Was für ein Trip! In Hieronymus Boschs Garten der Widerwärtigkeiten

Hieronymus Boschs «Der Garten der Lüste» ist das verrückteste Wimmelbild der Welt. Und gibt auch nach 500 Jahren immer noch Rätsel auf.

Was hier wohl alles erzählt wird? Ausschnitt aus dem Paradies, aus der Mitte des Triptychons.

Auch nach 500 Jahren ist uns immer noch nicht klar, was Hieronymus Bosch mit seinem verrückten Wimmelbild «Der Garten der Lüste» eigentlich sagen wollte. Gut so!



Auf dieser interaktiven Webseite ist alles vereint, was man gemeinhin über den «Garten der Lüste» weiss. Reinklicken!

Man stelle sich vor: Ein Künstler in seinen besten Jahren sitzt zu Hause in ’s-Hertogenbosch südöstlich von Amsterdam und zieht sich getrockneten Stechapfel rein. Es ist eine aufregende Zeit, das 15. schwappt ins 16. Jahrhundert hinein, vom Mittelalter in die verheissungsvolle Renaissance. Alles steht unter dem Zeichen der Erneuerung: Humanisten holen die klassischen Vorbilder hervor und versuchen sich im idealen Menschsein, Martin Luther plant die Reformation und die Syphilis produziert fleissig fatale Schleimhautgeschwüre. 

Die Zeit ist reif, um Grosses zu schaffen, und niemand weiss das besser als dieser Künstler, der im Stechapfeldunst skurrile Visionen empfängt: Menschenfressende Vögel, Schweine mit Nonnenhaube, Teufelskreaturen, die mit ihren Zungen über mit Tonleitern bedruckte Hintern fahren, und baumartige Menschen, deren Körper feinwandige Häuser sind, in denen dunkle Wesen dinieren.

Stechapfelträume oder Fantasie? Beides ist plausibel.

Stechapfelträume oder Fantasie? Beides ist plausibel.

Willkommen im Universum von Hieronymus Bosch, willkommen im «Garten der Lüste», dem absonderlichsten Bild, das uns das 16. Jahrhundert hinterliess. Sobald sich die letzten Höllengeschöpfe aus seinem System verabschiedet hatten, machte sich der niederländische Künstler ans Werk und bannte sie auf drei Holztafeln, die er zu einem Triptychon zusammenfügte.

Andachtsbild? No way

Mit einem anbetungswürdigen Altarbild hat das absonderliche Ding herzlich wenig zu tun: Kein Gläubiger, der noch alle Tassen im Schrank hat, würde sich jemals dazu verleiten lassen, dieses Bild andächtig zu betrachten. Obwohl die Darstellungen durchaus religiöse Geschichten erzählen: Links die Schöpfungsgeschichte, Adam und Eva, die mit Gott (in Gestalt Jesu) am Weiher rumhängen, vor rosa Lebensbrunnen und hübschen Tieren. In der Mitte das Paradies mit sich vergnügenden Menschen, Tieren und jeder erdenklichen Mischung dazwischen. Rechts dann die Hölle mit besagter Schweinenonne und anderem Getier.



Was hier wohl alles erzählt wird? Ausschnitt aus dem Paradies, aus der Mitte des Triptychons.

Was hier wohl alles erzählt wird? Ausschnitt aus dem Paradies, aus der Mitte des Triptychons.

Wer bei dieser verrückten Vielfalt jetzt an Blasphemie denkt, der liegt wohl falsch. Bosch war ab 1488 bis zu seinem Tod 1516 Teil von «Unserer Lieben Frau», einer mondänen Bruderschaft, die über beste Kontakte zum Adel und den städtischen Eliten verfügte. Hier fand der Niederländer auch die meisten seiner Auftraggeber, die sich nur allzu gerne von gemalten Widerwärtigkeiten bespassen liessen. Was denn auch die Funktion dieses Triptychons erklären würde. 

Ganz so sicher kann man sich bei Bosch aber nie sein. Über seine Bilder sind kaum Informationen erhalten, der Künstler selbst hat keine Aufzeichnungen hinterlassen. Was letztlich auch schön ist, schliesslich erzählt das dreiteilige Meisterwerk selbst mehr als genug.

Leider sieht man in einem Bild selten die Umstände, unter denen es entstanden ist. Das ist im «Garten der Lüste» nicht anders: Ob Bosch die irrwitzigen Szenen tatsächlich im Rausch gesehen hat, wird wohl für immer unserer Vorstellung überlassen sein. Was telegene Fans nicht davon abhält, sich in Youtube-Kanälen darüber den Kopf zu zerbrechen:

Eine einleuchtende Erklärung wäre der Stechapfel allemal. Und Anlass für ein längst überfälliges Wortspiel: «Hieronymus Bosch – the man who puts the ‹trip› into ‹triptychon›.»

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Und was den mit Tonleitern bedruckten Hintern angeht: Eine amerikanische Studentin hat sich 2014 gefragt, wie das gedruckte Stück klingt. Hier kann man sich den musikalischen Hintern anhören.

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