Der Romand-Rapper Stress hat an seinem Konzert im Volkshaus eine grosse Party veranstaltet und für seine diversen Nebeneinkunftsquellen kräftig die Werbetrommel gerührt. Ach ja, Bastian Baker war auch da.
Dass der Lausanner Rapper Stress nicht mehr das macht was Hip Hop-Connaisseure (wahlweise auch «Headz») gerne als «real» bezeichnen, zeigt sich schon beim Eingang zum Volkshaus. Das Publikum ist gemischt, etwa zu gleichen Teilen sehr jung und ü30. Ein direktes verwandschaftliches Verhältnis ersterer Altersgruppe mit zweiter kann nur vermutet werden. Böse dreinblickende Buben mit Tinte am Hals und materialaufwendiger Garderobe hat es nur vereinzelt. Dafür wird vor der Bühne ausgelassen getanzt, gefeiert, gekreischt.
Andres Andrekson, so heisst Stress abseits von Bühnen, roten Teppichen und Kameraobjektiven, steht vor einem gut zur Hälfte gefüllten Volkshaus. Flankiert ist Stress von seinem altgedienten Backup-Rapper MAM und der Sängerin Karolyn (die zusammen als Vorgruppe aufgetreten sind), im Hintergrund wirkt eine Band. Bei Prominenten eines gewissen Bekanntheitgrades, Stress zählt hierzulande definitiv zu ihnen, interessiert stets auch die Garderobe, deshalb: Schwarzer Pullover, Baseballmütze, Tarnshorts und – ja tatsächlich – etwas das wie eine schwarze Strumpfhose aussieht.
Auch Werbung ist eine Kunst
Der Beamer zeigt Videos, Fotos und vor allem eines: Werbung. Noch bevor die ersten Takte erklingen rotiert auf der Leinwand, gross und golden, das Logo von «Bear Inc.». Unter dieser Marke verkauft Stress zusammen mit der Ladenkette «Metro Boutique» weite Hosen und Kapuzenpullover. Stichwort verkaufen: Neben der Musik ist dies wohl die Kunst, welche Stress am besten beherrscht, ein hierarchisches Verhältnis der beiden Kunstformen soll hier jedoch keinesfalls impliziert werden. Stress gilt als erfolgreichster Rapper der Schweiz. Für das Schuhlabel Navyboot (auch dieses Logo bekommt einen Auftritt via Beamer) hat er eine Kollektion designt, dem Detailriesen Coop diente er als Gallionsfigur einer Nachhaltigkeitskampagne. Der Badboy als Gutmensch.
Doch auch live weiss Stress, was das Publikum von ihm erwartet. Zwischen den Stücken parliert er fröhlich in einem Sprachengemisch aus Französisch, Deutsch, Schweizerdeutsch und Englisch. Er holt eine junge Frau, Laila, zum Tanzen auf die Bühne, es folgt eine rührenden Szene. Laila gesteht dem Rapper unter Tränen «Du bisch mi gröschte Star». Zuvor hat er schon einen kleinen Jungen in den Massen erblickt und gefragt «Bischt du zu kliii?», der Junge darf den Rest des Konzertes vom Bühnenrand aus verfolgen.
Was die Leute auch lieben, ist, wenn ihrem Helden ein passender Sidekick zur Seite gestellt wird. Auf der Leinwand erscheinen Bilder aus alten Batman-Comics (ein Rechtfertigungsversuch für die schwarzen Strumpfhosen?), Robin ist auch da. Der Sidekick an diesem Abend heisst Bastian Baker, ist süss, gut gebaut und wohl das, was in der Schweiz am ehesten dem Begriff «Teenieschwarm» entspricht. Baker, er wird die Bühne an diesem Abend noch viele weitere Male betreten, und Stress haben zusammen ein Album gemacht und sind sowieso «Fründe» wie sie beide nicht müde werden zu betonen.
Solider Pop, wie gemacht für Partys
Stress versteht es, die Leute zum Feiern zu bringen. Sie tanzen, akzeptieren die ganzen Mitmacheinlagen, jubeln und kreischen und schreien. Die Musik ist solide produzierter Pop, tanzbar, wie gemacht für Partys. Elektronische Beats pumpen hart, süsse Synthiemelodien scharwenzeln herum, Karolyn liefert den genretypischen Hintergrundgesang und ist das optische Pendant zu Bastian Baker.
Ganz zum Schluss, als finale Einlage, kündet Stress einen Song von seinem ersten Album «Billy Bear» an. Dies sei für seine Fans der ersten Stunde, die ihn seit zehn Jahren begleiten. Da und dort machen ein paar solcher Fans mit gestreckten Armen auf ihre «realness» aufmerksam. Die meisten Kopfnicker der frühen Tage sind jedoch inzwischen wohl kopfschüttelnd vom Stress-Party-Shopping-Bummelzug abgesprungen.