Das nach einer langen Wartezeit endlich vorgestellte Baselbieter Kulturleitbild versteht sich als Bekenntnis zu einer lebendigen Vielfalt und Partnerschaft mit dem Stadtkanton.
Regierungsrat Urs Wüthrich, Vorsteher der Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion des Kantons Basel-Landschaft, ist ein Freund der Kultur des Bonmots. Im Hinblick auf die wiederholt und zum Teil scharf kritisierte lange Wartezeit auf das neue Kulturleitbild (pdf-Dokument) sagte er an dessen Präsentation in der Kantonsbibliothek in Liestal: «Wir haben nicht zulange daran gearbeitet, sondern es höchstens zu früh angekündigt.» Und auf die knappen finanziellen Ressourcen Bezug nehmend betonte er: «Ausgabestopp bedeutet nicht Denkstopp.» Darüber hinaus gab er sich selber überrascht von der grossen Vielfalt der Baselbieter Kulturlandschaft.
Damit steckte Wüthrich gewissermassen die Eckpunkte seiner Kulturpolitik und der kulturellen Identität des Kantons ab, wie sie im neuen Kulturleitbild ausgeführt werden. Ganz grob zusammengefasst lässt sich aus dem 54-seitigen Papier herauslesen: Die Ausgangslage ist im Grossen und Ganzen befriedigend, das Angebot ist vielfältig, während die finanziellen Entwicklungs- und Ausbaumöglichkeiten indes beschränkt sind.
Pragmatisch und gut leserlich verfasst
Wohltuend ist die pragmatische und zuweilen auch erfrischend (selbst-)kritische Art und Weise, in der das Papier die Baselbieter Kulturlandschaft und -politik beschreibt. Und an der einen oder anderen Stelle scheint das Nachdenken über den Status Quo sogar zu einem Erkenntnisgewinn mit daraus folgenden konkreten neuen Ansätzen geführt zu haben.
Zuerst aber zur Ausgangslage: Die Forderung nach einem Kulturleitbild als Grundlagenbericht zum neuen Kulturfördergesetz geht auf eine Motion der FDP-Fraktion im Landrat zurück. Den darin formulierten Wunsch, dass die ländliche Kultur als identitätsstiftendes Merkmal für den Kanton zu definieren sei, können die Verfasser des Leitbilds indes nicht erfüllen. «Die Gegenüberstellung von städtischer und ländlicher Kultur wird grosso modo als wenig hilfreich verstanden», beruft sich das Leitbild auf die Erkenntnisse aus der breit angelegten Tagsatzung Kultur vom 7. Mai 2011 in Liestal.
Leuchttürme und Leuchtkäfer
Niggi Ullrich, Leiter der Abteilung Kulturelles.bl, ergänzte, dass es hilfreicher sei, in einem «ausgesprochenen Agglomerationskanton» von einem grenzüberschreitenden urbanen Raum zu sprechen, der ein Neben- und Miteinander in der Kulturlandschaft impliziere. Und im Leitblid wiederum ist zu lesen: «Kulturelle Vielfalt heisst, dass städtische und Ortskultur, Profis und Laien, Kunst- und Kulturschaffen nebeneinander Platz haben und sich komplementär ergänzen.» Diese Aussage dient nicht zuletzt auch als Argumentation für die Unterstützung von Kulturinstitutionen und -initiativen im Stadtkanton.
Ganz auf eine Gegenüberstellung von Stadt und Umland möchte man aber dennoch nicht verzichten. Auf einen Wettbewerb mit der Stadt Basel um kulturelle Leuchttürme möchte sich der Land- oder Agglomerationskanton zwar nicht einlassen, heisst es. Aber: «Im Baselbiet gibt es durchaus interessante, gut besuchte, einmalige Orte und kulturelle Fixpunkte, aber sie haben oft Nischencharakter («Leuchtkäfer») oder erfüllen eine Funktion als Kompetenzzentren.»
«Campus» und «Walk of Fame»
Mit dem Stichwort Kompetenzzentren sind neben überregional bedeutenden Kulturinstitutionen wie etwa dem Kunsthaus Baselland oder dem Theater Roxy, sowie den Jugendmusikschulen und den kulturell aktiven Gymnasien die vielen Ateliers, Werkräume, Übungs- und Probelokale von Künstlerinnen und Künstler gemeint, die dann in der Stadt das zeigen, was sie auf dem Land entwickelt haben. Oder mit einem blumigen Zitat aus dem Leitbild ausgedrückt: «Ohne Gang über den ‚Campus‘ im Baselbiet gibt es keinen ‚Walk of Fame‘ in der Stadt…»
Neben diesen positiv herausgehobenen Punkten kommen im Kulturleitbild aber auch Mankos zu Sprache. So etwa das nach wie vor zurückhaltende Engagement auf Gemeindeebene: «Im Vergleich zu Kantonen mit einer vergleichbaren Agglostruktur (AG, BE, LU, SG) hält sich das Engagement der Baselbieter Gemeinden materiell sowohl gegen innen als auch gegen aussen in Grenzen», heisst es. Und im Hinblick auf die im baselstädtischen Leitbild so stark gewichteten Public Private Partnership stellt das Leitbild mit Bedauern fest, dass Mäzenatentum und Sponsoring im Baselbiet eine ausgesprochen marginale Rolle spielen.
Konkretes und weniger Konkretes
Diese Bestandesaufnahme ist und bleibt aber in erster Linie Papier. Gespannt schlägt man deshalb das Kapitel «Prioritäten und Programme 2013–2017» auf, in der Hoffnung, dass sich trotz der angespannten Finanzlage im Kanton konkrete neue Förderansätze finden lassen. Im Kleinen wird man denn auch tatsächlich fündig. Unter dem Stichwort «Unser Pool» wird ein neues Förderinstrument für Initiativen angekündigt, die von mehreren Gemeinden interkommunal in Angriff genommen werden. Und beim Stichwort Filmförderung wird betont, dass hier zusammen mit Basel-Stadt dringender Handlungsbedarf bestehe, wolle man verhindern, dass Filmschaffende aus der Region aus finanziellen Gründen zur Abwanderung gezwungen würden.
Nicht ganz so konkret sind die Aussagen zu den bekannten grossen Brocken in der Kulturförderung. So ist zwar von «sicheren und ausreichenden Ressourcen» für den Leuchtturm Theater Basel die Rede. Die Konkretisierung sei aber Sache von neuen Partnerschaftsverhandlungen. Und beim Kunsthaus Baselland wird zwar ein Umzug auf das Dreispitzareal explizit befürwortet, Entscheide könnten aber erst gefällt werden, wenn man sich einem «überzeugenden und realisierbaren» Projekt gegenübersehe. Und ein solches ist im Moment noch nicht in unmittelbarer Reichweite, wie Vertreter des Kunsthauses am Rande der Leitbildpräsentation gegenüber der TagesWoche ausführten.
Grundlagenbericht zum Kulturfördergesetz
Das Kulturleitbild, das vom Regierungsrat abgesegnet worden ist, dient als Grundlagenbericht für das revidierte Kulturfördergesetz, das nun dem Landrat erneut zum Entscheid vorgelegt werden soll. Zuerst aber folgt eine Vernehmlassung. Die Baselbieter Regierung geht jedoch davon aus, dass der Landrat im Spätherbst 2013 seinen Beschluss fassen werde. Sofern es sich hierbei nicht wiederum um einen zu früh angekündigten Termin handelt.