Wenn Leo doch nur auch zur Verleihung gerobbt wäre

Leonardo DiCaprios versteckter Mittelfinger, Jennifer Lawrences Bong-Verspätung und ein bitzli schwarzer Humor, gerade so, dass es nicht wehtut: Die Oscars sorgten auch dieses Jahr für kurzweiligen Stumpfsinn aus der Welt der Schönen und Reichen.

Einmal Leo, dreimal Who?

(Bild: Reuters)

Leonardo DiCaprios versteckter Mittelfinger, Jennifer Lawrences Bong-Verspätung und ein bitzli schwarzer Humor, gerade so, dass es nicht wehtut: Die Oscars sorgten auch dieses Jahr für kurzweiligen Stumpfsinn aus der Welt der Schönen und Reichen.

Wer schon einmal um zwei Uhr morgens aufgestanden ist, um sich fünf Stunden lang durch die Oscars zu glotzen, der weiss: Es lohnt sich nicht. Die Verleihung ist eine einzige glitzernde Selbstbeweihräucherung, mit öden Dankesreden, halblustigen Comedy-Intermezzi und immerblöden «What are you wearing?»–Interviews.

Sensationslüstern, wie man ist, tut man es sich dann jeweils aber trotzdem wieder an. Und wenn die Performances nix hergeben, bleiben immer noch die Roben.

Das war auch dieses Jahr nicht anders. Gross aufgeblasen wurde Leonardo DiCaprios sechste Nomination – der ewig Ungekürte sollte nun endlich das verdammte Goldmännchen kriegen.


Vor der Verleihung gab es einen kleinen Luftschnapp-Moment, als «Joy»-Schauspielerin und Oscar-Gewinnerin 2013, Jennifer Lawrence, nicht auftauchte. Nonchalant liess sie den Medientermin sausen und schlich sich erst in letzter Sekunde rein. Dankbar für jedes bisschen Aufregung, zerriss man sich daraufhin auf Twitter kurz das Maul, wo sie wohl gewesen sei. Wahrscheinlich wars bloss wieder die Bong-Pause.

Danach kam der Aufsteller des Abends: Chris Rocks «Black Lives Matter»-Senf in Form einer erfrischend unangenehmen Eröffnungsrede. Der Komiker stiftete kollektives Grinse-Gefrieren, indem er sich – ok, vorhersehbar – über die kürzlich aufgeflammte Rassismus-Debatte den Mund fusselig redete

Er bediente sich gekonnt der üblichen Allgemeinplätze («If they nominated hosts I wouldn’t even be up here!»), machte sich lustig über die ganzen Weissen, die im Saal sassen und ihm mehr oder weniger enthusiastisch zuklatschten, und forderte gleiche Chancen für schwarze Schauspieler wie für alle anderen. Und zwar «nicht nur einmal im Leben» – Leonardo DiCaprio bekomme ja auch jährlich ein Angebot, in einem tollen Film mitzuspielen. Stimmung im Saal: Bitte schnell zurück zum «What are you wearing». 

 

«Und die einzigen Asiaten an der Veranstaltung waren die Kinder, die die ganzen iPhones der Stars zusammengesetzt haben – danke Academy!», hiess es daraufhin auf Twitter. Besser lässt sich die Scheinheiligkeit der Debatte wohl nicht ausdrücken – danke Twitter!

Für «Gänsehaut» (danke «Gala»!) sorgte die Performance von Lady Gaga: Sie sang «Til it happens to you, you don’t know how it feels» – der Soundtrack zum kürzlich erschienenen Dokfilm «The Hunting Ground», der von sexuellen Übergriffen in amerikanischen Universitäten handelt. 

Am Ende der Performance kamen Frauen auf die Bühne, die sich auf ihre Arme Sätze wie «It’s not your fault» geschrieben hatten. Stimmung im Saal: Ok, damit können wir was anfangen.

Es folgten überraschende Verleihungen an vorwiegend unbekannte Gesichter – Brie Larson als beste Hauptdarstellerin für (den übrigens fantastischen Film) «Room», Alicia Vikander als beste weibliche Nebenrolle in «The Danish Girl» und Mark Rylance als beste männliche Nebenrolle in «Bridge of Spies».

Daneben kam ein Alteingesessener endlich zu seinen Lorbeeren: Maestro Ennio Morricone, der in bald 60 Jahren die Musik für 525 Filme komponiert hat und dessen Ungekürtheit (abgesehen vom Alibi-Oscar für sein Lebenswerk vor ein paar Jahren) doch eigentlich weitaus unglaublicher ist als diejenige DiCaprios, gewann nun auch einen Oscar für einen einzelnen Film – für seine Filmmusik zu «The Hateful Eight».

Und Leonardo DiCaprio?

 

Für Leonardo DiCaprio haben neun Monate Eiseskälte und frische Bisonleber ihren Dienst getan: Der Schauspieler erhielt tatsächlich seinen ersten Oscar, zeigte der Academy einen versteckten Mittelfinger und lieferte eine saubere Rede, in welcher er der «unbelievable crew» von «The Revenant» dankte und vor dem Klimawandel warnte.

Dieser, so der Frischgekürte, treffe die Ärmsten der Armen am meisten. Alle im Dolby Theatre klatschten berührt-begeistert. Stimmung im Saal: Klimaschutz yeah! Und jetzt guten Gewissens zur Afterparty.  

Die Gewinner der Oscars 2016 im Überblick

Bester Film: «Spotlight» 

Beste Regie: Alejandro González Iñárritu für «The Revenant»

Bester Hauptdarsteller: Leonardo DiCaprio in «The Revenant»

Beste Hauptdarstellerin: Brie Larson in «Room» 

Bester Nebendarsteller: Mark Rylance in «Bridge of Spies»

Beste Nebendarstellerin: Alicia Vikander in «The Danish Girl» 

Bestes adaptiertes Drehbuch: Adam McKay und Charles Randolph für «The Big Short» 

Bestes Originaldrehbuch: Thomas J. McCarthy und Josh Singer für «Spotlight» 

Beste Kamera: Emmanuel Lubezki für «The Revenant» 

Bestes Produktionsdesign: Colin Gibson und Lisa Thompson für «Mad Max: Fury Road» 

Bestes Kostümdesign: Jenny Beavan für «Mad Max: Fury Road» 

Beste Filmmusik: Ennio Morricone für «The Hateful 8» 

Bester Filmsong: Writing’s on the Wall von Sam Smith und James Napier für «James Bond 007 – Spectre» 

Bestes Make-up und beste Frisuren: Lesley Vanderwalt, Elka Wardega und Damian Martin für «Mad Max: Fury Road»

Bester Schnitt: Margaret Sixel für «Mad Max: Fury Road» 

Beste Ton-Mischung: Chris Jenkins, Gregg Rudloff und Ben Osmo für «Mad Max: Fury Road» 

Bester Tonschnitt: Mark A. Mangini und David White für «Mad Max: Fury Road» 

Beste visuelle Effekte: Andrew Whitehurst, Paul Norris, Mark Williams Ardington und Sara Bennett für «Ex Machina» 

Bester Animationsfilm: «Inside Out» 

Bester fremdsprachiger Film: «Son of Saul» 

Bester animierter Kurzfilm: «Bear Story» 

Bester Kurzfilm: «Stutterer» 

Bester Dokumentarfilm: «Amy» 

Bester Dokumentar-Kurzfilm: «A Girl in the River: The Price of Forgiveness» 

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