Museen bauen weltweit aus und setzen auf schöne Hüllen. Drinnen allerdings wartet die wirkliche Herausforderung: Die Ankunft in der digitalen Gesellschaft. Schlaue Gadgets und bessere Vermittlung wären notwendig, aber das Geld wird knapper. Das gilt auch für Basel.
Wer in zehn Jahren nach Basel reist, dem wird sich eine veränderte Museumslandschaft präsentieren. Der Erweiterungsbau des Kunstmuseums wird dann bereits ein etabliertes Haus sein, die Fondation Beyeler wird Terrain dazugewonnen haben, das Naturhistorische Museum sich beim Bahnhof St. Johann eingenistet und der altehrwürdige Berri-Bau vielleicht gerade wieder die Statuen und Vasen des Antikenmuseums beherbergen.
Der Wandel dürfte sich aber auch in den Innenräumen vollzogen haben. Denn die Museen müssen sich nicht nur mit räumlichen, sondern vor allem auch mit gesellschaftlichen und finanziellen Veränderungen auseinandersetzen.
Welche Aufgaben haben sie also in einer beschleunigten, vernetzten, globalisierten Welt? Diese Frage treibt bei Weitem nicht nur Basler Museen um, sondern weltweit alle Institutionen – ob staatlich oder privat.
Welche Aufgaben hat ein Museum?
Was ist ein Museum? Die meisten Menschen denken dabei an Kategorien, wie man sie aus deren Geschichte kennt: Museen bewahren eine Sammlung bedeutsamer Objekte auf, erforschen diese, kategorisieren sie und vermitteln sie der Öffentlichkeit in temporären oder Dauerausstellungen.
In den letzten paar Jahren haben die meisten Museen erkannt, dass es nicht mehr genügt, nur ein Hort der Beständigkeit zu sein. Das Publikum ist nicht nur zahlreicher, sondern auch anspruchsvoller geworden – und breiter. Dieser Entwicklung muss Rechnung getragen werden. Längst finden nicht nur jene Besucher den Weg in die Museen, die sich in Ruhe der Kontemplation der ausgestellten Werke hingeben möchten. Zu ihnen hat sich eine Gesellschaftsgruppe gesellt, die unterhalten sein will.
Und so kommt es, dass ein Vater sein Kind vor dem Eintritt ins Antikenmuseum gewohnheitsmässig warnt, dass es nun ruhig zu sein habe, weil man ein Museum betritt – nur um kurz danach fast umgerannt zu werden von Kindern, die auf wilder Schatzjagd mit Karte in der Hand dem nächsten Hinweis in ihrem Spiel nachrennen. Es mag sich nun der eine über den anderen ärgern, oder der andere über den einen: Doch beide haben ihre Berechtigung.
Museen versuchen sich weltweit gegenseitig zu übertrumpfen durch die architektonische Hülle, die sie sich schaffen.
Museen sind zum Massenphänomen geworden. Das zeigt sich nicht nur alljährlich in Basel an der Museumsnacht, sondern weltweit in einem Boom der Institutionsform Museum. Überall werden neue Häuser gebaut, sei es der von Jean Nouvel geplante Komplex in Abu Dhabi auf der Insel Saadyiat, der unter anderem einen Ableger des Louvre beheimaten soll, oder das von Herzog & de Meuron entworfene M+Museum in Hongkong, das ab 2018 das bedeutendste Museum für chinesische Kunst sein möchte. Diese Bauten haben etwas gemeinsam: Sie versuchen sich gegenseitig zu übertrumpfen durch die architektonische Hülle, die sie sich schaffen.
Was in Bilbao funktioniert hat, so erhofft man sich, funktioniert auch anderswo: Dass man durch spektakuläre Museumsbauten wie Frank O. Gehrys Guggenheim-Museum einer ganzen Region Aufwind verschaffen kann. Angetrieben wird dadurch hauptsächlich der Tourismus. Und so wird auch der Erweiterungsbau des Kunstmuseums in Basel dafür sorgen, dass vermehrt Neugierige ans Rheinknie reisen, um sich den neuesten Museumsbau der Schweiz anzusehen. Doch was, wenn der Reiz des Neuen verflogen ist?
Dann, das weiss auch der Basler Tourismusdirektor Daniel Egloff, muss der Reiz zunächst einmal durch sehenswerte Sonderausstellungen ersetzt werden. Dass dies wirken kann, zeigt die Statistik: Seit die Fondation Beyeler die Basler Museumslandschaft mit hochkarätigen Ausstellungen ergänzt, sind die Tourismuszahlen stetig gestiegen.
Sonderausstellungen alleine reichen nicht
Also reicht es, fleissig Sonderausstellung um Sonderausstellung zu konzipieren? Leider nein. Museen müssen die Nähe zum Publikum auch auf anderen Ebenen suchen, um bestehen zu können.
Denn einerseits ist das Ausrichten wirklich guter Sonderausstellungen eine äusserst kostenintensive Angelegenheit, die sich bald einmal auch die erfolgreichen Museen kaum mehr werden leisten können. Durch die Einnahmen allein lassen sich die Ausgaben schon lange nicht mehr decken. Selbst die Fondation Beyeler kämpft als erfolgreichstes Museum der Schweiz mit den Zahlen. Ein Grossteil der modernen Museumsarbeit besteht deswegen in der Akquisition neuer Gelder. Und wenn man in Basel so wie aktuell darüber diskutiert, ob der Eintritt in die Dauerausstellungen der staatlichen Museen künftig nicht nur in der letzten Öffnungsstunde an Werktagen und am ersten Sonntag im Monat kostenfrei sein soll, so will dafür ein genauer Finanzierungsplan ausgearbeitet sein.
Museen werden heute mehr und mehr wie Unternehmen geleitet. Noch ist der Kurator wichtiger als der Geschäftsführer, doch möglicherweise dreht dies bald. Denn auch Museen werden stärker nach Rentabilitätskriterien beurteilt – selbst die staatlich subventionierten Häuser. Auch für Ankäufe ist kaum mehr ein Etat vorhanden – obwohl das aktive Sammeln immer noch zur Kernaufgabe eines Museums zählt.
Globale Strategien gefragt
Neben der Suche nach Sponsoringgeldern sind deshalb auch andere Finanzierungsmodelle gefragt. Doch globale Strategien gibt es noch kaum. Dabei böten sich beispielsweise dauerhafte nationale und internationale Partnerschaften unter Museen an, um Synergien zu nutzen, etwa in Bezug auf Leihanfragen oder bei der Ausarbeitung ganzer Ausstellungen.
Gleichzeitig gilt es etwas nicht zu vernachlässigen: Ein Museum muss sich ein Profil schaffen oder es schärfen. Gerade für kleinere Museen ist dies unerlässlich, um sich von der Konkurrenz abzuheben. Und kleinere Museen besitzt Basel viele: Fast 40 Museen werben in und um die Stadt um Publikum. Und sie alle haben nur ein Ziel: Ihre Inhalte – ob kostenintensiv präsentiert oder nicht – einem interessierten Publikum zu vermitteln.
In Basel werden Zukunftsstrategien auf verschiedenen Ebenen diskutiert, sagt Eva Keller, Leiterin Museumspolitik in der Abteilung Kultur des Präsidialdepartements: In Workshops oder Tagungen mit privaten wie öffentlichen Museen, in der Museumsdirektorenkonferenz und der Verwaltungsleiterkonferenz der staatlichen Museen und im regelmässigen Gespräch zwischen dem Leiter der Abteilung Kultur und den Museumsdirektionen sowie -kommissionen. Wie die Museen die Ideen dann umsetzen, liegt jedoch in ihrer eigenen Kompetenz. Diese Eigenständigkeit soll auch mit der Museumsstrategie, die aktuell ausgearbeitet wird und im Herbst dem Regierungsrat vorgelegt werden soll, betont werden.
Grösste Herausforderung: Die Vermittlung
Neben den finanziellen Fragen liegt in der Vermittlung für die Institutionen die grösste Herausforderung. Keinesfalls dürfen sie die Trends verschlafen oder sich ihnen gar verschliessen.
Die alte Texttafel hat ausgedient: Mittels Tablet können weitaus mehr Informationen abgerufen werden. (Bild: Youtube/Gallery One/Cleveland Museum of Art)
Ein Museum muss heute zu einer Plattform werden, die auch gegen aussen auf sich aufmerksam macht – deshalb auch die seit ein paar Jahren erfahrbare Vorliebe für auffällige Museumsarchitekturen. Events wie das «Chillen im Museum», welches das Naturhistorische Museum Basel seit ein paar Jahren regelmässig durchführt, sind nur ein Mittel, um ein neues Publikum anzuwerben.
Immer wichtiger wird das Internet. Zwar wird kaum einer behaupten, dass er die Mona Lisa nicht mehr im Original sehen will, weil ihm die digitale Reproduktion genügt – doch seine Sammlung ganz oder zumindest teilweise im Netz präsentieren zu können, gehört heute fast zum Standardprogramm. Trotzdem wird das Sinnliche, das ein Museum bietet, immer nötig bleiben. Das virtuelle Museum aber ist auch deshalb wichtig, weil ein Museum kaum je fähig sein wird, die ganze Sammlung gleichzeitig zu zeigen.
Der Computer als Hilfsmittel
Durch die digitalen Medien können auch Ausstellungen sinnvoll erweitert werden, etwa durch Multimedia-Tische, auf denen sich die Besucher nicht nur Informationen abholen können, sondern aktiv teilhaben. Die Fondation Beyeler hat in der letztjährigen Gauguin-Schau interaktive Bücher ausprobiert, in denen man blättern konnte – was sich als attraktives Gadget rausstellte. Die Ausstellung, bislang ein vorwiegend visuelles Erlebnis, erhielt dadurch eine haptische Komponente.
Gerade bei historisch gewachsenen Sammlungen ist es wichtig, dass überlegt wird, wie diese medial ansprechend vermittelt werden können. Museen sollen lebendig sein, nicht nur Archiv. Objekte selber sprechen nicht (oder nur beschränkt) – sie brauchen eine Kontextualisierung, die bestenfalls bereits im Prozess des Sammelns hergestellt wird. Dieser Kontext kann durch digitale Hilfsmittel transparent gemacht werden.
Damit würde auch die Forschung eines Museums verstärkt in den Publikumsfokus gerückt und würde man auch dem Bildungsanspruch gerecht, den gerade staatliche Museen auch noch zu erfüllen haben, und Investitionen wären dadurch zudem für eine grössere Zahl von Menschen nachvollziehbar. Ein Trend geht hier auch in Richtung Partizipation: Manchmal weiss der Besucher mehr über ein ausgestelltes Objekt als das Museum – sein Wissen könnte über digitale Plattformen angezapft werden.
Bewusst machen muss man sich auch die rasante Entwicklung der technischen Möglichkeiten. Wer als Museum up to date bleiben will, muss dies ohne Unterlass tun – und kostenlos ist das auch nicht zu haben. Es reicht bereits nicht mehr, die Website regelmässig zu aktualisieren und in den gängigen sozialen Netzwerken wie Facebook, Twitter oder Instagram präsent zu sein. Das Publikum will heute vor, während und nach dem Ausstellungsbesuch informiert sein.
Hier kommen die Smartphones zum Zug: Über Apps können nicht nur Informationen geladen werden, sondern können Museumsbesucher gegeneinander ein Quiz zur Ausstellung spielen oder sich Ausstellungstexte vorlesen lassen. Gibt es alles schon, zum Beispiel in Berlin.
Viele der heutigen Museumsbesucher wollen etwas erleben. Spielerische Elemente sprechen deshalb nicht nur Kinder an: Das Historische Museum Basel hat gerade ein Onlinespiel zum Merianplan entwickelt, das durch das von der Pestseuche geplagte Basel des frühen 17. Jahrhunderts führt. Und mittels Augmented-Reality-Brillen könnten Besucher künftig in vergangene Zeiten eintauchen oder Museumsrundgänge auf virtuelle Art erleben.
Die Welt verändert sich rasant, und das gilt auch für die Museen. Noch sind die meisten Häuser von den neuesten Entwicklungen weit entfernt. Doch sie werden sich zwingend umorientieren müssen, um zu bestehen. Ein Stück weit weg bewegen von der einst reinen Kontemplation, hin zu mehr Interaktion.
Dabei dürfen sie aber ihre alte Stammkundschaft auch nicht vergessen: Denn auch heute noch gibt es diejenigen Menschen, die ein Museum um der Entschleunigung willen besuchen. Auch ihnen muss man gerecht werden. Und hier, in diesem Spagat, liegt die wahre Herausforderung verborgen.