Cristina Branco begeisterte mit ihrem Auftritt am Jazzfestival Basel das Publikum. Mit ihrem New Quintet führte sie vor Ohren, wie nahe sich der portugiesische Fado und der argentinische Tango eigentlich stehen.
Es sind die hohen Töne, mit dem typischen, sehr schnellen Fado-Vibrato akzentuiert, die die Luft im Festsaal des Stadtcasinos messerscharf schneiden. Die Fadosängerin Cristina Branco zieht die Töne bis in die Nebenhöhlen und unter die Wangenknochen, um sie dann umso fulminanter auszustossen. Das Zupfwerk von Gitarrist Bernardo Couto an der portugiesischen Gitarre beeindruckt: Meist nur mit Daumen und Zeigefinger zupft er die Stahlseiten in virtuoser Schnelligkeit, variiert dann das Tempo, dämpft auch mal den Anschlag.
Immer wieder singt Branco von der «einen» Stadt. Doch meint die Portugiesin damit nicht nur ihre Hauptstadt Lissabon, nein, sie huldigt auch gerne mal Paris: Etwa chansonesk in einem Lied, in dem ein Gedicht des französischen Dichters Charles Baudelaire, «L’invitation au voyage», als Text dient. Oder in Form eines Tangos aus Buenos Aires, dem «Paris Lateinamerikas», wie die argentinische Hauptstadt von Reisenden treffend genannt wird.
Heimweh und Fernweh
Interessante Verbindungen ergeben sich schon nur aufgrund der Besetzung des Quintetts: Der Pianist Ricardo Dias übernimmt in einer handvoll Lieder das für den Tango typische Akkordeon, das vom Kontrabass (Bernardo Moreira) und klassischer Gitarre (Carlos Manuel Proença) begleitet und von der portugiesischen Gitarre geführt wird. Brancos Stimme nimmt hier weichere Nuancen an, aber der verzehrende Weltschmerz, der nur eine Bedeutung des portugiesischen Wortes «saudade» ausmacht, ist unüberhörbar im Gefühl anwesend.
Branco verrät: viele Tage und Nächte ist das Quintett schon auf Tour, am Montag geht es für immerhin 24 Stunden nach Hause in die Heimat. Eindringlich singt sie vom Fernweh der einstigen Seefahrernation Portugal und vom persönlichen Heimweh. Sie singt als Liebende, die auf ihren Seemann wartet, der endlich von den sieben Weltmeeren zurückkehren soll.
Fado und Fusion
Fado steht aber nicht nur für Sehnsucht und Schwermut: Cristina Branco, eine Meisterin ihrer Metiers, beschreibt ihr Verständnis der traditionellen portugiesischen Volksweisen auch als Fähigkeit der Portugiesen, nicht andere Kulturen zu unterwerfen, sondern sich mit diesen und deren Sprachen produktiv zu Neuem zu verbinden.
Im 18. Jahrhundert in den vielbefahrenen Häfen Portugals und insbesondere Lissabons, der weissen Stadt am Atlantik, entstanden, ist Fado ein musikalisches Sinnbild für den Schmelztiegel unterschiedlicher Völker und Sprachen, gepaart mit Abenteurgeist und Neugier der Seefahrer. Ungewohnt klingt der Kuba-Klassiker «Dos Gardenias», der kurzerhand in ein Fado-Gewand gesteckt wird. Musikalisch funktioniert auch diese Fusion perfekt.
Im Lied und am Abend
Aber die stärksten und packendsten Momente des Abends hat das Cristina Branco New Quintet, wenn es sich mit jeder Faser seinen musikalischen Wurzeln widmet. Das Publikum im Festsaal ist begeistert und verlangt nach einer Zugabe. Branco ist sichtlich gerührt und bedankt sich mit dem traditionellen «Maria Lisboa» und dem Fado Menor «Os teus olhos são dois círios». Ergreifend. So ergreifend, dass wir eine Träne aus unserem Augenwinkel wischen ob so viel Abschied: von Momenten der Liebe, die in den Liedern niemals wiederkehren – und von einem Konzert, das nach zwei Stunden zu Ende ist und nur noch in der Erinnerung weiterlebt. Immerhin in einer sehr kostbaren Erinnerung.