Die Detroiter Sängerin Nina Bradlin lebt seit 1990 in Basel. Von der Musikmetropole ans ruhige Rheinknie – wie kam das? Die Stadt hat kräftig Fahrt aufgenommen, sagt Bradlin. Am 18. November tritt sie im Parterre und am 21. November im SUD auf.
Beim Treffen mit der Sängerin Nina Bradlin in der Mitte habe ich einen Ohrwurm im Kopf. «Crumblin’!» singe ich soulmässig vor mich hin, seit ich mich in ihr neues Album «Right where you are» eingehört habe, «Crumblin’ in a crumblin’ town». Gemeint ist Detroit, Ninas Bradlins Heimat. Die Stadt hatte als Motorcity blühende Zeiten, hier wurde mit Motown Records das kultigste Musiklabel aller Zeiten gegründet und hier liegt die Wiege der elektronischen Musik.
Doch seit dem Niedergang der Autoindustrie bröckelt die Stadt. Zwei Drittel der Bevölkerung sind weggezogen, Häuser stehen leer, die Leute sind arm. «Doch es geht wieder was», sagt Nina Bradlin. Firmen investieren, auch wenn die Jobs meistens an hinzugeholte Arbeitskräfte gehen und nicht an die Detroiter, und die Musikszene rappelt sich wieder auf. Ninas Herz liegt in Detroit, das hört man aus jedem ihrer Sätze. Sie will wieder vermehrt hinreisen, dort Musik machen, auftreten. Doch wieder hinziehen ist kein Thema.
Zwei Herzen in der Brust
Denn Ninas Herz liegt auch in Basel. Hier hat sie eine Familie mit zwei Töchtern, die 14 und 18 sind. Sie liebt die Stadt, durch die der Rhein an ruhigen Ufern entlangfliesst. Wo sie überall mit ihrem Velo hinfahren kann (Farbe: «babyblue»). Wo sie die Menschen mag mit ihrer Offenheit. «Man sieht die Durchmischung in Basel», sagt sie, die Immigranten, die Expats. «Basel ist weniger eine Insel als Zürich». Und die Reichen investieren hier in Kultur, statt in «fancy cars» durch die Gegend zu fahren.
Nina Bradlin ist eine waschechte Baslerin. Doch wie kam das? Was treibt eine Detroiter Jazzsängerin nach Basel, wo sie in den kommenden Tagen mit ihrem neuen Album auftritt?
Der rosarote Weg nach Europa
All das ist schon lange her. Und schrecklich romantisch. Als 17-jährige lernte sie in Detroit beim Chorsingen einen Deutschen kennen. Es wurde Liebe draus und nach der Highschool machten die beiden eine Reise durch Europa. Das war Ende der 80er, «zu Zeiten, als man in Deutschland noch für 6 Mark in der Jugendherberge schlafen konnte.» Geld hatten die beiden keins, daher mieden sie die Schweiz, «viel zu teuer!», und tourten stattdessen durch Italien. Dort machten sie Folkmusik auf der Strasse, sie sang, er spielte Gitarre, und verdienten so ihr Geld.
Fast zu schön um wahr zu sein. Diese Liebe ging denn auch zu Ende und Nina Bradlin zurück nach Detroit. An der deutschen Sprache blieb sie jedoch hängen und begann, sich neben ihrer Schauspielerausbildung für vergleichende Literaturwissenschaften zu interessieren.
Heimweh in Basel
So kam sie in einem Austauschjahr wieder nach Europa, diesmal ins deutsche Freiburg. Auf einer Reise traf sie einen Schweizer, ging mit ihm und lebt seit 1990 in Basel. Anfangs hatte sie grosse Schwierigkeiten. Zuviele Regeln beengten sie, dauernd trat sie in Fettnäpfchen, von denen ihr nicht klar war, dass es welche sein könnten – «unbedeutende Sachen!». Sie hatte Heimweh nach Detroit und ging viel in die katholische Kirche, wo sie Halt fand. Heute geht sie kaum mehr hin. Seit den Nullerjahren macht sie Musik und ist mit der Community bestens vernetzt. Und die Basler? «Sind relaxter geworden! Die Stadt hat von der bunten Bevölkerung profitiert.» Die Stadt, die ihr früher provinziell reinkam, findet sie heute «vibrant».
Die Detroitgemeinde
Während des Gesprächs kommt Andy Boller an unseren Tisch. Ein Original mit Schiebermütze und Uhubrille, der als Klavierspieler und Alleinunterhalter jeden Montag ein Grillrestaurant in Zürich unsicher macht. Nina Bradlin kennt ihn, er kommt ebenfalls aus Detroit. Scheinbar gibt es eine ganze Detroitgemeinde in Basel.
In einem ihrer Jobs, den Nina Bradlin neben der Musik besonders liebt, spielt sie für eine Cabaretreihe eine singende Diva. «Mord an Bord» wird auf Ausflugsschiffen gespielt, die den Rhein entlangschippern. «Totally over the top», sagt sie. Für ihren Auftritt wirft sie sich in Pulp-Fiction-Perrücke und Minirock, wie sie mir auf ihrem iPhone zeigt.
Ein gutes Leben in einer aufgewachten Stadt. Auch wenn sie Detroit vermisst. «Den Leuten geht es so schlecht, dass es so nicht weitergehen kann. Mir fehlt die Aufbruchsstimmung, die dort herrscht.» Doch das eine tun, das andere nicht lassen. Ihr neues Album hat Nina Bradlin in Basel, Dublin und Detroit aufgenommen.