Wer sind Sie, «Anne Gold»?

Anne Gold ist inzwischen eine feste Grösse, wenn es um Basler Krimis geht. Hinter dem Namen stecken allerdings zwei Autoren, wir haben einen davon getroffen. Die Bühne mag er nicht, obwohl er gern Sportwagen fährt. Und um einen Krimi zu schreiben, braucht er einen Monat.

Na, hoffentlich fährt Kommissar Ferrari mit dem Porsche seiner Kollegin nie über eine Leiche...! (Bild: Hans-Jörg Walter)

Anne Gold ist inzwischen eine feste Grösse, wenn es um Basler Krimis geht. Hinter dem Namen stecken allerdings zwei Autoren, wir haben einen davon getroffen. Die Bühne mag er nicht, obwohl er gern Sportwagen fährt. Und um einen Krimi zu schreiben, braucht er einen Monat.

Foto: nicht erlaubt. Der Name der einen von zwei Personen, die hinter dem Pseudonym Anne Gold steckt, auch nicht. Obwohl zwei Klicks im Netz genügen, ihn herauszufinden. Er mag die Bühne einfach nicht. Schade eigentlich, er ist ein äusserst charmanter Typ.

Über die Qualität seiner Krimis, die er zusammen mit einer Kollegin schreibt, die ebenfalls im Verlagswesen arbeitet, kann man sich streiten. Klar ist, dass sie grossen Erfolg haben. Die bisher erschienenen acht Bände haben sich 120’000 Mal verkauft, im Oktober erscheint der neunte. Ganz explizit sagt er, ihre Bücher seien keine «Literatur» und meint damit jegliche Art von kritischem Anspruch.

Was treibt ihn an, neben dem Erfolg, diese Baselkrimis zu schreiben?

Frau Gold, Sie schauen mich so skeptisch an.



Nein, überhaupt nicht. Freudig! Freude ist, wenn man im Hintergrund bleiben kann und Ruhe hat.



Sie mögen den öffentlichen Auftritt nicht?



Nein. Wir sind diskret im Hintergrund und lassen unsere Produkte sprechen. Das ist beim Friedrich Reinhardt Verlag mit allen Büchern so. Man kennt nicht in erster Linie den Verlag, sondern vielmehr seine Produkte. Mich interessieren die Inhalte und die Resonanz der Leser.



Die Frage, was der Autor uns sagen will, stellt sich Ihnen beim Lesen also nicht?


Mich interessiert die Geschichte und das Umfeld der Geschichte. Ich lese verhältnismässig viele Krimis. Nicht nur schweizerische, auch Henning Mankell, Donna Leon oder Petros Markaris.

Inwiefern ist der Ort wichtig für ein Buch?



Es ist das Atmosphärische des Ortes, was zählt, seine Eigenschaften und Eigenheiten. Der griechische Krimi zum Beispiel spielt in Athen, man spürt die Mentalität heraus. Ich kenne den Ort nicht, die Wege nicht. Das Buch kehrt aber immer wieder an dieselben Plätze zurück. Wenn ich drei, vier dieser Bücher gelesen habe, fange ich an, mich mit der Stadt zu identifizieren. Und wenn ich mal nach Athen reise, werde ich einige Schauplätze besuchen.



Auf den Krimi folgt der Tourismus.



Natürlich. In Deutschland, in Nordrheinwestfalen, gibt es nicht nur die Eifelkrimis, sondern auch Eifeltouren, auf denen man die einzelnen Ortschaften abklappert, die in den Büchern vorkommen.



Der Krimi als Reiseführer?



Genau. Aber er muss auch in sich stimmig sein.



«Die Basler Kunden sind geblieben, aber inzwischen verkaufen wir 40 Prozent in Basel und 60 Prozent in der Deutschschweiz und im angrenzenden Deutschland.»

Ist Basel eine interessante Krimistadt?



Basel ist eine interessante Stadt für Literatur im Generellen. «Literatur» klingt hochgegriffen, sagen wir: Publizistik. Es gibt kaum eine Stadt, über die so viele Bücher geschrieben werden. Über jegliche Themen. An Büchern über Basel, die zur Zeit lieferbar sind, dürfte es 500 bis 1000 geben. Das liegt auch an der Entwicklung. Basel ist eine alte Druckerstadt und damit auch eine Verlegerstadt geworden. Für die Krimis war von Anfang an klar: Wenn wir das machen, dann in Basel. Es hiess jedoch ab und zu: Sollte man die Bücher nicht mal ausserhalb spielen lassen? Zürich oder Rom? Nein, Basel ist unsere Stadt. Damit sind wir in Basel erfolgreich und auch darüber hinaus.



Ihre Bücher verkaufen sich nicht nur in Basel?



Beim ersten Buch waren wir selbst vom Erfolg überrascht. Es hat sich fast ausschliesslich in Basel verkauft und in Baselland. Dann hat es sich langsam geändert. Die Basler Kunden sind geblieben, aber inzwischen verkaufen wir 40 Prozent in Basel und 60 Prozent in der Deutschschweiz und im angrenzenden Deutschland. Insgesamt haben wir 120’000 Anne-Gold-Krimis verkauft. Interessant ist, dass es nach Erscheinen der gebundenen Ausgabe noch einen eigenen Taschenbuchmarkt gibt. Es gibt Kunden, die dann erst zuschlagen. Beim Taschenbuch sind es nicht mal die Ferienzeiten, die für den Verkauf zählen, sondern die Verkaufsorte. Der grösste Teil läuft über die Kioske am Bahnhof. Wenn das Taschenbuch nach drei oder vier Jahren erscheint, verkaufen wir davon nochmals drei- bis viertausend Stück. Beim Hardcover läuft ab dann nicht mehr viel.



Nochmal zur Szenerie Ihrer Bücher. Warum Basel?



Weil wir Basler sind und dazu stehen. Wir finden, Basel ist die schönste Stadt der Welt.



Warum?



Es ist unsere Heimat. Wenn wir etwas schreiben, tun wir das für Basel. Wir wollen Basel den Leuten zeigen.

 

Die Stadt ist klein und kompakt. Man ist hier zwar offen, aber nicht aufdringlich, eher diskret und zurückhaltend. Man wird in Ruhe gelassen. Ich finde es eine Superstadt, aber das sagt wahrscheinlich jeder von seiner Heimatstadt.

«Der Mörder muss kein Bösewicht sein.»



Ist Basel ein Pflaster, um Schwerkriminelle anzusiedeln?



Nein, überhaupt nicht. Aber jede Stadt bietet dieses Pflaster, wenn man die Fantasie dazu hat. Es ist reine Fantasie. Unter den Nebenfiguren gibt es einige, die eine reale Entsprechung haben. Die Geschichten entstehen auch zu einem Teil aus Erzählungen, die wir hören.



Was ist ein guter Bösewicht?



Den gibt es in dem Sinn nicht. Es gibt nur gute Geschichten. Das Buch muss eine Spannung aufbauen, bei der man denkt: Der ist es, die ist es, der ist es. Der Leser sollte so lange wie möglich nicht auf die richtige Antwort kommen. Zugleich muss die Geschichte eine Logik haben. Nicht, dass der Täter am Schluss noch schnell aus dem Ärmel geschüttelt wird. Der Mörder muss kein Bösewicht sein. Er kann auch ein Täter sein, der im Affekt gehandelt hat.



In «Die Tränen der Justitia», Ihrem letzten Buch, gibt es folgende Szene: Die Frau von Kommissär Ferrari sitzt mit einer Freundin beim Gespräch zu Hause, weil deren Mann sie bedroht. Als Ferrari dazukommt, schickt sie ihn ins Nebenzimmer, wo eine Flasche Wein bereit steht. Darauf sagt er zu sich: «Frauen unter sich… Diese weibliche Fremdbestimmung kann ganz schön nervend sein, manchmal auch kränkend.» Später am Abend setzt sich Ferraris Frau zu ihm und greift sich – natürlich – die «Annabelle». Das alles ist sehr prototypisch. Was ist für Sie der Unterschied zwischen Mann und Frau?



Frauen gehen anders vor. Ich selbst bin eher spontan und entscheide aus dem Bauch heraus. Die Frauen, mit denen ich arbeite, sind sehr intelligent, analytisch und halten mich häufig von meinen vorschnellen Entscheidungen ab. Ich merke es auch beim Schreiben. Nachdem ich den Text aufgeschrieben habe, sind sehr viele Fehler drin. Es ist gut, dass meine Partnerin eine Frau ist, die den Text von einem anderen Gesichtspunkt aus anschaut und bearbeitet.



Sie schreiben unter einem weiblichen Pseudonym. Können Sie sich damit identifizieren?



Die Geschichte geht anders. Ich habe früher einmal ein Kinderbuch geschrieben, das ein Erfolg wurde. Freunde von mir haben sich untereinander das Buch geschenkt, um mir einen Gefallen zu tun. Wir wollten nicht, dass das mit den Krimis auch passiert. Dann haben wir verschiedene Namen erwogen, Männernamen, Frauennamen. Alle Mitarbeiter waren für Anne Gold – dass er weiblich ist, hatte keine Bedeutung.

«Etwas cholerisch, wie Ferrari, bin ich auch.

»



Wie viel Ferrari steckt in Ihnen?



Es geht nicht anders, als dass ein gewisser Teil der Figur auch in mir steckt. Die Tapsigkeit zum Beispiel. Neulich habe ich ein Fax abgeschickt, jedoch verkehrtherum, sodass die leere Seite eingelesen wurde. Weil ich es nicht gemerkt habe, regte ich mich auf, dass die Post drei Paletten nicht abholte, die im Hof bereitstanden. Etwas cholerisch, wie Ferrari, bin ich auch.



Kommissär Ferrari hat eine Assistentin, die ihn in Wahrheit in der Hand hat. Während er bloss heisst wie ein Sportwagen, fährt sie tatsächlich Porsche. Inwiefern haben Frauen Macht über Männer?


Ich persönlich kann besser mit Frauen zusammenarbeiten, ich höre mehr auf sie. Manchmal haben sie Mühe mit mir, weil ich partout etwas will. Ich bin fremdbestimmt, aber nur bis zu einem gewissen Punkt.



Wie lange brauchen Sie, um einen Krimi zu schreiben?



Einen Monat. Meine Kollegin braucht zwei bis drei Monate, um den Text zu bearbeiten. Das geht sehr weit, sie macht Einschübe, schreibt aktiv mit.



«Uns wurde der Vorwurf gemacht, wir würden 0815-Krimis schreiben. Doch wir wollen einfach unterhalten.»

Wollen Sie etwas aussagen über Basel oder spielen die Bücher einfach hier?



Mir wäre natürlich am liebsten, wir könnten von jedem Buch eine Million Stück verkaufen und die Leute kämen anschliessend Basel anschauen.



Wollen Sie die Aufmerksamkeit auf Basel lenken oder eine bestimmte Seite der Stadt zeigen?



Das ist genau der Punkt, den wir nicht wollen. Uns wurde der Vorwurf gemacht, wir würden 0815-Krimis schreiben. Doch wir wollen einfach unterhalten. Wir sind nicht kritisch, besserwisserisch. Das ist nicht unser Anspruch, das haben die Journalisten nicht begriffen. Man soll sich fünf oder sechs Stunden Zeit in dieses Buch vertiefen können und aus dem Alltag ausbrechen, ohne auf jeder Zeile etwas zu hinterfragen. Wir machen keine Literatur und stehen dazu.



Haben Sie ein Zielpublikum?


Es ist schwer zu sagen, wer genau die Bücher liest.



Woher kommt die Entscheidung, keine «Literatur» zu machen?



Wir sind von Anfang an angetreten, um Unterhaltung anzubieten. Wenn ich die Tagesschau ansehe – um Himmels willen, ich höre nur noch Syrien, Irak, Ukraine, jeden Tag kommt ein Krisenherd dazu. Wir wollen nicht Gegenpol sein, sondern Ablenkung.



Lässt sich mit den Krimis Geld verdienen?



Durchaus. Wenn man in der Schweiz von einem Buch 3000 Exemplare verkauft, muss man sehr zufrieden sein. Manche wenige verkaufen 10’000. Der beste Anne-Gold-Krimi hat sich 20’000 Mal verkauft. Als Autor kriegt man zehn Prozent des Verkaufspreises.



«Wir hatten mal überlegt, jemanden zu engagieren, die Anne Gold ist.»

Sie können zum Teil von Anne Gold leben?



Sagen wir es so: Der Verlag lebt gut davon. Wir würden natürlich gern noch mehr verkaufen, aber ein grosses Handicap ist das Pseudonym. Wir haben viele Anfragen für Lesungen. Wenn 150 Leute kommen und es gut läuft, verkauft man 50 Bücher oder mehr. Das lassen wir uns entgehen.



Ihre Unlust auf die Bühne ist grösser, als die Lust, noch mehr Bücher zu verkaufen?



Ja. Wir hatten mal überlegt, jemanden zu engagieren, die Anne Gold ist. Aber das funktioniert natürlich auch nicht. Wir sind zufrieden, wie es ist. Und froh, dass wir ohne Autorfigur so viele Bücher verkaufen können. Gerade heute, wo so viel auf die Person gegeben wird.



Geht Ihnen der Literaturbetrieb auf den Nerv?



Nein, überhaupt nicht, ich liebe ihn. Wir wollen nur nicht selber in der Öffentlichkeit stehen. Es ist nicht unser Naturell.



Oder verwenden Sie ein umgekehrtes Marketinginstrument? Der Autor Thomas Pynchon ist nicht zuletzt deswegen Kult, weil niemand ihn kennt.



Machen Sie mir nicht Angst. Nicht, dass wir uns irgendwann outen und nichts mehr verkaufen.



Das Licht unter den Scheffel zu stellen ist ein typisches Basler Ding. Haben Sie nicht auch Lust, zu zeigen, was Sie haben? Nadine Kupfer, Assistentin vom Kommissär, fährt Porsche.



Das ist unbaslerisch, ja. Aber schauen Sie, so schlecht ist mein Auto auch nicht (zeigt in den Innenhof): Ein Honda S 2000. Auch nicht ganz günstig.



Das ist eine Ansage.



Ja. Und eine Herausforderung. Hinein komme ich noch.



Ah, Sie krabbeln aus den Recarositzen heraus, wie Kommissär Ferrari aus denen seiner Assistentin?



So siehts aus.



Sie haben Freude an dem Auto, aber wollen damit nicht gesehen werden?

Als ich dieses Auto stehen sah, in einer Garage im Gundeli, wollte ich genau den haben. Der stand da in einer Spezialanfertigung, tiefergelegt und mit Spoiler.



Auch Ihre Schuhe lassen sich sehen.



Hugo Boss. Meine Uhr ist von Breitling. Die Marke ist mir egal, aber sie gefallen mir sehr. Dass ich gute Schuhe trage, hat bis jetzt noch nie jemand gemerkt.



Ist Ihnen unangenehm, aus diesem Auto zu steigen, und andere sehen es?



Nein, es ist mir unangenehm, wie ich aus diesem Auto steige. Aber auch für junge Menschen ist es nicht einfach. Allerdings machen sie es zehn Mal eleganter.



Ist das Auto ein Fraueninstrument?



Nein, ich habe einfach Spass daran. Aber Sie haben recht, es ist eine Abschlepperkiste – wenn Sie damit fahren. Ich bin aus dem Alter raus, wo ich damit beeindrucken will und kann.


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