Wenn erlebnishungrige Backpacker das Abenteuer suchen

Warum wir in die Ferne schweifen, liegt so nah: Es wird Winter. Die Suche nach fremden Kultureinflüssen ist dabei oft nur Vorwand. Wer wirklich einen authentischen Einblick in das laotische Landleben im Wandel gewinnen will, kann dafür auch einfach ins Kino gehen.

Viel näher als durch die Kamera kommt man fremden Kulturen auch vor Ort nicht. (Bild: zvg)

Je kürzer und kälter die Tage, desto grösser das Fernweh. Die Südflucht ist des Schweizers beliebteste Medizin als Seelenwärmer gegen den Winterblues. Ein Monat in Asien kostet – Flug inklusive – kaum mehr als eine Woche Skiurlaub. Da ist der Franken selbst für Wenigverdiener spürbar stark und mächtig.

Das Reisfeld seiner Ahnen bietet Khao nicht nur Nahrung, sondern auch Verwurzelung.

Wobei Exotik klar vor Luxus kommt. Man will ja was erleben. Es sei denn, es geht um sanitäre Ansprüche an Sitzschüssel und Duschbrause oder ums Frühstück. Da bleibt man Café und Croissant dann doch lieber treu – es sind ja Ferien!

Der frisch gemixte Shake mit lokalen Früchten reicht als Reminiszenz ans Reiseland – und ist dank obligatem Wifi perfekt für das erste Pic des Tages im sozialen Netzwerk. So fern und doch so nah. Im Web ist die Welt klein und schön. Da treffen weisse Zähne von weissen Pisten auf lackierte Nägel vor weissen Stränden.

Rückkehr mit Kamera

Doch wie sehen uns die Menschen in Muang Ngoi, einer dieser Erlebnis-Oasen in Laos? Das verschlafene Dschungel-Dorf war bis vor Kurzem von westlicher Kultur und Kapitalismus verschont. Nur ein paar verwegene Rucksackreisende schafften es den Fluss hoch. Darunter vor zehn Jahren der holländische Filmemacher Daan Veldhuizen.

Er kam wieder mit der Kamera und dokumentierte den Wandel, den der zunehmende Tourismus für das Dorf brachte und zwar aus Sicht zweier Bewohner, die gleichen Alters sind, wie die Mehrheit der westlichen Backpacker.

Shai und Khao sind Freunde seit Kindertagen. Der eine kehrt wegen der Tourismus-Perspektive vom Studium aus der Stadt zurück. Er träumt aber eigentlich von Geld und Verlockungen in der Ferne. Der andere ist auf dem Boden seiner Vorfahren ganz glücklich, will aber neben dem Reisanbau mit Dschungel-Touren noch einen Batzen für das Budget seiner jungen Familie dazuverdienen. Man verfolgt die Entwicklung nun aus der Perspektive der beiden.

Es gibt Strom, und Strassen werden betoniert. Als erstes der Strip, wo Shops Touren, Übernachtungen und Souvenirs anbieten. Denn immer mehr Boote schippern freundlich winkende Besucher hoch. Sie wollen das Ursprüngliche, Unberührte, Unverdorbene. Sie wollen aber auch Hängematten, Cola und Internet.

In die Ferne schweifen, um in sich zu gehen: Backpacker meditieren in Buddhas Landen.

So unterschiedlich wie die beiden Hauptprotagonisten sind auch die Backpacker. Die einen versuchen mit Yoga am Fluss ihren buddhistischen Geist ins Fliessen zu bringen, die anderen wollen den wilden Bären im Wald sichten.

Vieles ist den Einheimischen unverständlich, dafür staunen die Bleichgesichter über Alltägliches und fordern, was und wie sie es gewohnt sind. Man möchte manchen Westlern raten, doch bitte nicht durch die Welt zu reisen. Immerhin sind sie auch als Repräsentant der eigenen Kultur unterwegs. Und Stellvertreter, die mit den liebgewonnen Protagonisten in Kleinkindersprache feilschen, führen zum Fremdschämen.

Man erinnert sich an eigene Peinlichkeiten auf Reisen in entlegene Gebiete. Wiegen sich Travellers in Hängematten in Coelho-Weisheiten, weckt das Aggressionen auf die eigene Art. Doch fokussiert Veldhuizen nicht nur auf die obligaten Idioten. Der Dokumentarfilmer zeigt ebenso Begegnungen, die beidseitig befruchtend sind, wie auch Dummheiten auf der laotischen Seite.

Der Titel seines zweiten Filmes zielt auf die gängigen Backpacker-Klischees. «Banana Pancakes and the Lonely Planet» ist jedoch mehr als ein zynischer Spiegel des Reiseverhaltens erlebnishungriger Westler mit Kreditkarte. Der Film zeigt vieles, ohne direkt mit dem Zeigefinger darauf zu deuten, und erzählt vor allem die Geschichte der Freundschaft und der Herausforderungen zweier Heranwachsender in einer sich schnell wandelnden Welt.

Dazu bietet er einen intimen Einblick in das laotische Landleben, den man bei Reisen vor Ort nicht gewinnt. Dass mit dem Kapitalismus auch Konkurrenz in den buddhistisch geprägten Alltag einzieht, ist denn auch die kritischste Aussage des Films. Ob es aus Sicht der Bewohner nun besser oder schlechter ist, will er nicht werten.

Probleme hatten die Menschen von Muang Ngoi schon vor Ankunft der modernen Welt. Falsche Vorstellungen auch – genauso wie hier, einfach anders.

«Banana Pancakes and the Lonely Planet» läuft ab 23. November im Kult Kino.

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