Im Herzen Kleinbasels rumort es einmal monatlich kräftig, wenn im «Sääli» zum Goldenen Fass die «Kindsköpfe» das Sagen bekommen. Eine neue Lesereihe holt die Idole der Kindheit zurück auf die Bühne. Und macht damit Literaturlesungen wieder kneipenfähig.
Wer liebt sie nicht, die Helden von früher. Pippi Langstrumpf zum Beispiel, die jüngst ihren 70. Geburtstag feiern durfte. Oder die rote Zora, die zwar mit weniger Superkräften ausgestattet ist, dafür aber nicht weniger anarchistisch veranlagt die Fantasie unserer Kindsköpfe eroberte.
Jetzt sind sie zurück, diese Helden von damals.
«Kindsköpfe» heisst eine Lesereihe im «Sääli» zum Goldenen Fass, die einmal monatlich über die Bühne geht und der Literaturszene Basels einen kräftigen Farbtupfer verleiht. Wie der Titel bereits verrät, fokussiert diese Reihe besonders auf ein Genre – Kindergeschichten. Welcome back, Zoras, Pippis und Suppenschüsselmichis.
Mehr als nur Nostalgie
Die Lesung will mehr sein als nur ein Treffpunkt für Nostalgiker. Katharina Baur und Tanja Schmid, welche die Reihe ins Leben riefen, hatten dabei vor allem zwei Motivationen: Literaturlesungen wieder kneipenfähig zu machen, Texte zu präsentieren, die einfach zugänglich sind, und aus diesen Texten herauszuholen, was uns damals verborgen blieb.
«Das Schöne an Kindergeschichten ist ihre Vielschichtigkeit», sagt Schmid, «man kann sie einfach als spannende Geschichten lesen oder hören, man kann aber meistens auch noch einen tieferen Sinn darin entdecken.» Diese zweite Ebene soll an den Lesungen zum Vorschein kommen und so den Geschichten von damals eine neue Dimension verleihen.
Aus zwei mach eins, ruckzuck verhext – fertig ist der neue Text
Das geschieht durch literarische Einsprengsel, die die beiden Initiantinnen anderen Texten entnehmen und damit einen neuen Text komponieren. So fanden beispielsweise Beschreibungen der tickenden Uhren aus Michael Endes «Momo» an einer Lesung den Weg zu Schorschi aus «Schorschi schrumpf». Dessen Kampf, alles pünktlich zu erledigen, bekam dadurch eine noch rastlosere Note.
Gut, dass derlei nervenaufreibende Szenen durch einen Schluck Bier oder gar – wie kinderunfreundlich – durch einen Zug an der Zigarette abgefedert werden können. Das Setting war Schmid und Baur ebenso wichtig wie die Auswahl der Texte selbst. Es sollte gelesen, aber auch getrunken und geraucht werden dürfen. Es sollte ein Lesung sein, die ohne die szeneüblichen Zwänge auskommt.
Und das Konzept hat Erfolg. Fünf Mal gingen die «Kindsköpfe» bereits über die Bühne, fünf Mal war das «Sääli» im Goldenen Fass gut gefüllt bis proppenvoll.
Genrebezeichnung: Theatrale Lesung
Das hat auch mit den Vorlesern zu tun. Es sind Schauspielerinnen und Schauspieler vom Theater Basel, die Gefallen daran finden, abseits der grossen Bühne eigene Projekte zu verwirklichen. Denn: Welche Geschichten gelesen werden, ist den Darstellenden selbst überlassen.
Und auch bei der Umsetzung gibt es keine Vorgaben – von der intimen Lesung bis hin zum multimedialen Spektakel ist alles erlaubt. Baur und Schmid wissen manchmal selber nicht, was sich die Schauspielerinnen oder Schauspieler haben einfallen lassen, um ihre Geschichten zu erzählen. Es bleibt ihnen dann nichts anderes übrig, als sich überraschen zu lassen.
Das nächste Mal wird das am 23. September der Fall sein. Dann liest Pascale Pfeuti aus «Die Kleine Hexe» von Ottfried Preussler. Noch so eine gutmütige Anarchistin, man darf gespannt sein.
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«Kindsköpfe» findet einmal monatlich statt. Beginn ist um 20 Uhr, der Eintritt ist frei (Kollekte). Unterstützung erhalten die Organisatorinnen vom Fachausschuss Literatur der Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft, der Christoph Merian Stiftung (Gage der Schauspielenden) sowie des «Sääli»-Wirts Ueli Gerber, der den Raum zur Verfügung stellt.
Nächste Lesung: Mittwoch, 23. September, im «Sääli» zum Goldenen Fass. Es liest Pascale Pfeuti.