Von Edeljazz bis Soulpop

Die Songs aus dem Repertoire von Billie Holiday gehören zu den meistgecoverten, die Adaptionen reichen weit über den Jazz hinaus. Wir blicken auf die wichtigsten Tributalben, die anlässlich ihres 100. Geburtstags am 7. April erscheinen.

Billie Holiday in der Carnegie Hall in New York. (Bild: William Gottlieb)

Die Songs aus dem Repertoire von Billie Holiday gehören zu den meistgecoverten, die Adaptionen reichen weit über den Jazz hinaus. Wir blicken auf die wichtigsten Tributalben, die anlässlich ihres 100. Geburtstags am 7. April erscheinen.

Wer die Originale nicht kennt, kann sich vorab einen Überblick über Billie Holidays Schaffensphase bis 1945 mit der Columbia-Box «Lady Day» verschaffen. Hier gibt es 80 Albumversionen und Singles, wobei unverzeihlicherweise ihre wichtigste Einspielung fehlt: «Strange Fruit», der bittere Bericht über Lynchmorde an Schwarzen und zugleich der erste Bürgerrechtssong der USA. Mit den Originalen im Ohr kann man zu den aktuellen Hommages übergehen, die unterschiedlicher nicht sein könnten.



Von Diva zu Diva grüsst Cassandra Wilson auf «Coming Forth By Day». Die 59-Jährige hat das Werk jazzfern eingespielt. Auf einen Tipp ihres Managers hin holte sie sich den Produzenten Nick Launay ans Pult, der eng mit Nick Cave zusammenarbeitet, und Musiker von Caves Band Seeds bilden auch die Rhythmusgruppe.

Das Ergebnis überwältigt: «Billie’s Blues» etwa rotzt wie eine alter Schiffsmotor mit Canned-Heat-Gitarren und griechisch anmutender Stöhnklarinette. Arabeske Streicher maunzen in «Crazy He Calls Me», «Good Morning Heartache» wird zur stampfenden Blues-Groteske, die romantische Ballade «What A Little Moonlight Can Do» bekommt ein nachtblau irrisierendes Popkleid. Für «Strange Fruit» wurde – konträr zu den Originalen – orchestraler Zorn gewählt.

Kurios, wie Wilsons fast geschlechtslos hauchende Stimme in keinem Takt als Hauptakteurin auftritt. Sie passt sich gleichberechtigt ein, abstrahiert Holidays Originale von der Sphäre des Weiblichen, die Klassiker werden zum Texturerlebnis.

Misslungenes Cover von einem Mann



Holiday wird nicht so oft von Männern gecovert. Aus dieser Vorlage allerdings macht José James mit seinem eleganten Bariton auf «Yesterday I Had The Blues» wenig. Fast auf biederen Quartettsound zieht er sich zurück, indem der sonst so grandiose Jason Moran nur selten aus den Pianostereotypen des Modern Jazz ausbricht. Im schummrigen Late-Night-Setting singt James mit dem Timbre einer sedierten Trompete. «Lover Man» klingt nicht nach drängender Erotik, sondern nach Satinbettwäsche, zu spät nörgelt im bluesig getönten «God Bless The Child» mal ein Fender Rhodes. Erst «Strange Fruit» geht mit starker Afrofärbung als A-cappella-Version unter die Haut.

Dass Holiday-Songs im Soulkontext schon 1972 mit Diana Ross scheiterten, störte die Produzenten der 27-jährigen Rebecca Ferguson aus der Castingshow «X Factor» nicht. Sie richten mit einer galatauglichen Soul-Sosse, künstlichem Konzertsaal-Hall und zuckersüssem Orchester an. Harmonische Finessen sind geglättet, der Swing durch Motown-Rhythmik ersetzt. Mit der präzisen Ansteuerung jeder Note ist Fergusons Stimme ein Gegenentwurf zu Holidays katzenartigem Mäandern. Das ist mehr Nummernrevue denn Widmung. Ausnahme: In «Don’t Explain», eingebettet in Murmelgesang und Flöte, macht sich die Junge die Herzenswunden ihres Vorbilds glaubhaft zu eigen.

Leicht scheint es nicht, Billie Holiday zeitgenössisch zu würdigen. Es lohnt sich aber, mal abseits der grossen Plattenfirmen zu schauen. Das israelische Duo Irit Dekel und Eldad Zitrin wildert auf «The Last Songs» kunterbunt durch die Jazz-, Pop- und Bossa Nova-Geschichte. Ihre Holiday-Covers gehören dabei zu den stärksten Momenten, originelle Videos inklusive. An einer Jerusalemer Strassenecke beispielsweise verpassen sie «Willow Weep For Me» fetzige Orientalismen und einen leichten Elektropop-Touch. Holiday global – das funktioniert. 




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