schwab präsentiert am Wochenende auf dem Schänzli beim 5. Bikefestival Basel ein Velovolksfest mit der Weltelite der Mountainbiker.

Erst 1000 Kilometer «Tortour», dann als Mediensprecher ans Bikefestival: Hubert Schwab erwartet ein hartes Wochenende. (Bild: Nils Fisch)

Der ehemalige Strassenprofi Hubert Schwab präsentiert am Wochenende auf dem Schänzli beim 5. Bikefestival Basel ein Velovolksfest mit der Weltelite der Mountainbiker.

Wo sonst die Pferde galoppieren, sind dieses Wochenende kräftige Waden gefragt. Die Reitsportanlage Schänzli beim Joggeli wird derzeit nach Aussagen der Veranstalter zu «Europas grösster Bike-Sportarena» umgebaut.

Zwischen Minidrome und Pumptrack-Anlage steht der Mediensprecher des Festivals, Hubert Schwab, und blickt zur Tribüne, vor der am Sonntag die Mountainbike-Weltelite im finalen Rennen des BMC Racing CuP durchrast. «Nino Schurter und sein Team haben heute wegen der harten Belastung durch die Weltcuprennen leider abgesagt», gibt der ehemalige Radprofi, der nun erstmals als Medienverantwortlicher des Bikefestivals amtet, enttäuscht bekannt.

Doch auch ohne den amtierenden Mountainbike-Weltmeister aus der Schweiz: Besser besetzt könnte das Fahrerfeld kaum sein. Immerhin startet Frankreichs Doppel-Olympiasieger Julien Absalon, und bei den Frauen fährt die Schweizer U23-Weltmeisterin Jolanda Neff ihr erstes Rennen, seit sie sich letzte Woche als jüngste Fahrerin aller Zeiten den Gesamtweltcup sichern konnte. Mit der Riehenerin Katrin Leumann hat auch eine Fahrerin aus der Region Siegeschancen.

Windschattenspender am Giro d’Italia

Den Baselbieter Schwab aber juckt das Rennen nicht in der Wade: «Ich entdecke die Attraktivität des Mountainbike-Sports zwar immer mehr, mein Herz gehört jedoch der Strasse.» Doch auch dort beendete er vor fünf Jahren seine Profikarriere.

Dabei wäre Schwab heute mit 32 Jahren eigentlich im besten Rennfahreralter – Fabian Cancellara etwa zählt sogar ein Jahr mehr. «Ich hatte damals meinen Leistungszenit mit natürlichen Methoden erreicht. Illegal wollte ich nicht besser werden», begründet Schwab seinen Entscheid. «Damit will ich nicht sagen, dass alle, die schneller waren, gedopt sind. Mein Talent hat auf internationalem Toplevel schlicht nicht fürs Podest gereicht.» 

«Helfer sein klingt undankbarer, als es ist. Das Adrenalin pumpt im Rennen genau gleich wie beim Leader.»

Hubert Schwab, Ex-Radprofi 

Es reichte immerhin, um 2004 Schweizer U23-Strassenmeister zu werden. Schwab wechselte ins Profilager, und 2006 verpflichtete ihn das belgische Topteam Quick Step. Während vier Jahren war er ein wertvoller Teamfahrer, der auch an grossen Rundfahrten wie dem Giro d’Italia eingesetzt wurde. Einmal durfte Schwab dort sogar zwei Tage das Trikot des besten Jungprofis tragen. In erster Linie diente er jedoch seinem Leader als Windschattenspender und Wasserträger.

Schwab gefiel das: «Helfer sein klingt undankbarer, als es ist. Das Adrenalin pumpt im Rennen genau gleich wie beim Leader.» Als Rad-Superstar Alberto Contador der neue Leithammel werden sollte, war in seinem spanischen Helfer-Gefolge kein Platz mehr für Schwab. Der mündlich zugesagte Wechsel zu einem anderen Topteam platze, und so landete Schwab bei einer österreichischen Mannschaft.

Vom Sattel in den Hörsaal

Diese fuhr zwar nicht die ganz grossen Rennen, dafür war Schwab Teamleader. Diese Rolle genoss Schwab durchaus, nach einem Jahr beendete er dennoch seine Radsportkarriere: «Ich hatte fünf coole Jahre als Profi, wollte aber etwas Neues beginnen» – beziehungsweise sein Wirtschaftsstudium beenden. «Anfangs hatte ich nach zwei Stunden an der Uni Mühe, ruhig im Bank zu sitzen und konzentriert zu bleiben. Aber der Mensch ist ja ein Gewohnheitstier, und spätestens im Winter fand ich den gewärmten Platz angenehmer, als im Velosattel zu trainieren, um meine jährlichen 34’000 Kilometer runterzuspulen.»

Dem Radsport blieb er zunächst als Trainer des Schweizer U23-Teams verbunden. «Mein wichtigster Ratschlag an alle jungen Fahrer ist, Spass zu haben! Das Leiden lernt man früh genug. Wer sich zu früh ins Training hineinsteigert, verbrennt seine Leidenschaft, bevor er sein Toplevel erreicht. Im Radsport erreicht ein Athlet seinen Zenit später als in den meisten anderen Sportarten.»

Er selbst fand jedoch über das Leiden Gefallen am Gümmelen. Dreimal brach er sich als Kind das Bein. Zur schonenden Regeneration verordnete der Arzt Velofahren. Bald schon trat Schwab dem Veloclub RRC Nordwest bei, für den er nach seinem Rücktritt bei der U23-Nati nun als Trainer aktiv ist.

Von der «Tortour» ans Bike-Festival

Doch nur die anderen hetzen, reicht Schwab nicht. Auch nach Abgabe seiner Profilizenz fährt er weiter Rennen. So bestreitet er ab Donnerstag – sozusagen als Einstimmung auf das Bikefestival – in einem Vierer-Team die «Tortour», ein Rennen rund um die Schweiz. 300 Kilometer mit gut 5000 Höhenmetern warten auf ihn. Das Ziel seines Goldwurst-Power-Teams ist natürlich der Sieg.

Darauf hoffen auch die 14 anderen OK-Mitglieder des Bikefestivals. Denn nur wenn die Goldwürste die insgesamt 1000 Tortour-Kilometer schnell genug abstrampeln, steht ihr Medienverantwortlicher am Samstagmorgen rechtzeitig auf dem Schänzli. «Auch wenn die Beine müde sein werden, die Bike-Action hier wird den Kopf schon munter machen», sagt Schwab und übt sich bereits im Vorfeld des Anlasses in seiner neuen Rolle als Pressesprecher.

Tatsächlich scheint das Festival auch abseits der Profirennen ein Spektakel zu werden. Dirt-Jump-Profis springen mit waghalsigen Figuren über Rampen, während die Radballer ihr Turnier spielen und die weltbesten Kunstradathleten Unmögliches auf zwei Rädern präsentieren. Radbegeisterte können beim Volksrennen oder im Minivelodrom sogar selbst in die Pedale treten. Weniger Roll-Affine halten ihre Waden im Festzelt zu DJ-Klängen geschmeidig.

«Ich bin überzeugt, der Radsport ist heute sauberer. Darum kremple ich gerne die Ärmel hoch, um das Image aufzubessern.»

«Will man die Leute heute an einen Veloanlass locken, muss man etwas bieten», erklärt Schwab. «Der Velosport hat in den letzten 30 Jahren massiv Konkurrenz von anderen Veranstaltungen bekommen. Da muss man sich was einfallen lassen, um nicht wie so viele andere Rennen zu verschwinden.»

Mit dem Volksfest-Charakter hoffen die Organisatoren auch neue Leute mit dem Velovirus zu infizieren. Der Sport hat in den letzten Jahren durch all die Dopingskandale einiges an Goodwill eingebüsst, auch bei den Sponsoren. Dabei wird es heute finanziell immer aufwendiger, einen solchen Anlass zu organisieren. Wie die anderen OK-Mitglieder arbeitet Schwab neben seinem neuen Vollzeit-Job als Projekt-Manager bei einer Versicherung ehrenamtlich für das Bikefestival: «Ich bin überzeugt, der Radsport ist heute sauberer. Darum kremple ich gerne die Ärmel hoch, um das Image aufzubessern und die Leute zu begeistern.»

Doch bei allem Einsatz: Die Kratzer an seinen Armen stammen nicht von der Streckenbesichtigung des Mountainbike-Rundkurses, sondern von der jungen Katze, die seit einer Woche bei seiner Frau und ihm eingezogen ist.

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