«Was wir an Klingeltönen zu hören kriegen, ist Steinzeit»

Peter Philippe Weiss gibt Unternehmen als Klangdesigner ein akustisches Gesicht. Jetzt will er mit seinen Soundscapes auf die Bühne.

Im Atelier auf dem Dreispitz. Von der Rakete hat Weiss auch eine Knopflochversion. (Bild: Hans-Joerg Walter)

Peter Philippe Weiss gibt Unternehmen als Klangdesigner ein akustisches Gesicht. Jetzt will er mit seinen Soundscapes auf die Bühne.

Sound wird unterschätzt. Klar, das Geräusch beim Kauen von Cornflakes ist kein Zufall. Und bei grossen Autoherstellern kümmert sich ein eigener Mitarbeiterstab um das Geräusch, das beim Zufallen einer Wagentür entsteht. Klingt es satt, dann bist du wer.

Aber alles, was aus Lautsprechern kommt? Da ist das Produktmarketing weit hinter dem visuellen Design hinterher. Findet auch Peter Philippe Weiss. Er wurde darauf aufmerksam, als die Migros in den 80er-Jahren ihr angestaubtes Image mit guten Jingles abstreifte. Als der gelernte, aber talentfreie Geräteelektroniker dann ganz auf die Arbeit am Klang setzte, glaubte er an die Zukunft des Sounds. Es waren grosse Aufträge dabei, Coop und Novartis zählten zu seinen Kunden. Er machte Soundlogos für sie, Klanglandschaften, die man hört, wenn man am Telefon in der Warteschleife sitzt, Jingles für Werbefilme.

Während fünf von zwanzig Jahren lief es richtig gut. Weiss konnte sich gute Anzüge kaufen und setzte aufwendige Projekte um. Er beschallte die Gerbergasse mit 16 Lautsprechern, auf jedem lief ein eigener Kanal. 50’000 Franken hat er dafür aus eigener Tasche gezahlt, «einfach, weil ich wissen wollte, wie das klingt».




(Bild: Hans-Jörg Walter)

«Wir leben noch immer in einer visuellen Kultur.»

Diese Jahre liegen jetzt auch schon wieder eine Weile zurück. Der grosse Klangtrend kam nicht. Warum nicht? «Ich weiss es nicht», sagt Weiss. Eigentlich weiss er es doch. «Wir haben eine Tradition von 30’000 Jahren, Bilder festzuhalten. Klangaufnahmen machen wir erst seit 140 Jahren.» Das Bewusstsein dafür, wie viel jeder über den Klang wahrnimmt, ist bei den Menschen noch nicht angekommen.

An Weiss solls nicht liegen, sein Interesse ist nicht verflogen. Und es gibt viel zu tun. «Handytöne zum Beispiel. Wir haben 2015, aber was wir an Klingeltönen zu hören kriegen, ist Steinzeit.» Und die iPhone-Töne? Die aufsteigende Tonleiter? «Die ist lustig. Aber ich will nicht lustig.» Die zirpende Grille? «Nur eine Aufnahme, kein Design!» Immerhin, der Marimba kann er etwas abgewinnen. «Mit der haben es die Leute von Apple als Erste geschafft, dem Label eine Stimme zu geben.»

Er selber hat Klingeltöne für Siemens entworfen. Gern hat er zum Beispiel diesen:

Was ihn auch wurmt, ist das Geräusch, das ein Lift macht, wenn er ankommt. «Da kann man eine tolle Lobby haben, mit Glas und Stahl und alles, und dann kommt der Lift und macht ein Geräusch», (macht ein Geräusch mit Gesichtverziehen), «und die ganze Lobby ist hin.» Er denkt da vielmehr an den Ton eines Windspiels aus Metall, wenn die Tür aufgeht. Bestenfalls würde das mit der Zeit eine Identität stiften, sodass man wüsste, wenn man den Lift besteigt: Ah richtig, hier bin ich. «Das ist nicht leicht», sagt Weiss, «so ein Klang muss etwas erzählen und darf einem auch nach dem 500. Mal nicht auf den Nerv gehen.»

Jetzt will er die Arbeit am Corporate Sound etwas hintanstellen und mehr Kunst machen. Umkehrung der Reihenfolge. Am 15. Januar startet sein Projekt im Sud, «Träumer» heisst es. 20 Geschichten erzählt er auf der Bühne, die Traum sein könnten oder Realität. Weil: Traum ist spannend, «Traum ist grenzenlos», wie er sagt. Dazu spielt er Klänge ein, die die Geschichten nicht illustrieren, sondern miterzählen. Das lässt viel Platz im Kopf, ungleich mehr als ein Film.

Richtig gern hätte er acht Kanäle auf der Bühne, die er auf diese Weise bespielen könnte. Aber die Technik dafür muss man erst mal zur Verfügung haben. Kein Stress. «Eins nach dem anderen», weiss Weiss. Sein Umgang damit, dass seine Arbeit weniger Menschen bewegt, als sie seiner Meinung nach können müsste, ist entspannt.

Interessant wäre auch der Sound von Videospielen. «Die sind am Progressivsten in der Entwicklung von Geräuschen», sagt er. Warum also nicht einsteigen? Weiss will es purer. «Ich mache die Games – in deinem Kopf!»

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«Träumer»: 15. bis 17. Januar, 19.30 Uhr, Sud, Burgweg 7.

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