Wenn Schülerinnen die Kunst im Museum hängen

Was kommt heraus, wenn das Kunstmuseum 16- und 17-jährigen Schülerinnen eine Ausstellung mit Kunst des 19. Jahrhunderts zusammenstellen lässt? Die atmosphärische Schau mit dem Titel «Showdown» ist ausgesprochen sehenswert.

Einsam, zweisam (Bild: Dominique Spirgi)

Was kommt heraus, wenn das Kunstmuseum 16- und 17-jährigen Schülerinnen eine Ausstellung mit Kunst des 19. Jahrhunderts zusammenstellen lässt? Die atmosphärische Schau mit dem Titel «Showdown» ist ausgesprochen sehenswert.

Die Bezeichnung «röhrender Hirsch» (als Inbegriff der Kitsch-Kunst) ist etwas ungerecht. Aber Anton Zwengauers grossformatiges Gemälde «Sonnenuntergang bei den Osterseen» von 1830 kommt trotz oder vielleicht gerade wegen der beeindruckenden Licht- und Farbeffekte der Grenze zum Kitsch ziemlich nahe. Und ein Hirsch ist ebenfalls zu sehen, vor allem als Spiegelbild im ruhigen See, in dem sich auch das schwindene Sonnenlicht spiegelt. Das Bild aus der Sammlung des Kunstmuseums Basel, ein Ankauf aus dem Jahr 1873, war seit Jahrzehnten nicht mehr öffentlich zu sehen.

Aus dem Depot geholt wurde es nun von Schülerinnen der Klasse 3 BP des Gymnasiums Bäumlihof – eine Klasse mit dem Schwerpunktfach Bildnerisches Gestalten. Sie haben den feierlich-ruhigen Sonnenuntergang mit der rauschenden Wildwasserszenerie von Albert Gos‘ «Gewitter im Sefinental bei Lauterbrunnen» von 1870 zum einem Bildpaar zusammengestellt, dem sie den Titel «Ruhiger Sturm» verliehen. Es ist eines von insgesamt sieben nach ästhetischen und thematischen Kriterien zusammengestellten Bildpaaren (manchmal mit einem dritten Gemälde ergänzt), die nun in der Ausstellung mit dem Titel «Showdown» in den Sammlungsräumen der Kunst des 19. Jahrhunderts zu sehen sind.

Erstes Education-Projekt im Kunstmuseum

Anlass dieser Ausstellkung ist das erste Education-Projekt der Abteilung Kultur Basel-Stadt im Kunstmuseum Basel. «Die Anfrage hat uns sehr gefreut», sagte Nina Zimmer, die für die Kunst des 19. Jahrhunderts und die Klassische Moderne zuständige Kuratorin, an der Medienführung durch die Schau: «Es bedeutete für uns zwar eine Riesenherausforderung, zugleich aber auch eine Riesenchance.» Und, was das Resultat angeht, letzlich auch eine riesige Überraschung.

Denn die Schülerinnen (zu Beginn sollen auch noch zwei Schüler mit von der Partie gewesen sein) machten den Museumsverantwortlichen, die eigentlich eine begleitende Sammlungspräsentation zur bevorstehenden Sonderausstellung mit den «überraschenden Masken» von James Ensor im Hinterkopf hatten, einen kleinen Strich durch die Rechnung. Die vom Museum zusammengestellte Vorauswahl mit Monet, Manet und anderen grossen Namen der frühen Moderne wurde von den jungen Ausstellungsmacherinnen links liegengelassen. «Wir haben uns ausführlich mit Ensor und den Sammlungsräumen auseinandergesetzt», sagte eine der Schülerinnen, «wir störten uns aber daran, dass wir die Bilder nicht selber aussuchen durften.»

Intuitive Werkauswahl

Das Kunstmuseum, neben Nina Zimmer namentlich die Koordinatorin für Bildung und Vermittlung, Simone Moser, liessen sich auf das unerwartete Experiment ein und sich nun eben von diesem überraschen. Herausgekommen ist keine Ergänzungsschau zu Ensor oder zum Symbolismus, sondern eine eigentliche Salonkunst-Ausstellung. Eine, die in ihrer Werkauswahl an die Ausstellung «Le revers de la médaille. Salonkunst aus dem Depot des Kunstmuseums» aus dem Jahre 1974 erinnert, die damals als bewusst nicht-modernistischer Kontrapunkt zur dauerhaft präsentierten Kunst des 19. Jahrhunderts, also eben den Monets, Manets, Cézannes und van Goghs, angelegt war.

Die Schülerinnen stöberten also im Online-Katalog des Museums, um pro Kopf fünf Werke in eine Vorauswahl einzubringen. Jede ging anders an die Sache heran: Die eine traf ihre Auswahl nach ästhetischen Kriterien, eine andere wiederum liess mit geschlossenen Augen die Computermaus entscheiden, wie an der Medienpräsentation zu erfahren war. Einigkeit schien vor allem in einem Punkt geherrscht haben, nämlich, dass man die grossen Namen vermeiden wollte. Zumindest fast. Denn ein Munch und ein Hodler schafften es letztlich doch in die Endauswahl, allerdings beide mit Werken, mit denen sie sich auf untypische Art als Genremaler präsentieren.

Spielerische Ernsthaftigkeit

So begegnet man nun in den zwei ausgewählten Galerieräumen im 1. Obergeschoss ziemlich ungewohnten Positionen aus der öffentlichen Kunstsammlung. Etwa einer anmutigen Szenerie mit Bauernmädchen und Kuh («Auf der Weide» von Johann Rudolf Koller), einem fressenden Fuchs («Fuchs, einen Hahn erbeutend» von Benno Raffael Adam) oder stürmischen Meeresgestaden (in einem Werkpaar von Andreas Achenbach). Sie sind zu Bildpaaren zusammengestellt, die mit «Stadt, Land, Fluss» (nach dem gleichnamigen Geografiespiel), «Das Abendmahl» oder «Rauschende Stille» übertitelt sind.

Das Ganze ist von einer grossen, aber erfrischend unakademischen Ernsthaftigkeit geprägt, die zugleich schön spielerisch daherkommt. Und auch einen leicht ironischen Touch nicht vermissen lässt, etwa wenn der fressende Fuchs mit der Gasthaus-Szenerie auf Hodlers Gemälde «Die Pension» kombiniert wird. Oder beim Bildpaar, das den für eine Präsentation von Werken aus dem 19. Jahrhundert doch eher ungewöhlichen Titel «iRat, iPad» trägt. Sie zeigt neben einem Mädchen mit Ratte von Munch («Rothaariges Mädchen mit Ratte») die «Musizierende Dame» von Antonio Barzaghi-Catteano, die auf einen Notenständer blickt, der tatsächlich eine zumindest entfernte Ähnlichkeit mit einem iPad hat.

Kunstmuseum Basel
Education-Projekt «Showdown»
Ein Ausstellungsprojekt von Schülerinnen des Gymnasiums Bäumlihof in Zusammenarbeit mit der Abteilung Kultur Basel-Stadt
9. Februar bis 30. März 2014
Vernissage: Samstag, 8. Februar 2014, 17 Uhr

Nächster Artikel