Bo Katzman hat ein Buch geschrieben. Darin gibt er eine Antwort auf die letzte grosse Frage der Menschheit: Was kommt nach dem Tod? Wir waren an seiner Lesung.
Bo Katzman wirkt nicht nervös vor seiner Lesung. Obwohl er sagt, er sei es. Er hat sich und leichtes Hifi-Equipment am Infostand der Buchhandlung Thalia an der Freienstrasse aufgebaut, eingerahmt von den Abteilungen «Diäten von A-Z» und «Basteln und Handwerk». Rund 50 Zuhörer sitzen vor ihm, zumeist Frauen, zumeist in einem Alter, in dem die Verpflichtungen abnehmen.
Katzman hiess einmal Reto Borer und war Musiklehrer, dann nannte er sich Bo Katzman, spielte in einer Band und suchte sich einen Chor, mit dem er seither erfolgreiche Songs von anderen Künstlern vertont. Eine Million Konzertbesucher, 500’000 verkaufte Alben – und jetzt sein zweites Buch.
In «Du bist unendlich» hat er seine Nahtoderfahrung inklusive Ausflug ins Jenseits aus jüngeren Jahren verarbeitet. Daraus liest er im Thalia Passagen, gebettet in Songs, die er mit der Gitarre vorträgt. Die Band kommt ab iPad.
Der Mann ist eine Performance. Aber auch spiritistischer Vordenker, der sämtliche Religionen studiert haben will, um jene Antworten zu suchen, die er schliesslich in sich selber fand. Seinem Auftritt kann nur eine getrennte Betrachtung von Form und Inhalt gerecht werden: Katzman über und Katzman mit.
Bo Katzman über…
…die drei grossen «M»
Musik, Mädchen, Motorräder. Sie beherrschten seine Jugend und stehen auf tragische Weise am Ursprung seines neuesten Werks. Nachdem er mit dem Motorrad hingefallen war, fiel er ins Koma, flutschte gar ins Jenseits. Er konnte, erzählt er, durch den Arzt hindurchsehen und -greifen. Professor Operetti, hiess der Doktor, erinnert er sich. «Sorry, Rosetti heisst er. Wisst ihr, bei mir ist alles Musik.» Geschenkt, Bo.
…Bügeleisen
Tatsächlich ist nicht alles Musik in der Welt von Bo Katzman, einiges muss auch Hausarbeit sein. «Der Mensch ist wie ein Bügeleisen», erklärt er, als er zum Kern seiner Gedanken kommt. Ziehst du den Stecker, sterbe das Bügeleisen – wie der Mensch ohne Seele. Doch der Strom verbleibe wie die Seele irgendwo im Äther. Müssen sie. «Du weisst so gut wie ich, dass die nicht einfach so verschwinden!» Katzman späht über die Lesebrille in die Runde und sagt eine dieser Katzman-Tautologien: «Nur Nichts gibt es nicht».
…Wassertöpfe
siehe «Bügeleisen». Nur mit Dampf statt Strom.
…Glühbirnen
Der Bügeleisen-Metapher wiederum nicht unähnlich, aber persönlicher gefärbt. Sie geht so: Je mehr Strom durch eine Glühbirne fliesst, desto stärker leuchtet sie. Nun ist Katzmans Strom die Liebe, von der er nicht genug haben kann. Er hebt die Stimme: «Mein Lebensprogramm ist das einer Glühbirne. Ich will von der Birne zur Sonne werden.»
…Liebe
Weil im Jenseits, in dem er bekanntlich zu Besuch war, die Liebe mindestens 100’000 mal stärker sei als auf Erden, müsse man sich darauf vorbereiten. Schliesslich gelte: Je mehr Liebe man aushalten könne, desto näher sei man Gott. Was macht Katzman also? «Es ist so einfach», versichert er: «Jeden Tag lieben.»
…Seite 106
Ein kontroverses Thema, das «The Katz» nicht meidet: «Vier Buchstaben: G-O-T-T.» Eine Zeit lang habe er auf Tour eine Story aus dem biblischen Paradies erzählt, die damit endet, dass sich Gott als Frau zu erkennen gibt. Das Publikum reagierte: «mit Erstaunen, aber auch Empörung». Im Thalia wirkt die Runde gefasst. Vielleicht, weil man die Story schon auf seiner Tour gehört hat. «Jedenfalls», sagt Katzman: «Wir machen jetzt weiter mit Seite 106.»
…Grenzübertritte nach Spanien
Als Nahtod-Erfahrungen verhöhne die Wissenschaft das, was er erlebt habe. «Das ist abwertend.» Er sei nicht nah dran gewesen, sondern drinnen. «Wenn ich einen Schritt über die Grenze nach Spanien setze, bin ich in Spanien – auch wenn es dahinter noch 800 Kilometer weitergeht.»
…Engel
hat er im Jenseits angetroffen. Seien feinstofflicher als die übrigen Existenzen dort: «ganz anderes Material».
…sein nächstes Projekt
(Bild: Hans-Joerg Walter)
5000 spirituelle Fragen hätten Katzman-Fans auf seiner Website in den letzten 15 Jahren an ihn gestellt. Er beantwortete sie alle. «Das wollen wir jetzt zwischen zwei Buchdeckel pressen.» Thalia, leg uns zwei Karten zur Seite.
Bo Katzman mit…
…ä
Nicht Katzman. Kätzmän. Da legt er Wert drauf.
…Lesebrille
(Bild: Hans-Joerg Walter)
Trägt er mit Eleganz. Und mit Würde. Am Samstag nach der Lesung wurde er schliesslich 63.
…seiner Frau
Eine tipptoppe Erscheinung mit sehr blonden Haaren, ähnlich alterslos wie ihr Mann. Verliebtheit sei nur eine Vorstufe zur Liebe, lehrt Bo Katzman, ausser was ihn selbst betrifft: «In meine Frau verliebe ich mich jeden Tag neu.» Oh, raunt es im Saal. Man kann ihn wirklich lieben. Für den Trost, den er spendet, dass die eigene Ehe schon länger in die funktionale Phase eingetreten ist. Und weil er, wenn er einen nur zur Prinzessin erwählt hätte, immer noch verliebt wäre.
…mit den Frauen ganz allgemein
(Bild: Hans-Joerg Walter)
Sein Publikum spricht Katzman mit «Ihr» an. Aber irgendwann kommt es raus: Er spricht von «euern Ehemännern, die ihr mit in diese Lesung gebracht habt». So ist das mit dem «Ihr». Und da er sich Gott auch als Frau vorstellen kann ist klar: Bo ist ganz und nur für das schöne Geschlecht da.
…mit der überzeugenden Frisur
Bewährt seit 40 Jahren.
…mit ironischer Distanz
(Bild: Hans-Jörg Walter)
Nein. Aber wie macht er es dann? Bo Katzman ist eigentlich zu intelligent für Bo Katzman. Er hat Präsenz, er kann formulieren (einen grossen Teil seines Buches hat er sicher selbst geschrieben), und er hat eine Stimme (hätte er seine Abgründe gepflegt, wir könnten in ihm durchaus den Basler Tom Waits erblicken). Wie hältst du das aus, Bo? Lachst du dir abends ins Fäustchen, wenn die ergrauten Damen aus dem Publikum, die du ehrlich beglückt hast, den Car nach Hause genommen haben? Oder glaubst du selber dran, an die, sagen wir mal, grosse Kraft der sanften Harmonie?
…mit seiner Tochter
(Bild: Hans-Joerg Walter)
Sie studiert Musicalsängerin, nachdem ihr klar wurde, dass ihr das Psychologiestudium nicht entspricht. An diesem Abend steht sie mit ihrem Vater auf der Bühne. Im Duett verliert Bo leicht an Wirkung.
… mit den Tränen
«Immer, wenn ich Ticket to Heaven spiele, muss ich heulen.» Er spielt es. Aber er heult nicht. Der Effekt ist trotzdem da.
Was für ein Profi.