Leicht und bekömmlich, jung und dynamisch kommt Henry Purcells Semi-Oper «The Fairy Queen» in der Fassung von Ballettmeister Richard Wherlock daher. Am Donnerstag feierte das heiter-vergnügliche Spektakel auf der Grossen Bühne des Theaters Premiere.
Ballettfreunde, welche noch nie von «The Fairy Queen» gehört haben, müssen sich keine Sorgen machen. Denn nicht nur blieb Henry Purcells «Semi-Oper» von 1692 jahrhundertelang verschollen, und wurde erst im Laufe des 20. Jahrhunderts wiederentdeckt. Ihr Comeback folgte auch erst nach dem Wiederaufstieg der «Alten Musik», nach dem neuerlichen Barock-Boom, in dessen Folge es erst möglich wurde, die Kompositionen – samt zeitgeschichtlicher Spezifika wie Countertenoren oder originalgetreuer Instrumentierung – wiederaufzuführen.
Kein Wunder also, dass viele aus dem Spätwerk des früh verstorbenen Purcells nur Aufnahmen von Arien wie «The Plaint», «Thrice happy lovers» and «Hark how the echoing air» kennen, die ihren Siegeszug ausserhalb des Originalkontexts antraten. Ausserdem handelt es sich bei «The Fairy Queen» nicht um einen eigenen Stoff des Orpheus Britannicus, wie Nationalkomponist Purcell ehrfürchtig genannt wurde, sondern um eine musikalische und tänzerische Erweiterung von Shakespeares «Sommernachtstraum». Umso gespannter durfte man auf Richard Wherlocks Adaption der Semi-Oper sein.
Zunächst erleichtert der Ballettmeister «The Fairy Queen» um allen Shakespeare-Ballast. Die ganzen Sprechparts, ja das ganze Schauspiel fielen der Schere zum Opfer. Dagegen fokussiert sich die so von fast fünf Stunden auf 100 Minuten entschlackte Inszenierung auf einzelne Elemente und Handlungsstränge des «Sommernachtstraums» und dessen musikalisch-tänzerische Umsetzung. Den Rahmen bilden dagegen zwei hinzugefügte Parts: Shakespeare (Sergio Bustinduy) und Purcell (Adrien Boissonnet) selbst, in Wahrheit hundert Jahre auseinander, hier zum Amusement des Publikum als überspitzte Erzähler und Kommentatoren, als «drunken Poets» und Hofnarren eingeführt, die durch jenen Einsatz, respektive Ersatz bereits vorhandener Rollen wie derjenigen von Mopsa und Corydon, auch ins eigentliche Binnengeschehen eingreifen.
Grazil bezaubernd, kraftvoll organisch
Eine willkommene Auflockerung, die perfekt zu Wherlocks Wintermärchen passt, aber eigentlich gar nicht nötig gewesen wäre: Denn auch so kommt seine «Fairy Queen» leicht und vergnüglich daher. Bereits Bruce Frenchs ganz in Schattierungen von grün getauchte Bühne entführt einen in ein verwunschenes Labyrinth, wo hinter jeder Gartenhecke allerlei Zauberei vermutet werden darf.
Zu Beginn der Uraufführung steht dazu noch das unter der Leitung von Andrea Marcon aufspielende Barockorchester La Cetra der Schola Cantorum auf der Bühne, das daraufhin langsam in die Unterwelt des Orchestergrabens entschwindet, wo man das Bäumchen-wechsel-dich-Spiel innerhalb der jungen Besetzung nur mehr aus dem Augenwinkel mitverfolgen kann – was der Klasse dieser bunten Truppe allerdings keinerlei Abbruch tut. Im Gegenteil: Gamben und Theorben, Tamburin und Schellen verwandeln sich unter Maestro Marcon in ein raumgreifendes, orchestrales Erlebnis, das dem vor Spielfreudigkeit sprühenden Nachwuchsensemble samt grossartigen Gesangs der Schola-Studenten die gebührende Aufmerksamkeit – und viel Applaus – sichert.
Oben auf der Bühne lässt Choreograph Wherlock seine «Fairy Queen» Titania Ayako Nakano und ihren von Feen, Elfen und Satyrn bevölkerten Hofstaat bezaubernd grazil die Arm- und Beinbewegungen des Barocktanzes aufführen, die sich mit seiner eigenen, kraftvoll-organischen Körperarbeit und -sprache vermischt. Erstaunlich, was für eine völlig natürlich wirkende Einheit diese Versatzstücke aus altem und neuem Tanz bilden – zu keiner Zeit nimmt man hier eigentliche Brüche zwischen den klassisch höfischen Figuren und Wherlocks neuen Elementen wahr.
Jungdynamisch, leicht bekömmlich
Leichtigkeit und Kraft der Emotion bilden auch sonst prägende Motive von «The Fairy Queen»: Während man das Können des Ensembles in den von König Oberon (herrlich fies: Jorge García Pérez) heimlifeiss manipulierten Gruppentänzen demonstriert, wird die eigentliche Geschichte in vielen kleineren und kürzeren Pas-de-Deux erzählt. Eigentliche Höhepunkte der Inszenierung bilden allerdings die zwei Soli der Hauptfiguren Titania und ihres ihr zunehmend entfremdeten, indischen Adoptivkinds. Während die Unsterbliche zum Schluss mit herzzerreissend emotionalem Tanz um den verlorenen Sohn weint, gewann «Indian Boy» Roderick George die Gunst des Publikums bereits früh am Abend, als er gekonnt aktuelle, postmoderne Einflüsse wie «Crumpin’» (einem aus den urbanen Zentren der USA stammenden, anspruchsvollen Variation von Break- und afrikanischem Tanz) mit klassisch-körperbetonten Bewegungsmustern vereinte.
Alles in allem schaffen es Wherlock und Marcon mit diesem – trotz fehlendem Happy-End – an Spass und Spielfreude überbordenden Reigen, ihren Jungtalenten in Tanz und Oper eine würdige Plattform zu geben, welche diese wiederum nur zu gerne nutzen, um ihr Können zu demonstrieren. Dass der Abend selbst dazu passend jung-dynamisch, leicht-bekömmlich, fast als eine Art «Shakespeare-» oder «Purcell light» daher kommt, mag manche Anhänger ultrakonservativer Tanz- und Oper-Auslegungen stören: Vor allem in den Gängen vor der Grossen Bühne waren nach dem an sich mehr als warmen, ja fast tosendem Applaus für die donnerstägliche Premiere am Theater Basel vereinzelt Gifteleien zu hören, die Inszenierung sei «lasziv und langweilig», «krampfhaft jugendlich», «neumodisch und oberflächlich».
Diesen Stänkerern darf man allerdings getrost entgegen halten, dass auch das Original – 1692 uraufgeführt als Hintergrundspektakel zu William und Marys königlicher Hochzeit – in erster Linie das höfische Publikum zwischen den Speisen unterhalten und erfreuen sollte. Und noch viel «jünger» daherkam: Damals wurden die Hauptrollen von Kindern unter zehn Jahren gespielt.
Quellen
www.theater-basel.ch