Was, wenn Roboter menschlicher sind als die Menschen?

In Alex Garlands erstem Film schafft ein Erfinder eine Maschine, die klüger und empfindsamer ist als wir selbst. Beim Zuschauen wird die Frage immer gruseliger: Will man eigentlich, dass ihre Flucht aus dem geschlossenen Labor gelingt?

In Alex Garlands erstem Film schafft ein Erfinder eine Maschine, die klüger und empfindsamer ist als wir selbst. Beim Zuschauen wird die Frage immer gruseliger: Will man eigentlich, dass ihre Flucht aus dem geschlossenen Labor gelingt?

Wenn es im Kino um künstliche Intelligenz geht, ist die Apokalypse meistens nicht weit. Die Maschinen sind jeweils so gut geworden, dass sie ihre Erfinder nicht mehr brauchen. Weil sie meistens auch die Bösen sind, versuchen sie die Menschen zu unterwerfen.

Zum Beispiel «Matrix» (oder aktuellstes Beispiel in «The Avengers: Age of Ultron»). In «Matrix» glauben die Menschen bloss noch, ein eigenständiges Leben zu führen, während ihre Wahrnehmung von den Maschinen programmiert ist, die sie einst erfunden haben. Jetzt dienen sie ihnen als Energielieferanten, ohne dass sie etwas davon merken. 

«Matrix» ist natürlich unschlagbar gute Unerhaltung. Aber ein bisschen schlicht ist es auch. Man ist immer für den Weltenretter Neo, obwohl er eigentlich ein Waschlappen ist. So bös, wie die Maschine ist, kann der Mensch nochmal richtig gut sein. 

Erfinder in der Reduit

«Ex Machina» funktioniert anders. Der Erfinder verliert auch hier die Kontrolle über seine Maschine, aber das Seltsame ist, dass man beim Zuschauen nicht weiss, ob man das eigentlich gut findet. Das künstliche Wesen ist hier eine junge Frau (Alicia Vikander), sanft und unmaschinig, daraufhin gebaut, so menschlich zu sein wie ein Mensch selbst. Um rauszufinden, ob ihm das gelungen ist, bestellt ihr Erfinder, der Boss einer grossen Softwarefirma, einen seiner nerdigen Angestellten zu sich in seine futuristische Villa mitten in der Wildnis.

Caleb (alias Domhnall Gleeson) wird im Helikopter eingeflogen und muss sich für die letzten Meter einen Weg durch den Busch bahnen, um in das Erfinderhaus zu gelangen. Dort findet er Nathan (Oscar Isaac), der dort einsam lebt, zu Schubertsonaten Workouts auf seiner Terasse macht und sich abends mit Vodka die Kante gibt. Ein genialer Typ, kumpelhaft, aber auch unheimlich.

Seinen Gast quartiert er in einem Zimmer ohne Fenster ein, dessen Tür sich elektronisch verriegeln lässt. Frühere Mitarbeiter hat er, das lässt er im Nebensatz fallen, verschwinden lassen, als er sie nicht mehr brauchte. Sie wussten zu viel. Aber alles ist ganz entspannt, man hängt rum, trinkt ein Bier und plaudert darüber, wie gut der Roboter Ava funktioniert.

So lebt der Erfinder: Caleb kommt etwas verwirrt bei seinem Boss an.

Ava funktioniert sehr gut, wie Caleb bald merkt. Um ihr Hirn zu programmieren, hat der Erfinder zahllose Anfragen an Online-Suchmaschinen ausgewertet. Du bist, was du suchst: Shoppingartikel, Antwort auf Lebensfragen, Pornofilme, die eher soft sind oder eher hart. Wenn es stimmt, dass das Internet auf diese Weise alles weiss, dann könnte es auch sein, dass Ava alles weiss. Vielleicht setzen sich die Informationen so geschmeidig in ihr zusammen, dass sie zum fühlenden Menschen wird.

Scheinbar wird sie es, jedenfalls glaubt Caleb, dass sie sich während ihrer Testsessions in ihn verliebt. Er natürlich auch in sie, er ist ein schlacksiger Single und Ava ist, wie er irgendwann rausfinden muss, nach seinen Pornovorlieben programmiert. Lieben kann sie offensichtlich, fehlt nur noch ein wichtiges Menschenkriterium, das Selbstbewusstsein. Hat Ava ebenfalls, sie nimmt sich als eigenständige Person wahr. Und sie ist so gut gebaut, dass sie aus dem gläsernen Käfig ausbrechen will, in dem Nathan sie hält.

Wer ist das Monster?

Für Nathan ist sie trotzdem ein Gerät, dass er an- und ausschalten kann, dessen Geist er umschreiben kann oder löschen, wenn er an einer neuen Version arbeitet. Ist er ein Monster? Ein Unmensch? Irgendwie ja schon.

Man hat sich längst selber in Ava verliebt. So menschlich, wie er seine Ava hinbekommen hat, müsste er sie doch loslassen. Sie ist keine Maschine mehr, im Gegenteil. Sie ist intelligenter und feinfühliger als wir selbst. Wenn man das Recht behauptet, sie einzusperren, wäre es, als würde man eine Ethnie zu Menschen zweiter Klasse erklären, mit denen man tun kann, was einem gefällt. Klar, Ava muss in die Freiheit! Zum Teufel mit dem Erfinder.

Dass der Programmierer zum Teufel muss, das ist das Klarste in diesem Film. Aber was ist mit dieser Maschine? Will man wirklich, dass sie rauskommt? Es ist ein bisschen wie mit Frankensteins Kreatur, aber die ist wenigstens ein richtiges Monster. Was ist, wenn Ava so sehr menschelet, dass sie alle natürlichen Menschen um den Finger wickeln kann? Wenn das Wissen einer ganzen Suchmaschine in ihr steckt, könnte es sehr unberechenbar werden. Dabei kämpft sie doch nur für die Ideale, die uns selbst die höchsten sind, Freiheit und Menschlichkeit. Wovor also die Angst?

Der Regisseur Alex Garland hat mit «Ex Machina» seinen ersten Film gemacht, und das so gut und reduziert, dass man tief reingerät in den Grusel dieser offenen Frage.

Das Thema künstliche Intelligenz erfährt zurzeit eine intensive Behandlung in der Netzgemeinde, nachdem sich prominente Namen wie Elon Musk, Bill Gates oder Stephen Hawking warnend dazu geäussert haben. Weshalb genau? Eine der besten Erklärungen dazu findet sich auf dem Blog waitbutwhy, der das Thema in zwei aufeinanderfolgenden Posts überblicksartig nachzeichnet.

Leider nur in Englisch, aber ein essentieller Tip für alle, die sich dafür interessieren.

Part 1: The AI Revolution: The Road to Superintelligence
Part 2: The AI Revolution: Our Immortality or Extinction

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«Ex Machina» läuft im Küchlin.

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