Warum das Theater Basel zur Kulturstadt macht

Die Kulturstadt Basel hat in den letzten Wochen überregional und international für Schlagzeilen gesorgt. Dabei beschränkte sich der Blick auf die Kunst- und Museumslandschaft, obwohl man sich letzte Woche einmal mehr davon überzeugen konnte, dass Basel eine grosse Theaterstadt ist.

Selbst ist die Frau: Violetta (Corinne Winters) schaufelt in der Basler «Traviata»-Inszenierung ihr eigenes Grab. (Bild: Sandra Then)

Philippe Bischof ist seit ein paar Wochen nicht mehr Basler Kulturchef. Das hindert ihn aber nicht daran, auf Twitter einen Hinweis zu platzieren, wenn seine ehemalige Kulturstadt wieder einmal international für positive Schlagzeilen sorgt:

In einem schwärmerischen Reisebericht fragt sich die Berliner TaZ, «warum Basel eine Kunststadt ist». Und findet die Antwort wie so viele bei den superreichen Mäzenen, bei den vielen herausragenden Kunstmuseen und auch bei einer prosperierenden Off-Szene.

Mit keinem Hinweis würdigte Bischof einen Bericht der «NZZ am Sonntag» vom 1. Oktober. Dort sieht man «Basel in der Krise». Und erklärt den ehemaligen Kulturchef zum Mitverantwortlichen dafür: «Wieso man da mit Philippe Bischof jemanden zum Kulturchef machte, der vom Theater kam, ist schleierhaft.»

So unterschiedlich diese Betrachtungen auch sind, beide Berichte dampfen Basel zur Kunst- und Museumsstadt ein. Und blenden aus, dass Basel auch als Theater- und Musikstadt glänzt. Wie sehr, dass haben wir mit vier Theaterbesuchen in der vergangenen Woche herauzufinden versucht.

Die berührendsten Operntode

Beginnen wir bei der Oper. Nirgendwo sonst wird so berührend und emotionsgeladen gestorben wie im Musiktheater. Letzte Woche zogen drei Bühnentode und die bedrückenden Geschichten darum herum das Publikum in den Bann.

«Lamento» von einst und jetzt im «Gare du Nord».

Am Donnerstag war Saisonauftakt im «Gare du Nord» mit der Verschmelzung von zwei Opern, deren Entstehungszeiten 400 Jahre auseinanderliegen: «Orfeo» von Claudio Monteverdi (1607) und «Luci mie traditrici» des Gegenwartskomponisten Salvatore Sciarrino (1988). Die Trauergesänge des Orfeo, der seine geliebte Euridice gleich zweimal an die Unterwelt verliert, sind etwas vom Berührendsten, was die gesamte Opernliteratur hergibt. Das lässt sich bei Sciarrinos Grafen Malaspina nicht sagen. Beklemmend ist der bessere Ausdruck für die Art, wie hier der Eifersuchtsmord mit beinahe nur noch gehauchten Klängen untermalt wird.

Inhaltlich wollen wir den Abend hier nicht weiter kommentieren, weil dem Schreibenden wegen seiner Mitgliedschaft im Vorstand die nötige Distanz fehlt (und alle Vorstellungen eh ausverkauft sind). Bemerkenswert ist aber, wie hier die Musikstadt Basel einmal mehr ihre Stärken in der Alten und Neuen Musik unter Beweis stellen konnte.

Ganz oben auf der Beliebtheitsskala

Aber wenn wir schon einmal bei den berührendsten Opern-Toden sind, dann darf Verdis «La Traviata» natürlich nicht fehlen. Der Moment, wenn die Lebensgeister der an Tuberkulose erkrankten Edelkurtisane Violetta erlöschen, gehört zu den Highlights der Opernliteratur schlechthin. Wie auch die Oper als Ganzes, die in der ewigen Bekanntheits- und Beliebtheitsskala ganz oben steht.

«La Traviata» steht nun seit Samstag auf dem Spielplan des Theater Basel. Und es deutet alles darauf hin, dass diese Koproduktion mit der English National Opera in London zum Renner wird. Musikalisch präsentieren sich das Sinfonieorchester Basel unter der Leitung von Titus Engel, die drei Hauptdarsteller (Corinne Winters als Violetta, Pavel Valuzhyn als ihr Liebhaber Alfredo und Ivan Inverardi als böser Vater Germond) sowie der Chor in Höchstform. Das Premierenpublikum zeigte sich fast einhellig begeistert.

Fast einhellig, denn für die Regie gab es einen einsamen Buh-Ruf, der im Applaus aber unterging. Dabei brauchen sich vor Daniel Kramers Inszenierung auch Opernpuritaner nicht zu fürchten. Erzählt wird nicht mehr als die eigentliche Geschichte, ohne aufgesetzte Aktualisierung, ohne ironischen Unterton. Dies aber so stringent und schlüssig, dass auch Freunde des Regietheaters auf ihre Kosten kommen – wenngleich vielleicht etwas gar oft frontal an der Rampe gesungen wird.

Bemerkenswert ist, wie die Inszenierung Violetta niemals als Opfer oder als Flittchen erscheinen lässt. Als Kurtisane erscheint sie lediglich in der Spiegelung durch die erbärmliche, vergnügungssüchtige Gesellschaft. Von Anfang bis zum Schluss ist Violetta eine starke und mutige Frau, die ihr Leben selbst in die Hand nimmt. Das geht so weit, dass sie am Ende sogar ihr eigenes Grab schaufelt. So etwas trifft mitten ins Herz.

Weisses Kaninchen aus dem Techno-Hut

Weiter gehts auf der Theatertour im Roxy und in der Kaserne. Mitten ins Herz treffen die hier besuchten Uraufführungen nicht. Entsprechendes war aber sicher auch nicht die Absicht der Theatermacher.
«Follow the White Rabbit» lautet die titelgebende Aufforderung der Truppe Yuri 500 (Baselland), die im Theater Roxy auftrat. Versprochen wurde «eine Erfahrungswelt, die der Selbstverständlichkeit der Dinge auf den Grund geht und sich mit den ZuschauerInnen als wahrnehmende Menschen auseinandersetzt» – eigentlich doch eine Selbstverständlichkeit im Theater.

Viel Technik, viele Effekte, aber wenig Inhalt: «Follow the White Rabbit» von Yuri 500.

Zu sehen bekam man eine szenische Installation, die ganz auf technische ausgeklügelte audiovisuelle Effekte setzte und diese letztlich auch zum Inhalt erklärte. Viel mehr als ein paar überraschende Zaubereffekte mit Licht und Ton blieben dabei schliesslich nicht übrig. Ein weisses Kaninchen aus dem Techno-Hut, wirklich abendfüllend ist so etwas nicht.

Stand-up-Comedy ums schnöde Geld

Einen ganz anderen Weg ging die griechisch-schweizerische Ad-hoc-Truppe, die im Rahmen des Festivals Culturescapes zum Schwerpunkt Griechenland ein transkulturelles Theaterprojekt zum Thema Geld kreiert hat. «Money Piece I (Comedy)» heisst es.

Reden wir über Geld: «Money Piece I (Comedy)».

Formelle oder technische Perfektion standen für den Basler Theatermacher Marcel Schwald und für seine vier Performer sicher nicht im Vordergrund. Und auch nach inhaltlich stringenten Aussagen muss man in diesem Projekt, das sich von der Stand-up-Comedy zur chaotischen Casting Show emporschaukelt, erst einmal suchen. Doch der anderthalbstündige Theaterabend ist in einer hintersinnig-verschrobenen Art unterhaltsam. Nicht viel mehr, aber auch nicht weniger.

«La Traviata» bleibt bis Februar 2018 auf dem Spielplan des Theater Basel. Die verbleibenden Vorstellungen von «Lamento» vom 23, und 24. Oktober im Gare du Nord sind ausverkauft.  «Follow the White Rabbit» im Theater Roxy ist abgespielt. «Money Piece I (Comedy)» läuft noch am 24., 25. und 27. Oktober in der Kaserne Basel.

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