Wie sieht Josef Helfenstein, der Direktor des Kunstmuseums Basel, «sein» Museum? Im Video erklärt er uns auf einer Tour durch Haupt- und Neubau, welche Werke ihm besonders wichtig sind – und warum.
Es ist Donnerstag, der 29. September 2016, und Kunstmuseums-Direktor Josef Helfenstein will uns durch sein Museum führen. Eine Stunde haben wir Zeit, was nach viel klingt, es aber nicht ist.
Nicht, wenn man bedenkt, dass das Kunstmuseum über insgesamt drei Häuser verfügt; von diesen schaffen wir prompt nur zwei (das Kunstmuseum Gegenwart lag leider zu weit weg, sorry – obwohl sich Josef Helfenstein da sehr wohlfühlt, wie er erzählt*).
Und auch nicht, weil das, was Helfenstein uns erzählt, so spannend ist, dass es durchaus ausführlich sein darf. Wenn man schon die Gelegenheit hat, sich vom Direktor höchstpersönlich ein paar Werke erklären zu lassen, dann wollen wir das gefälligst ausnutzen.
Vier Gemälde aus vier Epochen hat sich Josef Helfenstein ausgewählt, die seiner Meinung nach exemplarisch für die Sammlung des Museums stehen können. Zu diesen machen wir uns nun auf.
Von den Alten Meistern zu Rothko
Josef Helfenstein hat sich in den vergangenen Monaten mit den Häusern angefreundet und vor allem auch intensiv mit der Sammlung des Museums auseinandergesetzt, die er im Gespräch mehrfach als einzigartig bezeichnet: «Es ist weltweit eine der ganz wenigen Sammlungen, die vom 14. bis ins 21. Jahrhundert reicht ohne Qualitätsbruch.» Man merkt ihm eine gewisse Ehrfrucht an, aber vor allem die Freude und Leidenschaft, mit der er seine Arbeit hier ausübt. Auch an Ideen mangelt es ihm nicht – eher schon an Zeit, wie er gesteht.
So hätte er gerne auf die Eröffnung der Jackson-Pollock-Ausstellung hin einen Raum im Erdgeschoss des Neubaus umgestaltet, muss zwei Tage vorher aber sagen: «Es würde an ein Wunder grenzen, wenn wir das noch schaffen.» Tatsächlich steht am Donnerstagmittag da noch alles in Kisten verpackt. Zuviel anderes stand und steht an – beispielsweise im Untergeschoss, wo er zwei Werke von Frank Stella neu hängen liess.
Wir beginnen unseren Rundgang im Hauptbau, wo Josef Helfenstein uns im ersten Obergeschoss zu einer Madonna von Maerten van Heemskerch führt. Das Gemälde von 1530 ist in jeder Hinsicht einzigartig, wie er uns anschaulich erklärt.
Viele seiner Gedanken kreisen im Moment um die Sammlung und deren Hängung, gesteht er uns beim Weitergehen. Ganz weg vom chronologischen Rundgang will er in der Dauerausstellung zwar nicht, aber dafür in einer Ausstellung, die zu 95 Prozent aus eigenen Beständen bestehen wird, Kunst aus fünf Jahrhunderten in einen Dialog bringen. Trotzdem sagt er: «Wir werden sicher auch sonst probieren, die Leute darauf aufmerksam zu machen, dass man die Sammlung immer wieder neu sehen kann. Aber es braucht daneben auch das Konstante: Die Leute sollen bei gewissen Werken wissen, wo sie sie finden.»
Gefunden haben wir inzwischen die zweite Station unseres Rundgangs, Paul Cézannes «Le Mont Sainte-Victoire vu des Lauves» (1904/06). Warum ihm dieses Bild besonders am Herzen liegt? Darum:
Einen solchen Cézanne könnte das Kunstmuseum sich heute nicht mehr leisten – einen zweistelligen Millionenbetrag müsste man dafür wohl aufwenden, und wie jedes Museum kämpft auch das Kunstmuseum mit einem verschwindend kleinen Ankaufetat. Schenkungen, wie sie in der Tradition des Kunstmuseums glücklicherweise seit jeher üblich waren und sind, werden deshalb auch künftig wichtig bleiben, erklärt Helfenstein, bevor uns eine Schulklasse aus dem Saal verscheucht.
Wir klettern eine weitere Treppe hoch ins zweite Obergeschoss, durchqueren rechterhand die Räume mit den grau und braunen Werken der Kubisten, bis wir vor dem nächsten Gemälde stehen, das uns Josef Helfenstein näherbringen will: Robert Delaunays unerwartet farbenfrohe «Hommage à Blériot» (1914).
Am Wochenende wird mit dem «figurativen Pollock» die letzte Ausstellung aus der Ära von Helfensteins Vorgänger Bernhard Mendes Bürgi eröffnet. Nina Zimmer, die Kuratorin, arbeitet inzwischen als künstlerische Leiterin des Berner Kunstmuseums sowie des Zentrums Paul Klee – ihre Stelle am Kunstmuseum Basel wird gerade neu besetzt. Danach kann Helfenstein sich in seinen drei Häusern voll entfalten. Im November will er sein Jahresprogramm 2017 vorstellen.
Seine Handschrift wird man aber vorher schon spüren, wenn auch vielleicht nur in kleinen Veränderungen. Auf dem Weg in den Neubau schildert er ein paar davon, bleibt zum Beispiel kurz vor der Treppe zur unterirdischen Passage stehen und weist zum Eingang des Buchshops: An der Wand daneben wolle er ein grösseres Werk platzieren.
Und siehe da, schon tags darauf hängt Sam Francis‘ «Deep Orange and Black» (1953–1955) da:
Die Unterführung will Helfenstein sich übrigens auch vornehmen: Die beiden etwas verloren dastehenden Tunnelmodelle von Bruce Nauman sollen durch Werke von Jeff Wall ersetzt werden – «das wird ein sehr schöner Raum», ist Helfenstein überzeugt.
Von ausgeprägter Architektur
Helfenstein verrät dann auch noch, was er über den Neubau an sich denkt: «Es gibt hier eine ausgeprägte Dominanz der Architektur, die dauernd auf sich selbst verweist – was für die Kunst nicht einfach ist.» Er müsse sich noch ein wenig daran gewöhnen: «Ein Neubau ist wie eine Person, man muss sich kennenlernen. Muss sich Zeit geben.» Trotzdem wolle er möglichst bald Teile der Sammlung neu hängen.
Nicht unbedingt dazu gehört vielleicht jener Raum, den wir als letzte Station aufsuchen – den Raum, in dem die vier Amerikaner hängen, die 1958 durch eine visionäre Schenkung ins Kunstmuseum gelangten, darunter Mark Rothkos «No.16» (1957). Wie das damals war, erzählt Helfenstein gleich selbst:
Die Stunde ist fast um, Josef Helfenstein muss weitereilen. Zu einem der vielen Termine, die momentan seinen Kalender füllen. Kurz hält er aber im Treppenhaus noch inne und gibt uns zum Schluss ein paar Worte mit auf den Weg – zum Neubau an sich, aber auch zum Raum im Erdgeschoss, den er gerade neu einrichtet, nachdem die Ausstellung «Sculpture on the move» geendet hat.
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Und zum Schluss noch der Grund, warum es Josef Helfenstein im Kunstmuseum Gegenwart so gefällt:
*«Ich fühle mich extrem wohl im Gegenwartshaus unten am Rhein. Schon der Weg dahin ist sehr angenehm, er führt einen durch eine ganze Geschichte der Architektur in Basel, durch einen historisch intakten Ort gesäumt von Bäumen mit Blick auf den Rhein. Und dann steht man inmitten von Gegenwartskunst, von zeitgenössischer Kunst.»