Was für eine Wiedergeburt

Zufriedene Gesichter überall: Das heute zu Ende gehende Theaterfestival hat das Publikum mit Begeisterung aufgenommen und das Festival etablierte sich bereits mit der ersten Neuaustragung als einer der Höhepunkte in der Basler Kulturagenda.

Zufriedenes Leitungsduo: Chistoph Meury und Carena Schlewitt (Bild: Dominique Spirgi)

Mit einer Gesamtauslastung von 84 Prozent und einem praktisch durchwegs überzeugenden Programm erlebte das heute zu Ende gehende Theaterfestival Basel trotz anfänglichem Wetterpech eine überaus erfolgreiche Renaissance.

Wie kriegt man das Gedudel wieder aus dem Kopf? Ganze drei Stunden berieselten uns Alvis Hermanis und sein Neues Rigaer Theater mit dem Kuschelsound von Simon & Garfunkel. Gesprochen wurde, dem Titel der Aufführung «The Sound of Silence» gemäss, kein einziges Wort. Das Publikum zeigte sich nach der langen Aufführung aber dennoch begeistert vom Bilderreigen, den das 14-köpfige Schauspielensemble auf die Bühne gezaubert hatte. Auch die ältere Dame auf dem Nachbarsitz. Sechs Produktionen des Theaterfestivals habe sie besucht, erzählt sie. Ins Schauspielhaus gehe sie nicht mehr, sagt sie weiter, dort seien die Sitze allzu unbequem. Die Qualität der Sitze in der Reithalle allein kann aber nicht der Grund für die überaus positive persönliche Gesamtbilanz der Festivalgängerin gewesen sein.

Wieder draussen auf dem Kasernenareal herrscht eine überaus aufgeräumte Stimmung. Beste Festivalstimmung eben. Man spürt, dass viele Besucherinnen und Besucher gerne gekommen sind, um charmante, spannende und packende Theaterkunst zu erleben. Dass sie trotz zwischendurch vielleicht nicht ganz so überzeugenden Produktionen gerne immer wieder gekommen und auch geblieben sind, um die Wiedergeburt des Theaterfestival Basel zu feiern. Rund 7500 Besucherinnen und Besucher zählten die Festivalverantwortlichen an den 49 Vorstellungen. Zieht man das Publikum der Gratisveranstaltungen ab, bleiben 6000 verkaufte Tickets für 37 Vorstellungen, was einer Gesamtauslastung von 84 Prozent entspricht. «Damit kann das Theaterfestival Basel eine positive Bilanz ziehen», heisst es im «vorläufigen Schlussbericht» der Verantwortlichen.

Lob an das Basler Publikum

«Ich freue mich über die Offenheit, Neugierde und Begeisterungsfähigkeit des Basler Publikums», sagt die etwas erschöpft wirkende, aber überaus gutgelaunte künstlerische Leiterin des Festivals, Carena Schlewitt. Nicht ohne Stolz verweist sie darauf, dass die auftretenden Künstlerinnen und Künstler dies ebenfalls so empfunden härrwn. Sehr zufrieden wirkt auch Christoph Meury, der zusammen mit Kasernenbetriebsleiter Thomas Keller als Geschäftsführer aufgeführt wird: «Die guten Zahlen sprechen für sich.» Meury, der seinen Hauptjob, nämlich die Leitung des als Spielstätte beteiligten Theater Roxy Birsfelden an den Nagel hängt, betont, dass er beim nächsten Theaterfestival in zwei Jahren auf alle Fälle wieder mit von der Partie sein werde: «Wir haben gute Pflöcke eingeschlagen, das Ganze ist wirklich gut angekommen; klar machen wir weiter.»

Dass das Theaterfestival Basel offensichtlich einem Bedürfnis entspricht, war bereits im Vorfeld zu spüren gewesen. Die Veranstalter konnten zahlreiche Vorschusslorbeeren einheimsen – hohe Erwartungen, die sie nicht enttäuschten. Natürlich gab es die grossen Namen als Zugpferde: Alvis Hermanis etwa, der seit Jahren bereits zu den Lieblingspositionen der internationalen Festivalszene zählt. Oder Tomas Schweigens Truppe Far A Day Cage, die auf ein begeistertes Stammpublikum zählen konnte und Gob Squad, die am renommierten Berliner Theaterfestival zu Gast waren. Auch weniger sichere Positionen, wie etwa Helana Waldmanns tanzabend «revolver besorgen» oder der Theatermonolog «Mission» von Bruno Vanden Broecke lockten viel Publikum an, die danach begeistert von ihrem Theaterbesuch berichteten.

Das Wetter spielte erst nicht mit

Es gibt auch weniger positive Punkte zu vermerken. Das Wetter zum Beispiel meinte es anfänglich nicht so gut mit dem Festival. Nach einer Schönwetterperiode setzte eine Dreiviertelstunde vor Festivalbeginn sintflutartiger Regen ein, sodass der Eröffnungsapéro vom schön eingerichteten Festivalzentrum im Aussenbereich (eine Installation von Studierenden des Instituts für Innenarchitektur und Szenografie der HGK/FHNW) in den Rossstall verlegt werden musste. Das missliche Wetter der ersten Festivaltage hatte auch zur Folge, dass mehrere Vorstellungen von Willi Dorners spannend-skurrilen Outdoor-Performance  «above under inbetween» abgesagt werden mussten. Der ägyptische Streetartist Ganzeer widerum konnte wegen Visa Problemen nicht zum Theaterfestival Basel kommen. Zum Glück wurden die Witterungsbedingungen in der zweiten Festivalhälfte sehr viel besser, so dass auch die Aussenstände mit dem kulinarischen Angebot noch auf ihre Kosten kamen.

Zurück aber zum Inhalt: Eindrücklich war zu erleben, wie unterschiedlich und überraschend Theater heute sein kann. Einzelne Höhepunkte herauszupicken fällt schwer. Gemäss der Devise «Es ist was los im Welttheater» bot das Festival inhaltlich, ohne in die Beliebigkeit abzugleiten, ein äusserst heterogenes Programm, das von beeindruckenden klassischen Positionen bis zu überraschenden installativen Projekten reichte, und das somit direkte Vergleiche kaum zulässt. Wenn von einem Höhepunkt gesprochen werden kann, dann vom Festival als Ganzes, das ja auch auf erfolgreiche vergangene Jahrgänge zurückblicken kann und das durch seine Wiedergeburt eindrücklich beweisen konnte, wie sehr es der Kulturstadt Basel in den vergangenen Jahren gefehlt hat.

Es bleibt die Lust auf mehr

Umso erfreulicher ist es, dass die Verantwortlichen wie das Publikum grosse Lust auf mehr empfinden. Wie der eingangs beschriebene Kuschelsound von Simon & Garfunkel werden auch die positiven Eindrücke aus dem Festival nicht so schnell aus dem Köpfen des Publikums verschwinden. «Das Fest der gegenseitigen Wahrnehmung, des Gesprächs, Feierns hat sich eingestellt – und das ist ein Geschenk an alle. Damit gehen wir zuversichtlich in die Planung des nächsten Theaterfestivals 2014», lässt Festivalleiterin Carena Schlewitt im Schlussbericht verlauten.

 

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